Immer
wieder das gleiche in der Toppolitik: Amtsträger stolpern nicht über die Affäre
an sich, sondern weil sie so stümperhaft damit umgehen.
Der
Urnenpöbel ist doch so bereit alles zu verzeihen. Die größten Lügner sind
kontinuierlich in den Top-5 der Politiker-Beliebtheitsrankings.
Als Minister
kann man sich allerlei erlauben.
Mit einem
frühzeitigen Schritt an die Presse, einer ehrlichen Offenlegung der Faktenlage,
der klaren Benennung dessen, womit man sich schuldig gemacht hat und einem mea
culpa ist alles erledigt.
Aber der
„mir-kann-keiner-was“-Glauben ist doch enorm verbreitet an der Spitze.
Möglicherweise
ist das eine normale psychische Konsequenz des beruflichen Erfolgs. Wer es über
Dutzende Hierarchiestufen bis zum Bundesminister gebracht hat, mußte
zwangsläufig so viele Konkurrenten hinter sich lassen, daß man sich womöglich daran
gewöhnt mit allem durchzukommen.
Seltsam,
denn andererseits ist es manchmal so offensichtlich, daß Amtsinhaber ihrer
Position nicht gewachsen sind, daß noch nicht einmal die glühendsten
Parteianhänger das anders sehen können.
Kristina
Schröder? Dirk Niebel? Franz Josef Jung? Ilse Aigner? Alexander Dobrindt? Hans
Peter Friedrich? Fipsi Rösler? Ronald Pofalla?
Es tut
mir Leid, aber ich kann nicht glauben, daß IRGENDJEMAND diese Kabinettspfeifen
für geeignete Minister gehalten hat.
Anyway,
ich schwiff ab.
Der Minusmann Thomas de Maizière liefert das Paradebeispiel, wie man
es nicht macht.
Gut
möglich, daß er im nächsten „Politaffären für Dummies“ mehrfach als
Negativbeispiel zitiert wird.
G36,
Kundus-Drama, Mare-Nostrum-Desaster – immer wenn es richtig schief geht, taucht
de Maizière ab, schweigt, redet sich raus, gibt nur das zu, was ohnehin schon
öffentlich ist oder aber wälzt die Verantwortung auf Untergebene ab.
Niemals käme ihm in den Sinn zuzugeben selbst gefehlt zu haben.
Niemals käme ihm in den Sinn zuzugeben selbst gefehlt zu haben.
Die
BND-Affäre, für die er als Geheimdienstkoordinator in seiner Funktion als
Kanzleramtsminister (2005-2009), sowie als Innenminister mitzuständig war,
weitet sich von einer mittelgroßen Angelegenheit inzwischen aber zu einem
staatsübergreifenden Großskandal aus.
Vorgestern
war noch Stand der Dinge, daß der BND der amerikanischen NSA dabei geholfen hätte
Wirtschaftsspionage bei deutschen Firmen zu betreiben.
Dies wurde 2008 dem Kanzleramt gemeldet und de Maizière vertuschte es.
Dank der
Recherchemacht des SZ-WDR-NDR-Verbundes unter der Leitung des
Ex-SPIEGEL-Chefredakteurs Georg Mascolo sind inzwischen einige dramatische
Umdrehungen hinzugekommen.
[…]
Die Abhöreinrichtung des
Bundesnachrichtendienstes (BND) im bayerischen Bad Aibling wurde nach
Feststellung von Regierungsexperten jahrelang für Spionage gegen europäische
Staaten missbraucht. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR
zählen zu den Betroffenen hochrangige Beamte des französischen Außenministeriums,
des Élysée-Palastes und der EU-Kommission. […] Innenminister Thomas de Maizière, der sich dem Vorwurf der
Verschleierung gerade in der Frage der Wirtschaftsspionage ausgesetzt sieht,
bot am Mittwoch an, wegen der Geheimhaltungspflichten vor dem Parlamentarischen
Kontrollgremium und dem NSA-Untersuchungsausschuss auszusagen. […]
"Der Kern ist die
politische Ausspähung unserer europäischen Nachbarn und von EU-Institutionen,"
sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person. […] Alle von den USA seit Beginn der Kooperation angelieferten Suchworte
werden nun noch einmal überprüft. Ihre Zahl ist riesig: Allein im Jahr 2013
waren es 690 000 Telefonnummern und 7,8 Millionen IP-Suchbegriffe. In einer
sogenannten Ablehnungsdatei landeten 40 000 Suchbegriffe. […]
Abhören
unter Freunden geht gar nicht” – hatte die Kanzlerin noch vor einem Jahr empört
getan, als der SPIEGEL veröffentlichte, ihr Handy würde von Amerikanern abgehört.
