Samstag, 21. November 2015

Unteres Mittelmaß

Zwei Tage nach den Pariser Terroranschlägen vom 13.11.2015 raisonierte der Mopo-Leitartikler über die großen Ansprachen anderer Regierungschefs an ihre Nationen und ließ in der Überschrift fragen „Wo ist Merkel?“
Der konservative Publizist Wolfram Weimer lobte „François Hollande wächst über sich hinaus“. So sehe entschlossenes Handeln aus.
Welche Überraschung! Während andere Regierungen ihren Bürgern Klartext liefern und Pläne vorstellen, kommt aus Deutschland und dem Kanzleramt mal wieder… nichts.
Man ist sogar froh darüber, denn insbesondere von den Unions-Ministern wird regelmäßig echter Schwachsinn zur maximalen Verunsicherung verbreitet.
Und Merkel? Die ließ sich gestern wie eine unwichtige Statistin auf dem CSU-Parteitag verführen und hatte zuvor das Volk mit einer Dümmlichkeit überrascht, die sogar noch Dobrindt übertraf: Die Attentäter wären „gottlos!“

Nur als vollständig ignorant im Sinne von bildungsresistent kann man es bezeichnen, den Terroristen das Attribut «gottlos» anzuhängen. Die ständig und immer wieder heruntergebetete Leier, islamistisch motivierte Anschläge wie die in Paris hätten nichts mit dem Islam, hätten nichts mit Religion zu tun, ignoriert das Problem in fatalst möglicher Weise.
Religiöse Überzeugungen waren es, welche aus Versagern Mörder machten. Religiöse Überzeugungen trieben die Attentäter in die Arme ihrer Demagogen, religiöse Überzeugungen motivierte sie und trieb sie zum Äussersten. Es war Religion, es war der religiös begründete Glaube an ein Jenseits, an nicht hinterfragbare Glaubenswahrheiten und an die Erfüllung eines göttlichen Auftrages, der sie dazu brachte, sich selbst und andere Menschen zu töten. Es war nicht ein Staat, für den sie die Kugeln abfeuerten, sie mordeten nicht für ihre Familien und nicht, weil sie hungerten. Sie riefen nicht «Freiheit!» und schon gar nicht «Wissenschaft und Menschlichkeit!», als sie sich selbst und alles in ihrer Umgebung in die Luft sprengten, sondern sie schrien dabei, dass ihr Gott der Grösste sei. Sie führten diesen Krieg zur Ehre ihres Götzen, für ihren Irr-, aber eben trotzdem Glauben, und sie führten ihn bis zur allerletzten Konsequenz.

Schlimm genug, dass immer wieder gesagt wird, dass der islamistische Terrorismus nichts mit dem Islam zu tun hat; nun die Vollstrecker auch noch als "gottlos" zu bezeichnen zeigt, dass die Pfarrerstochter Merkel ihrem Denkmuster nicht entfliehen kann: Wer gläubig ist, muss gut sein. Wer also nicht gut ist, kann nicht gläubig sein.
Mit diesem Denken und mit ihrer Aussage diffamiert sie jedoch ein Drittel der deutschen Bevölkerung. Oder sind für Frau Merkel tatsächlich alle Konfessionsfreien und Atheisten Terroristen? So wie in Saudi-Arabien?

Das ist das wahrhaft Schlimme an Merkel – wenn sie ausnahmsweise mal in unbedachten Momenten raushaut was sie wirklich denkt, wünscht an sich sofort, sie wäre wieder abgetaucht im wattig-waberig-wirr-wolkig-Modus.

Im großen Rückblick auf das Zehnjahres-Jubiläum der Kanzlerin, subsummiert die konservative F.A.Z. Merkel als „die Nebelkönigin.“
Abtauchen, abwarten, schleifen lassen und wenn doch mal eine Entscheidung getroffen wird, kann sie jederzeit revidiert und ins Gegenteil verkehrt werden.

Wieso gefällt den Wählern so ein Nicht-Regieren so sehr, daß Merkel tatsächlich machtpolitisch „alternativlos“ ist?
Selbstverständlich ist ihre Politik nicht alternativlos. Sie als Person ist es aber gegenwärtig schon. Sofern sie noch einmal als Kanzlerin kandidieren will, kann sie das nach Gutdünken tun. Es gibt keine nennenswerten Gegner in ihrer Partei.
Und wenn sie CDU-Kandidatin sein sollte, wird sie auch gewählt – da sind alle politischen Umfragen seit Jahren sehr stabil; es gibt keine Chance auf einen Sieg einer Parteikonstellation jenseits der CDU.
Es würde sogar höchstwahrscheinlich noch viel bequemer für Merkel werden. Statt der SPD stünden mit AfD, Grünen und FDP womöglich sogar drei weitere Mehrheitsbeschaffer-Alternativen zur Verfügung, so daß die Kanzlerin gemütlich alle gegeneinander ausspielen könnte.
Der Urnenpöbel will es so: Konservativ und Merkel.
Die frommen Grünen haben sich ohnehin schon zu einem bürgerlichen, kirchenaffinen Merkel-Fanclub verwandelt und die einzige Partei, die nicht Merkel zur Kanzlerin machen würde, die Linke, ist in den aktuellen Umfragen sogar hinter die AfD zurückgefallen.
Byebye R2G.

Wieso stört aber den Urnenpöbel diese Underachiever-Parteienlandschaft gar nicht?
Wieso erwärmen sie sich in allen Umfragen mit großen absoluten Mehrheiten für genau die Pfeifen, die wie Schäuble schon seit 40 Jahren die Bundespolitik dominieren?
Die Öden, die Grauen, die Erfolglosen, die Inhaltslosen, die Bekannten, die Austauschbaren sind die Stars jedes Politrankings: Schäuble, Merkel, Steinmeier, Gauck.

