Freitag, 4. Dezember 2015

Der Minusmann – Teil XV




Allein die paar Zeilen, die ich gestern aus dem SPIEGEL der letzten Woche zitierte, sollten voll ausreichen, damit Thomas de Maizière in hohem Bogen aus seinem Amt fliegt.
Seit zwei Jahren wendete sich das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtling, BAMF, mit immer dramatischeren Appellen an das Bundesinnenministerium und bat um Personalaufstockungen, weil die aufgestapelten Asylanträge buchstäblich inzwischen ganzen Räume füllten und keine „Entscheider“ vorhanden waren, um diese zu bearbeiten.

De Maizière kümmerte sich nicht drum, verschleppte, verheimlichte, verschleierte, bis es zu der bekannten Situation kam, daß mehrere Hunderttausende unbearbeitete Asylanträge im BAMF liegen und darüber hinaus weitere Hunderttausende Flüchtlinge Monate warten müssen, bis sie überhaupt einen Antrag stellen können.
Um seinen Antrag zu stellen, werden derzeit Termine im Sommer 2016 vergeben.
So vergehen Jahre und Monate der Unsicherheit. So lange dürfen syrische Akademiker nicht arbeiten, bekommen keine Deutschkurse, unterliegen der Residenzpflicht, werden zwangsweise frustriert mit lauter anderen Männern zusammengepfercht und dürfen ihre Familien nicht wiedersehen.

Ob der unfassbaren Tatenlosigkeit des phlegmatischen Innenministers hatte ihn Bundeskanzlerin Merkel vor genau zwei Monaten entmachtet und die Verantwortung für Flüchtlinge Peter Altmaier übertragen.


Minister Altmaier ist seitdem auch auf Tauchstation gegangen. Für den Dauertalkshowgast sagt es schon einiges aus, wenn er auf einmal das Kameralicht scheut.

Der einzige, der noch arbeitet ist offenbar der Regierungspressesprecher, der immerzu von Bekämpfung der Fluchtursachen und Verteilungsquoten innerhalb der EU spricht.
Schöne Idee; aber de facto geschieht das diametrale Gegenteil.

Das UNHCR wird nicht finanziert, so daß die Flüchtlinge innerhalb Syriens oder in den direkten Nachbarstaaten nicht mehr versorgt werden können und sie zur Weiterflucht nach Europa gezwungen werden.
Außerdem erfüllt die Bundesregierung dem sogenannten Kalifat den sehnlichsten Wunsch, nämlich militärisch einzugreifen. Damit wird Daesh a) zum Staat aufgewertet und b) mit neuen freiwilligen Rekruten versorgt.


Auch die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU ist durch deutsche Mangelkommunikation („In Brüssel wird wieder deutsch gesprochen!“) in weitere Ferne gerückt. Die Rechtsextremen werden in allen Nationen stärker. Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei sperren sich inzwischen sogar grundsätzlich Menschen in Not aufzunehmen.
Offenbar erreicht Thomas de Maizière auf der Ebene der nationalen Innenminister der EU genauso viel wie in Deutschland: Nämlich weniger als nichts; er verschlimmert die Situation auch noch aktiv.


Da die Bundesregierung also ihre internationalen Hausaufgaben nicht macht und auch der Bundesinnenminister seit Monaten keinerlei Willen erkennen läßt das BAMF anzutreiben, nahmen heute die Innenminister der Bundesländer Frank Jürgen Weise, den Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit zur Brust.
De Maiziere hatte CDU-Mitglied Weise (der 1951 in SACHSEN geboren wurde…) im September auch zum BAMF-Leiter erkoren, so als ob die Flüchtlingsangelegenheit minderwichtige Priorität habe und gemächlich im Nebenjob erledigt werden können.
Und wie läuft es jetzt unter dem Oberst der Reserve Weise und dem Oberleutnant der Reserve de Maizière so im Bamf?
(Das war eine rhetorische Frage.)
Natürlich mies. Täglich werden etwa halb so viele Anträge bearbeitet wie neu reinkommen.
Das heißt der Bearbeitungsrückstand vergrößert sich rasant.
Ein bißchen auf’s Tempo zu drücken, Extraschichten einzulegen, Überstunden zu machen, ist aber bisher niemand eingefallen.
Weise, das Kuratoriumsmitglied von ProChrist, betet möglicherweise statt zu arbeiten. Das hat er mit dem Mitglied des deutschen evangelischen Kirchentages de Maizière gemeinsam.