Nun
scheint es so zu sein, daß der deutsche Geheimdienst, der in Merkels Kanzleramt
geführt wird noch viel mehr Dreck am Stecken hat.
Aus dieser Falle – nichts davon gewußt zu haben, ist genauso ein eklatantes Regierungsversagen wie „gewußt und vertuscht“ – wird auch die Teflonkanzlerin nicht leicht entflutschen können.
Aus dieser Falle – nichts davon gewußt zu haben, ist genauso ein eklatantes Regierungsversagen wie „gewußt und vertuscht“ – wird auch die Teflonkanzlerin nicht leicht entflutschen können.
Nun
müssen wirklich Köpfe rollen; denn eins ist jetzt schon sicher: Die Bundesregierung hat massiv das Parlament belogen.
Hat
das Kanzleramt den Bundestag erneut belogen?
"Nachdem sich
entgegen allen Beteuerungen der Bundesregierung herausgestellt hat, dass der
Drohnenkrieg der USA, bei den es zu zahlreichen gezielten und mindestens zum
Teil wohl auch völkerrechtswidrigen Tötungen gekommen ist, maßgeblich über die
deutsche Militärbasis in Ramstein gesteuert wurde und womöglich immer noch
wird, gibt es binnen weniger Tagen einen weiteren Fall, in dem der dringende
Verdacht der bewussten Falschinformation gegenüber dem Parlament besteht.
Obwohl gestern verschiedene Medien meldeten, dass das Bundeskanzleramt anders
als bisher behauptet, nicht erst im März 2015, sondern bereits im Jahr 2008
durch den BND in einem Sonderbericht über Aktivitäten der NSA im Bereich der
Wirtschaftsspionage und gegen europäische Interessen unterrichtet wurde, aber
nichts dagegen unternommen habe, herrschte im Koalitionsausschuss heute Nacht
lautes Schweigen", moniert André Hahn, Mitglied der Linksfraktion im
Parlamentarischen Kontrollgremium, und derzeit auch dessen Vorsitzender. Hahn
weiter:
"Wenn die
neuesten Medienberichte stimmen und es schon im Jahr 2008 einen oder gar
mehrere Berichte des BND über versuchte bzw. auch real erfolgte
Wirtschaftsspionage seitens der NSA an die Dienst- und Fachaufsichtsbehörde
gegeben hat, dann hätte das Bundeskanzleramt das Parlamentarische
Kontrollgremium erneut belogen, denn ihm gegenüber hat Kanzleramtsminister
Altmaier erklärt, sein Amt habe erst vor wenigen Tagen von derartigen
Bestrebungen erfahren.
Natürlich war Herr
Altmaier damals noch nicht im Amt - das war er jetzige Bundesinnenminister De
Maizière - aber er trägt neben der Bundeskanzlerin die Hauptverantwortung für
sein Haus.
Angela Merkel soll
sich erst mal gegenüber der deutschen Bevölkerung erklären. Im Wahlkampf 2013
nach den Snowden-Veröffentlichungen, die ja überhaupt erst auf dieses ganze
Problem hingewiesen haben, hat sie so getan, als wüsste man von allem nichts
und als wäre man ganz erstaunt, was die NSA alles Böses kann und tut, und man
ist massiv empört gewesen und ist ja schon in die USA gereist und hat da über
irgendwelche Dinge verhandelt, die bis heute keiner versteht. Tatsächlich
wissen wir heute, auch durch die Akten und durch die Arbeit des
Untersuchungsausschusses, dass man sehr gut Bescheid wusste und dass der BND
sehr eng mit der NSA kooperiert hat in den letzten Jahren und dass man über die
Fähigkeiten und diesen massenhaften Datenabgriff, den die NSA organisiert, voll
Bescheid wusste. Insofern muss Frau Merkel einfach mal die Wahrheit erzählen.
"Das
Bundeskanzleramt muss dem NSA-Untersuchungsausschuss bis zum morgigen Mittwoch
zum einen die Liste der 2000 Selektoren vorlegen, die der BND für den NSA
eingesetzt hat und die erst nach 2013 durch eine Prüfung des BND zu einem
bislang unbekannten Zeitpunkt als gegen deutsche Gesetze verstoßend identifiziert
wurden", fordert Martina Renner, Obfrau der LINKEN im
NSA-Untersuchungsausschuss. Renner weiter:
"[…] Der
Ausschuss hat sich schon im Winter 2014 mit der Frage nach den von der NSA an
den BND übergebenen Selektoren beschäftigt. Im November 2014 beispielsweise wurde
ein BND-Zeuge namens T.B. gehört, der sowohl Dienststellenleiter der
Abhörstation in Bad Aibling als auch später als BND-Sachgruppenleiter explizit
für die Datenauswahl zuständig gewesen war. Dieser BND-Sachgruppenleiter hatte
dem Untersuchungsausschuss ganz klar erklärt‚ dass Selektoren herausgefiltert
würden, die gegen deutsche Interessen verstoßen‘. Der Zeuge war sich sicher,
dass die Fehlerquote im Promillebereich liege und hat sogar den Bereich
Industriespionage explizit erwähnt. Mit dem Wissen von heute müssen wir den
Zeugen nun noch einmal hören.