Deutschland ist inzwischen so auf unteres Mittelmaß geprägt, daß die grauhaarigen Denkfaulen auch in den nicht-politischen Vereinen als Idealbesetzung gelten.

Intellektualität, geistige Flexibilität, Witz und Charisma sind hier offensichtlich verdächtig. Die größten deutschen Verbände und Vereine, die völlig frei sind sich einen Präsidenten zu wählen, greifen mit Vorliebe auf Graue-Maus-Geronten mit Vergangenheit als unauffälliger Politikfunktionär zu.
Ein Lebensalter unter 70 gilt als Makel und Extravaganz wird nicht toleriert.

Beispiele:

Der mächtigste Automobil-Lobbyist Europas ist der ehemalige CDU-Minister Matthias Wissmann, 66, langweilig. Aus seiner aktiven Politikerzeit ist absolut NICHTS in Erinnerung, das mit seinem Namen verbunden wäre.

Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer ist der drögeste und ödeste SPD-Minister aller Zeiten: Rudolf Scharping, 67. Vor genau 20 Jahren schaffte er das Kunststück auf dem Mannheimer Parteitag so unfassbar langweilig zu sein, daß er den Parteivorsitz verlor, ohne daß es überhaupt einen Gegenkandidaten gab.

Der Präsident des Deutschen Turner-Bundes DTB (immerhin über 5 Millionen Mitglieder) heißt Rainer Brechtken, 70, und war früher mal Politischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg.

Der ehemalige CDU-Innenminister Rudolf Seiters, 78, amtiert als Präsident des Deutschen Rotes Kreuzes e.V. DRK und herrscht über 4.460.639 Mitglieder.

Als FDP-Politikerin mäßig erfolgreich brachte es Irmgard Schwätzer, 73, Ende der 1980er Jahre zur Staatsministerin im Auswärtigen Amt unter der Protektion des FDP-Chefs Genscher. Nun ist sie Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und somit Nachfolgerin von Merkel-Fan Katrin Göring-Kirchentag.

Es gibt auch zwei ganz aktuelle Personalien. Auch hier wünschen sich die Millionen-Mitglieder-Vereine besonders unauffällige konservative Politiker als Chef.

Vor 41 Jahren trat der fromme Thomas Sternberg, 63, in die CDU ein, brachte es bis zum Landtagsabgeordneten in Nordrhein-Westfalen, Gestern wurde er Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Damit steht er an der Spitze von über 20 Millionen katholischen Laien und löst den ehemaligen CSU-Fraktionschef Alois Glück, 75, als ZdK-Chef ab.

Der designierte Nachfolger des zurückgetretenen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach heißt Reinhard Grindel, sitzt für die CDU im Bundestag und kommt aus Hamburg. Durch sein Parteibuch wurde er 1991 Redakteur im Bonner Studio von Sat.1 und später leitender Redakteur im Studio Bonn des ZDF.
Grindel ist war erst 54, trat aber schon mit 16 in die CDU ein und ist die Inkarnation des langweilig-angepassten Parteifunktionärs.

Der stets grinsende Pykniker wurde als klassischer Apparatschick schon jetzt zu seiner eigenen Karikatur.
So einen wünschen sich also die knapp sieben Millionen Mitglieder als „Retter“ nach den unrühmlichen Mauschel- und Bestechungs-Enthüllungen über die ehemalige Führung.

[….] Reinhard Grindel dürfte aller Voraussicht nach der neue Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) werden. [….]  Ein Mann des Vertrauens, ein Monument gelebten niedersächsischen Anpackens, ein CDU-Bundestagsabgeordneter, der in seinem Wahlkreis Rotenburg und Heidekreis offenbar alles und jeden kennt. Das geht zumindest aus einem Wahl-Werbe-Video hervor, das nun zum herzhaften Beömmeln einlädt.
Zu sehen ist darin Grindel beim Wählerfang und es ist alles so herrlich daneben, dass man fast weinen muss - vor Schadenfreude. Ein bisschen kommt es einem vor wie beim "Praktikantenrap" von Edeka: Warum verhindert niemand so etwas, nun ja, Saupeinliches? Der Plot geht so: Das Ortsschild Scheeßel im Landkreis Rotenburg (Wümme) führt den Zuschauer hinein in eine Welt aus Händeschütteln, wackerem Smalltalk und "Grindel staring at things". Da begrüßt der kommende starke Mann im deutschen Fußball die Freiwillige Feuerwehr, er gibt sich als bürgernaher Tätschelonkel im Kindergarten, als Grinsepeter im Kuhstall, als Mitmacher in verschiedenen Bereichen des Mittelstandes.
Grindel stakst im Anzug auf Volksfesten herum, posiert mit dem örtlichen Schuhmacher und seiner pollunderbehängten Gattin, ehe er beim Bolzen auf dem Fußballplatz (immer noch im Anzug) einen auf Soccer Dad macht. Und natürlich immer wieder Kühe. Kühe im Stall, Kühe auf der Weide, Kühe, Kühe, Kühe. Niedersachsen halt. Dazu trällert ein ohrenpieksendes Hartmut-Engler-Stimmchen einen Song mit der Zeile: "Komm' mit ins Zukunftsland, es liegt in deiner Hand, mit Herz und Verstand - ooooh, Niedersachsen".[….]

So gefällt es dem deutschen Michel offensichtlich. Solche Typen wie Scharping, Wissmann, Schwätzer, Seiters, Sternberg oder Grindel haben sie so lieb, daß sie nach ihrer politischen Karriere derart vermisst werden, daß man sie sich in die größten Vereine und Verbände holt, um sie bis ins Greisenalter weiter walten zu lassen.


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