[….] Den Innenministern der Länder gehen die geplanten Änderungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht schnell genug. Zurzeit würden 1.600 Anträge pro Tag bearbeitet, was nicht mal die Hälfte der Zahl der Neuankömmlinge sei, hieß es auf der Herbsttagung der Ressortchefs in Koblenz. Zudem dauere es oft acht Monate, bis das Asylverfahren beginne – es gebe Bundesländer, in denen die Neuankömmlinge erst im Februar Termine für ihre Registrierung bekämen. Die Teilnehmer befürchteten, dass es am Ende des Jahres einen Stau von einer Million Anträgen geben werde. [….] "Wir fordern den Bund eindringlich auf, für eine Beschleunigung der Asylverfahren zu sorgen", sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD), zum Abschluss der Konferenz. Weise habe den Ländern auf wichtige Fragen keine Antwort gegeben, sagte Lewentz. [….] Der nordrhein-westfälische Ressortchef Ralf Jäger (SPD) sagte, von Weise seien Antworten erwartet worden, was Deutschland in der Krise leisten könne. Sein Vortrag sei "weitgehend enttäuschend, in manchen Teilen sogar erschreckend" gewesen.
[….] Neue Unruhe hatte der Plan des Bamf verursacht, bei syrischen Flüchtlingen vom schriftlichen Asylverfahren zur Einzelfallprüfung zurückzukehren. Dabei wird jeder Asylbewerber einzeln interviewt – mit Dolmetscher. [….]
(Die Zeit, 04.12.15)


 Das BAMF soll 4000 zusätzliche Stellen bekommen (derzeit gibt es 3300 Stellen), das wurde schon vor Wochen vom Bundesinnenministerium als Aufsichtsbehörde des Bamf beschlossen - und öffentlichkeitswirksam verkündet. Nur passiert ist offenbar noch nicht viel. [Gemach, gemach, es gibt ja keinen Grund zur Eile – T.]  [….]
Die BAMF-Mitarbeiter sollen nach Ansicht der Länder-Innenminister flexibler arbeiten - nach dem Vorbild von Ländern und Kommunen. "Flüchtlinge können sich nicht nur an Bürozeiten von 8 bis 16 Uhr halten", sagte Jäger, der Sprecher der SPD-Minister ist. Der Innenminister aus Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, der für die Unionsseite spricht, sagte: "Im Zweifelsfall sind sogar im öffentlichen Dienst mal Überstunden möglich." Der derzeitige Chef der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD), verwies auf ein Zwei-Schichten-Modell im Saarland. Und: "Man kann auch samstags und sonntags durchaus tätig werden."
Die vom Bund durchgesetzte Rückkehr zu Einzelfallprüfungen bei syrischen Flüchtlingen dürfe nun nicht zu noch längeren Verfahrensdauern führen, forderte NRW-Innenminister Jäger. Gestern hatten die Länder-Ressortchefs dem Drängen des Bundes nachgegeben und die Rückkehr zur Einzelfallprüfung bei Syrern akzeptiert. Dabei hatten die seit einem Jahr geltenden vereinfachten Verfahren durchaus Sinn: nämlich, die Asylverfahren für die größte Gruppe unter den Flüchtlingen, die Syrer, zu beschleunigen und das BAMF zu entlasten.

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