Das Kanzleramt kann
sich im Übrigen jetzt nicht darauf zurückziehen, die Schuld im BND zu suchen.
Wenn Geheimdienstkoordinator und Kanzlerin von den Vorgängen nichts gewusst
haben, ist das ein Skandal. Wenn sie davon gewusst haben, genauso."
De
Maizière ist als Minister nicht mehr haltbar
"Thomas de
Maizière hat das Parlament belogen und über Jahre hinweg tatenlos zugesehen,
wie deutsche sowie französische Politiker und Unternehmen von US-amerikanischen
Geheimdiensten ausspioniert wurden. Damit ist er als Innenminister völlig
untragbar. Organisationen wie der BND, die als Handlanger der NSA agieren und
die Interessen des eigenen Landes verraten, sind überflüssig und gefährlich.
Auch das verfassungswidrige Projekt der Vorratsdatenspeicherung muss umgehend
gestoppt werden, wenn wir nicht wollen, dass sämtliche Kommunikationsdaten von
ausländischen Geheimdiensten ungehindert abgegriffen werden können", kommentiert
Sahra Wagenknecht Medienberichte, nach denen de Maizière den Bundestag mehrfach
über seine Kenntnisse der illegalen Spionagepraxis von NSA und BND belogen hat. […]
Nun sind
wir als Regierte es lange gewöhnt belogen zu werden und stören und nicht so
sehr daran, weil der Urnenpöbel seine Wahlentscheidungen ohnehin unqualifiziert
und irrational trifft.
Diesmal
wurden aber auch Parlamentsfraktionen und Regierungspartner massiv belogen. Ob
die das auch so locker achselzuckend hinnehmen?
[…]
Nun steht der Vorwurf der Lüge im Raum.
Am 14. April teilte
das Innenressort von Thomas de Maizière (CDU) auf eine Anfrage der Fraktion der
Linken mit: "Es liegen weiterhin keine Erkenntnisse zu angeblicher
Wirtschaftsspionage durch die NSA oder anderen US-Diensten in anderen Staaten
vor". […].
Spätestens im Jahr
2010 liefen im Kanzleramt BND-Meldungen ein, wonach die USA versucht hatten,
die Rüstungskonzerne EADS und Eurocopter auszuspähen. Diese Versuche, so ein
geheimes Papier, wurden vom BND im Jahr 2005 entdeckt und "im Anschluss
unterbunden". Die Regierung hat die Existenz dieses Papiers bestätigt.
Die Linken werfen der
Bundesregierung eine bewusste Falschaussage vor. "Die Antwort vom 14.
April ist ganz offenbar gelogen", sagte der Linken-Politiker Jan Korte
SPIEGEL ONLINE. Er glaube der Bundesregierung in der Affäre "kein Wort
mehr".
[…]
Die neue Wendung setzt Thomas de Maizière
unter Druck, der ohnehin seit Tagen in der Kritik steht. Dass ausgerechnet der
Innenminister, von 2005 bis 2009 als Chef des Bundeskanzleramts für die
Kontrolle des BND zuständig, trotz der internen Aufregung um die Affäre eine
falsche Antwort ans Parlament schickte, rückt ihn weiter in den Fokus.
[…]
Merkels Kanzleramtschef Peter Altmaier
ist in Sachen Offenlegung derzeit in Konsultationen mit den Amerikanern. Dass
sich Washington kooperativ zeigt, ist sehr unwahrscheinlich, würde doch so alle
Welt sehen, für welche westeuropäische Unternehmen oder gar Politiker sich die NSA
in Westeuropa interessiert.
Weigert sich
Washington, müssen Merkel und Altmaier entscheiden, ob sie die Liste gegen den
Widerstand des engsten Verbündeten veröffentlichen. Es wäre ein Affront. […]
Thomas
de Maizière ist als Innenminister auch Verfassungsminister, kontrolliert den
Verfassungsschutz und garantiert die innere Sicherheit.
Auf so
einem sensiblen Posten einen ausgemachten Lügner sitzen zu lassen, ist schon
ein starkes Stück.
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