Dienstag, 19. April 2016

Verschwörungstheorien streuen



Die Tatsache, daß wir in Deutschland, aber auch in Gesamteuropa derzeit so viele unsolidarische Typen in den Regierungen haben, die relativ willfährig die Wünsche der Großindustrie und Finanzwirtschaft auf Kosten der Armen und der Umwelt durchsetzen, deprimiert mich gar nicht so sehr.
Immerhin geht es in den allermeisten EU-Ländern (noch) so demokratisch zu, daß man diese Erfüllungsgehilfen des Geldadels in den Regierungssitzen auch recht einfach nach Hause schicken könnte.

Schwere Depressionen löst aber die Erkenntnis aus, daß der europäische Urnenpöbel aus Doofheit, Desinteresse und devoter Zustimmung gar nicht willens ist, die Verhältnisse zu ändern.
Die Informationsmöglichkeiten des Internets haben offenbar sogar die Schwarmdummheit noch verstärkt.
Von Katzenvideos paralysiert laufen dann mal ein Viertel der Wähler in Sachsen-Anhalt einer völkischen Partei hinterher, die mit einem knallhart-neoliberalen Programm die Wohlhabenden noch mehr fördern will.

Dabei war es nie so einfach wie heute sich darüber zu informieren, was wirklich schief läuft.
Allein, der gemeine Wähler will es nicht und adoriert genau die Typen, die sich ebenfalls hartnäckig den Realitäten verweigern und durch Phlegma im Amt ansehen generieren.

Die Umfragekönige Merkel und Schäuble drücken sich seit zehn Jahren um ihre eigentliche Arbeit.
Da können sie von noch so gewaltigen Skandalen tangiert sein; der Wähler vergisst es im Handumdrehen und generiert vermehrten Speichelfluss bei dem vorfreudigen Gedanken wieder sein Kreuz bei der CDU zu machen.

[….] Zugleich gerät Wolfgang Schäuble in den Sog der Panama Papers. Unter seiner Mitwirkung verhinderte die Bundesregierung offenbar ein Transparenzregister von Offshoreunternehmungen. Während die ihm unterstellte Bundesdruckerei - ein hundertprozentiges Staatsunternehmen - mit Offshorefirmen und mutmaßlich verschobenen Millionenbeträgen geradezu jonglierte. Ein Aufklärungsversuch im Jahr 2015 wurde per Anwaltsdrohung niedergerungen, und Schäuble schweigt. Der Mann also, der 100.000 Mark Barspenden für die CDU in einem Hotelzimmer von einem steuerhinterziehenden Waffenhändler entgegennahm und dann leider vergaß. Der Mann, der trotz dieses Umstands nicht müde wird, aller Welt Lektionen in Finanzmoral zu erteilen - dieser Mann hat Offshorefirmen seines eigenen Hauses nicht im Griff und schweigt dazu. Ein Superskandal, beinahe begraben.
Diese sehr essenziellen Entwicklungen sind weitgehend aus dem sogenannten News Cycle in Deutschland verschwunden [….]
(Sascha Lobo, 13.04.2016)


Zu komisch, Schäuble profiliert sich jetzt als Vorkämpfer gegen Steuerflüchtlinge mit einem Programm, das 2009 schon einmal beschlossen wurde und durch das Eingreifen der deutschen Bundesregierung absolut keine Wirkung entfalten konnte.

[…..] Gerade Schäuble und seine leitenden Beamten sind es, die alle machbaren Fortschritte immer wieder verhindern. So verweigern sie bis heute, die Finanzerträge von Nicht-EU-Ausländern zu besteuern, auch wenn diese die Erfüllung ihrer Steuerpflicht im Heimatland nicht nachweisen.
Kleptokraten aller Länder sind in Deutschland weiterhin willkommen. Zudem sperrte sich ausgerechnet Schäuble im EU-Ministerrat über Jahre gegen die Einrichtung von Unternehmensregistern, in denen die „wirtschaftlich Berechtigten“ genannt werden. Nur weil das EU-Parlament darauf bestand, müssen nun EU-weit „Transparenzregister“ geschaffen werden. Aber selbst jetzt noch möchte der Minister diesen „Schlüssel“ allein den Behörden überlassen. Journalisten und Aktivisten dagegen sollen keinen Zugang haben, obwohl es ohne deren Arbeit keinerlei Aufklärung gegeben hätte. Das sind die Taten, an denen Schäuble zu messen ist. Alles andere ist nur Show. […..]

