Mittwoch, 14. Januar 2015

Einladungen

Geschenkt!“ – war meine erste Reaktion, als die Kritik an den etwas gestellten Bildern der Staats- und Regierungschefs bei der Millionen-Demo in Paris aufkam.
Verständlicherweise war die Anwesenheit von Regierungsvertretern aus 20 Nationen mitten unter 1,5 Millionen Protestlern ein sicherheitstechnischer Alptraum für die Polizei.
Hollande, Bibi, Angie und Co stellen schließlich nicht nur ein Traumziel für irre Terroristen aller Art dar, sondern sie gefährden damit automatisch auch alle anderen Anwesenden, die nur friedlich demonstrieren wollen.
Insofern halte ich es für vertretbar, daß man die Staatsgast-Kette bei der Demo separat abfilmte; Merkel aber nicht tatsächlich an der Spitze des Zuges durch ganz Paris latschte.
Das Wesentliche ist doch, daß diese internationalen Top-Gäste willens waren mit zu demonstrieren und dafür extra nach Paris einflogen.
Ich bin sicher, daß alle eitel genug sind, um sich die Spitzen-PR nicht entgehen zu lassen. Für ausdrucksstarke Bilder, die ins Geschichtsbuch eingehen werden, wären die die Damen und Herren auch liebend gern auf den Knien durch Paris gerobbt.

Ich konnte mich auch keine Sekunde über die ersten retuschierten Bilder aufregen. Das wissen wir doch schon so lange, daß es religiotische Irre aller Abstufungen gibt.
Und wenn die Welt sich ihren unterkomplexen komplexbeladenen Vorstellungen nicht entspricht, wird sie eben passend gemacht.

Eins der berühmtesten Bilder der letzten zehn Jahre, nämlich der Schnappschuß des US-Sicherheitskabinetts, welches im Situation-Room des Weißen Hauses im Jahr 2011 die Ermordung Osama bin Ladens verfolgt, wurde von vielen jüdischen Zeitungen gephotoshopt, weil man den Lesern nicht zumuten wollte Secretary of State Hillary Clinton and Counterterrorism Director Audrey Tomason zu zeigen.
Frauen; bäh. Mindere Weibsbilder. Schwanzlose Ungeheuer.


Aber so sind Religioten nun einmal. Wären sie vernünftig, wären sie ja nicht religiös!

Es erscheint mir passend, daß bei einer weltweiten Aktion wider die religiöse Gewalt ultraorthodoxe Irre beweisen wie richtig es ist sich gegen Religionen insgesamt zu wenden, indem sie die Frauen aus den Bildern radieren.


Religionen kann man nur als Satire oder Gefahr verstehen; dabei schließt das eine das andere nicht aus.


Bizarrer war es allerdings zu erfahren mit welcher Verve sich nicht geladene Gäste wie Bibi Netanjahu (der einst in den US darüber beklagte wie ungerecht es sei, daß er nur Regierungschef eines so kleinen Landes sei, obwohl er doch eigentlich prädestiniert sei eine Supermacht wie Amerika zu führen) oder Nikolas Sarkozy beherzt in die erste Reihe drängten.

Zum Glück gibt es für solche Fälle heute das Internet, um Egomanen dieses Schlages wenigsten gebührend auszulachen.

Wenn Menschen ins Ausland reisen, dann begleiten sie die Vorurteile ihrer Nationalität verlässlicher als jeder Reisepass. Englische Reisegruppen gelten als trinkfreudig und akustisch auffällig, Russen als besonders durchsetzungsstark am Buffet, Deutsche als vielleicht nicht immer ganz so stilsicher. Und Israelis? "Die Warteschlange missachten, am Buseinstieg drängeln und mit Ellbogeneinsatz nach vorn kommen, das ist dermaßen israelisch", attestiert sich und seinen Landsleuten der bekannte Autor der israelischen Tageszeitung Haaretz Jossi Verter.
Anlass gab ihm der dieser Tage bekannteste reisende Israeli: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der zuletzt in Frankreich unterwegs war. Zu dem Ausflug hatte er sich spontan entschlossen und sich, so berichteten jedenfalls israelische Medien, aus Wahlkampfgründen selbst zum großen Pariser Gedenkmarsch eingeladen. Und das, obwohl Frankreichs Präsident Hollande in eigentlich gar nicht dabei haben wollte.
Manche Israelis beobachteten am Sonntag amüsiert, andere peinlich berührt, wie Netanjahu sich forsch seinen Weg in die erste Reihe des Trauermarsches bahnte. War er zu Beginn noch in der zweiten Reihe postiert, nutzte er den ersten Fotostopp der Kolonne, um den vor ihm laufenden Präsidenten von Mali zum Händeschütteln aufzufordern. Dabei zwängte er sich mit einer geschickten Körperdrehung neben ihn und damit in die erste Reihe. [….] Fast alle israelischen Medien lachten, schimpften oder ätzten in den vergangenen Tagen über diesen Auftritt: "Peinlich", "ein PR-Desaster". [….]

