Na toll,
jetzt ist der Frust der SPDler so gewachsen, daß Köpfe rollen sollen.
Die
Sozi-Funktionäre sind ratlos, frustriert und fühlen sich ungerecht behandelt.
Da
regiert man solide und skandalfrei, setzt gegen die 2013 übermächtige CDU/CSU
eine Menge sozialdemokratische Kernanliegen durch – Rente mit 63, Mindestlohn,
Mütterrente, Mietpreisbremse – und dennoch zeigen die Daumen der undankbaren
Wähler kontinuierlich nach unten.
Natürlich
ist es auch ungerecht, wenn man bedenkt, daß andere Parteien wie die AfD ganz
ohne irgendwelche Arbeit, ohne Programmatik, ohne durchgesetzte Gesetze, ohne
Anstand mal eben 15, 20 oder mehr Prozent einfahren.
Nun soll
einer büßen.
Gabriel,
das Kassengift, der I-Gitt-Faktor an der Wahlurne soll weg.
Seine
eigene Partei hat genug von ihm.
[….] Selbst
wenn Gabriel bis 2017 im Amt bleiben sollte, ist das Ende lediglich aufgeschoben.
Man muss sich nur die
Intervalle ansehen, in denen zuletzt über einen Rücktritt oder Sturz Gabriels
spekuliert wurde - und zwar nicht aus journalistischer Erfindungslust, sondern
unterfüttert vom Getratsche und Geraune in einer tief verunsicherten Partei. Nach
Gabriels 74-Prozent-Klatsche beim Parteitag im Dezember, vor dem absehbaren
Debakel bei den Landtagswahlen im März und nun nach zwei miesen Umfragen: Jedes
Mal galt ein Rückzug des Vorsitzenden ebenso als Option wie ein Putsch. Das
vermittelt eine Vorstellung davon, wie es um Gabriels Autorität noch bestellt
ist. Und das soll jetzt eineinhalb Jahre so weitergehen?
Dann wird nach
jetzigem Stand der Bundestag gewählt, und man vermag sich derzeit nicht
vorzustellen, wie die SPD für Gabriel mit der nötigen Begeisterung in den
Wahlkampf ziehen soll. Gabriel hat es sich durch Positionswechsel,
Unbeherrschtheiten, Alleingänge mit dem Rest der Parteispitze verdorben. Er hat
durch Beschimpfungen weite Teile der Funktionärsschicht gegen sich aufgebracht.
Er hat den Jusos seine Verachtung gezeigt und sich mit ihrer Vorsitzenden auf
offener Parteitagsbühne eine Art verbaler Schulhofklopperei geliefert.
Ausgeblendet hat er die Tatsache, dass die Jusos noch immer das logistische
Rückgrat jedes SPD-Wahlkampfs bilden. Sollen sie im nächsten Jahr ernsthaft mit
"Sigmar wählen"-Shirts durch die Gegend laufen? Die Junge Union
könnte so etwas - wenn es um die Macht geht, sind die Konservativen immer
diszipliniert. Die SPD ist anders. Wenn sie übel nimmt, dann richtig. [….]
Und
welcher einigermaßen an Bürgerrechten und Gerechtigkeit Interessierte wäre
nicht von Gabriels Alleingängen genervt?
Hypothetische
Geschichte ist sinnlos, aber ich nehme durchaus an, daß eine SPD in der
Konstellation von 2013 unter einer Kanzlerin Merkel deutlich besser dastehen
könnte, wenn der Parteichef klare Alternativen verkörpert hätte.
Leider gab aber
Gabriel Waffenexportgenehmigungen wie Schwarzgelb, besuchte privat die
Pegida-Pest, überstimmte Industrie-hörig die Kartellbehörde im Tengelmann-Fall,
mäanderte erbärmlich um TTIP, poltert gegen Flüchtlinge und zwang Maas dazu die
Vorratsdatenspeicherung einzuführen.
So wird die
eigene Partei natürlich nicht beliebt. Aber das liegt an Gabriel und nicht der
politischen Konstellation insgesamt.
Nach
sechseinhalb Jahren Gabriel gibt es tatsächlich genügend Gründe ihn nach Hause
zu seiner jungen Familie nach Goslar zu schicken.
Die
Väter des Grundgesetztes haben dafür gesorgt, daß der Staat nicht
handlungsunfähig werden kann, falls frustrierte Abgeordnete den eigenen Kanzler
stürzen wollen.
Für
einen Kanzlerwechsel gibt es außer Neuwahlen nur die Möglichkeit eines konstruktiven
Misstrauensvotums. Man schickt einen Regierungschef also nur dann in die Wüste,
wenn man gleichzeitig einen Neuen bestimmt.
Stünde
wie vor 21 Jahren in Mannheim ein dynamischer zupackender Lafontaine bereit, um
die Lusche Scharping abzulösen, wäre ich der erste Sozialdemokrat, der das unterstützte!