Obschon man Schäubles Rolle als Schutzpatron für Steuerkriminelle seit vielen Jahren kennt, hält der Urnenpöbel ihn hartnäckig für einen grundehrlichen und kompetenten Minister, der in jüngster Zeit sogar noch einmal zum Merkel-Nachfolger hochgejazzt wurde, falls sie doch über ihre Flüchtlingspolitik stolpern sollte.

Sogar Schäubles eigene Firma, die Bundesdruckerei machte illegale Geschäfte mit Panamaischen Briefkastenfirmen. Das Bundesfinanzministerium wurde von Whistleblowern geradezu mit Hinweisen auf das Treiben überschwemmt.
Aber Schäuble blockte alles ab.

Der Panama-Papers-Whistleblower versuchte immer wieder vergeblich, Wolfgang Schäuble über Steuerschlupflöcher zu informieren. […..] Warum hat Finanzminister Wolfgang Schäuble jahrelang das Gespräch mit einem Whistleblower verweigert, der bei ihm über die mutmaßlich schmutzigen Geschäfte der staatlichen Bundesdruckerei mit Briefkastenfirmen in Panama auspacken wollte? […..] Ein Whistleblower sei in der Hauskultur der Bundesdruckerei offenbar nicht willkommen. "Wie ich schon in früheren Mails an Sie geschrieben habe, verfüge ich über 30.000 Mails und Dokumente in diesem Fall. Man könnte mich ja mal kontaktieren. Die Tür zum Dialog hat immer offen gestanden." […..]

Was gewinnt der beim Wähler so sagenhaft beliebte Schäuble dadurch, daß er hartnäckig, geradezu verbissen darauf besteht, daß hunderte Milliarden Euro dem Fiskus verloren gehen?

Und hier geraten wir in den Bereich der Verschwörungstheorie.
Ist es ein Zufall, daß deutsche Privatbanker, die besonders von den dreckigen Panama-Deals profitierten, fleißige CDU-Spender sind?

[…..] Panama-Banker finanzierten CDU 
[…..] Briefkastenfirmen und offenbar Geschäfte mit Kriminellen – die Hamburger Privatbank Berenberg gerät weiter in Bedrängnis. Und das Geschäft mit dem Geld bekommt nun auch eine politische Dimension: Seit 2004 hat die Bank mehr als eine Million Euro an die CDU gespendet. […..] Allein im Jahr 2009 hat die Bank 250.000 Euro an die CDU überwiesen, das geht aus einer Spendenübersicht der Berenberg Bank hervor. […..]  „Wenn man tief blickt, werden die Abgründe deutlich“, sagt Grünen-Fraktions-Chef Anjes Tjarks. „Die Spenden zeigen, dass die Beziehungen zwischen der CDU und einer fragwürdigen Bank zu eng sind.“ Insbesondere die Tatsache, dass mit Wolfgang Schäuble ein CDU-Mann das Finanzministerium führt, findet Tjarks bedenklich: „Man stellt sich die Frage, wie ernsthaft Herr Schäuble seine Pläne zur Bekämpfung der Steuerflucht und Austrocknung von Steueroasen durchsetzt.“ […..]

Es kostet nur ein paar Klicks das nachzulesen. Es steht in ganz normalen Zeitungen. Aber die Schwarmdummheit siegt. Die CDU ist die mit Abstand stärkste Partei und Schäuble der beliebteste Politiker überhaupt  in der Tagespolitik.
Man sollte die Deutschen nicht mehr als nötig an die Wahlurnen lassen.

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