Richtig grotesk an der Pariser „Je suis Charlie“-Demonstration für Meinungsfreiheit ist allerdings die Heuchelei mit der sich Merkel und Co auch bei solchen Staatsgästen unterhakten, die in ihren Nationen keineswegs Meinungsfreiheit zulassen.
Vertreter Ägyptens, der Türkei, der Ukraine, Russlands, Algeriens, der Vereinigten Arabischen Emirate und Gabuns auf einer Millionen-Demo für die Meinungsfreiheit zu dulden, ist an Heuchelei kaum zu übertreffen.


Übertroffen wird diese Schmach nur noch von Saudi-Arabien, dem nach Nord-Korea unfreiesten Land der Welt, welches just den weltweit berühmten Blogger Raif Badawi wegen freier Meinungsäußerung auspeitschen ließ und dann seinen Prinzen Nizar Madani zur Demo nach Paris schickte.
Badawi wird 20 Wochen lang jeden Freitag 50 Peitschenhiebe erhalten, also insgesamt 1000 Hiebe, 200.000 Euro Geldstrafe und zehn Jahre im Zuchthaus sitzen - wegen Beleidigung des Islams

[….]   Eineinhalb Millionen Menschen setzten am Sonntag in Paris ein Zeichen gegen den islamistischen Terror zu setzen. Unter den Teilnehmern des Trauermarsches war auch eine beeindruckende Zahl internationaler Regierungsvertreter. Und auch mancher Politiker, dessen Teilnahme an einem Marsch zur Verteidigung der Meinungsfreiheit nicht auf den ersten Blick einleuchtet.
So kam offenbar auch der saudi-arabische Vize-Außenminister Nizar Madani in die französische Hauptstadt, wie BBC und die Saudi Gazette berichten. Auch Riads Botschafter in Frankreich schloss sich den "Je suis Charlie"-Protesten an. Und das nur zwei Tage, nachdem in Saudi-Arabien ein Blogger öffentlich ausgepeitscht wurde.
50 Hiebe trafen Raif Badawi auf Rücken und Beine, vollzogen wurde die brutale Strafe nach dem Freitagsgebet in der Nähe der Al-Dschafali-Moschee in Dschidda. 950 weitere Hiebe sollen in den kommenden Wochen auf ihn niedergehen, so hatte es ein saudisches Gericht im Mai angeordnet. Ausgeführt wird die Strafe eigentlich mit einem Stock, der allerdings sehr dünn ist. Amnesty spricht hier daher von Peitschenhieben.
"Raif hob seinen Kopf in Richtung Himmel, schloss seine Augen und beugte seinen Rücken. Er war still, doch man konnte an seinem Gesicht und seinem Körper sehen, dass er wirklich schlimme Schmerzen hatte", schilderte ein Augenzeuge Amnesty International den Übergriff. [….] Badawis Vergehen: Auf seiner Webseite "Freie saudische Liberale", mit der er ein Forum für eine öffentliche Debatte schaffen wollte, habe er den Islam beleidigt. [….] Amnesty zufolge ist Badawi kein Einzelfall. [….] So wurde auch der Anwalt Badawis zu einer Gefängnisstrafe von 15 Jahren verurteilt. [….]

Weitere Demonstranten für die Freie Presse:

[….] King Abdullah of Jordan, which last year sentenced a Palestinian journalist to 15 years in prison with hard labour [….]
 Prime Minister of Davutoglu of Turkey, which imprisons more journalists than any other country in the world [….]  Prime Minister Netanyahu of Israel, whose forced killed 7 journalists in Gaza last yr [….]
 Foreign Minister Shoukry of Egypt, which as well as AJ staff has detained journalist Shawkan for around 500 days [….]
Foreign Minister Lamamra of Algeria, which has detained journalist Abdessami Abdelhai for 15 months without charge [….]
 Prime Minister Jomaa of Tunisia, which recently jailed blogger Yassine Ayan for 3 years for "defaming the army" [….]
The PMs of Georgia and Bulgaria, both of whom have a record of attacking & beating journos [….]
 The Foreign Minister of Bahrain, 2nd biggest jailer of journos in the world per capita (they also torture them) [….]
Sheikh Mohamed Ben Hamad Ben Khalifa Al Thani of Qatar, which jailed a man for 15 ys for writing the Jasmine poem [….]

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