Aber
wer, bitte schön, sollte das machen?
Gabriels
sechs Stellvertreter stecken allesamt den Kopf in den Sand.
Hannelore
Kraft und Olaf Scholz, die beiden Mächtigsten haben deutlich erklärt nicht zur
Verfügung zu stehen.
Manuela
Schwesig ist im Mutterschaftsurlaub und zu jung, Thorsten Schäfer-Gümbel gilt
als ewiger Wahlverlierer und notorisch uncharismatisch, Aydan Özoğuz gilt als
profillos und monothematisch, Ralf Stegner schließlich ist der Unsympath, der
weiten Teilen der Partei nicht vermittelbar ist.
Allen sechs Personen gemein ist, daß
sie nicht wollen.
Demonstrativen Unwillen bekunden
auch die SPD-Bundesminister.
Steinmeier
gilt seit 2009 als verbrannt und schielt auf den Job des Bundespräsidenten.
Maas beugte sich bereits mehrfach deutlich Gabriels Willen, auch wenn er
dezidiert anderer Meinung war. Die fromme Nahles intrigiert im Hintergrund für 2021,
hält sich aber feige aus der Tagespolitik heraus.
Manuela
Schwesig ist zu jung, Barbara Hendricks zu alt und zu unbekannt.
Anders
als die SPD-Ministerpräsidenten von vor 20 Jahren, sind die heute Amtierenden
fast alle reine Landesgewächse, die außerhalb ihrer Scholle niemand kennt und
die sich auch so gut wie nie bundespolitisch äußern.
Michael
Müller (Berlin), Dietmar Woidke (Brandenburg), Carsten Sieling (Bremen), Erwin
Sellering (Mecklenburg-Vorpommern), Stephan Weil (Niedersachsen), Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz)
und Torsten Albig (Schleswig-Holstein) sind alle einige Nummern zu klein.
Nur
Scholz (Hamburg) und Kraft (Nordrhein-Westfalen) kämen überhaupt in Frage, aber
beide haben sich glaubhaft immer wieder dazu verpflichtet in ihren Ländern zu
bleiben.
Bliebe
noch ein Blick auf die Landesvorsitzenden, aber da muß man die notorisch Erfolglosen, die bereits bewiesen haben, daß sie an der Wahlurne immer bloß
abgestraft werden auch schon streichen:
Nils
Schmid (Baden-Württemberg), Florian Pronold (Bayern), Jan Stöß (Berlin), Thorsten
Schäfer-Gümbel (Hessen), Martin Dulig (Sachsen), Burkhard Lischka (Sachsen-Anhalt)
und Andreas Bausewein (Thüringen).
Zwei
SPD-Ministerpräsidenten regieren ohne zugleich Landeschef zu sein, die dortigen
Parteivorsitzenden sind sogar noch schwächer: Dieter Reinken (Bremen) und Roger
Lewentz (Rheinland-Pfalz).
Es
bleibt nur noch Saarlands SPD-Vorsitzender Heiko Maas übrig, dessen
Landesverband immerhin im Verhältnis zu Gesamtbevölkerung die höchste
Mitgliederzahl hat.
Auch
wenn Maas inzwischen einige zweifelhafte Entscheidungen mittrug, ist er
für mich gegenwärtig der beste Bundesminister. Außerdem ist er an der
Parteibasis beliebt.
Aber wie
sollte sich der nette Maas gegen das Schwergewicht Gabriel in der Partei durchsetzen,
nachdem er sich schon so von ihm in der Regierung dominieren ließ und es noch
nicht einmal zum stellvertretenden Parteivorsitzenden brachte?
Wird
schwer.
Im
Ausschlussverfahren komme ich trotzdem zu dem Schluß, daß nur Maas Gabriel
ersetzen könnte und halbwegs erfolgreich die Partei in den Wahlkampf 2017
führen könnte.
Aber der
Bundesjustizminister lässt diesbezüglich keinerlei Ambitionen erkennen.
Daher
müssen wir wohl Gabriel behalten, mit dem sich die SPD 2017 entweder nur schwer
gerupft in ein Kabinett Merkel IV rettet, oder gleich in die Opposition
geschleudert wird. Vielleicht als vierte Kraft hinter Union, Grünen und AfD?
Merkel
wird definitiv eine vierte Legislaturperiode anstreben. Sollte sie sogar 2021
noch einmal antreten, kann die SPD sich auch nach Torsten Albigs Rat richten
und gleich darauf verzichten einen eigenen Kandidaten aufzustellen.
Vielleicht
hat aber auch Volker Pispers Recht: Der deutsche Urnenpöbel ist unfähig nicht Merkel zu wählen. So lange sie
möchte, wird sie auch Kanzlerin bleiben. Die Wahlen könnte man sich also sparen
und die deutsche Demokratie darauf reduzieren die Kanzlerin alle vier Jahre zu
fragen, mit wem sie regieren möchte.
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