Eigentlich
fühle ich mich meistens als Polit-Kassandra.
Da ist
es doch schön, wenn man mal zur Abwechslung auf mich hört.
Vor
gerade mal vier Tagen hatte ich eine Fusion aus CDU und Grünen vorgeschlagen
und nun scheint es schon Realität zu werden.
Es ist
doch schön, wenn sich eine Partei wie die Grünen so konsequent selbst
abwickelt, nachdem sie sich zur Kriegseinsatz-, Waffenexport- und
Autofahrerpartei aufgeschwungen hat.
Ich will
nicht ungerecht sein und gerne zugeben, daß man Argumente dafür finden kann
militärisch gegen den IS vorzugehen, bzw die Peschmerga und PKK mit Waffen zu
versorgen.
Aber
genau da treffen sich eben die einst mehr Waffen- und weniger PKK-freundliche CDU mit der einst mehr PKK- und
weniger Waffen-freundlichen Grünen.
Nachdem
nun beim soeben zu Ende gegangenen Hamburger Grünen-Parteitag die
Schwaben-Fraktion durchmarschierte, sind alle Unterschiede zur CDU ausgeräumt.
Es scheint
Jahrhunderte zurück zu liegen, daß auf Grünen-Parteitagen die Fetzen und
Farbbeutel flogen, daß der Spitze von der Fundi-Basis ordentlich eingeheizt
wurde.
Es geht am Ende nur
noch um diesen einen Satz. Einen Satz von unbestechlicher Klarheit. Aber auch
ein Satz, der jenen in der Partei, die Waffenlieferungen unter Umständen für
richtig halten, einen unmissverständlichen Riegel vorgeschoben hätten. Der Satz
lautet: "Waffenlieferungen in Krisengebiete lehnen wir ab."
[…]
Özdemir
hat den Kampf gewonnen, der Satz hat knapp die notwendige absolute Mehrheit
verfehlt. […]
Wer die
Bildung der ersten rotgrünen Bundesregierung bewußt verfolgt hat, erinnert sich
an das böse Schimpfwort „Autokanzler“.
Damit
wurde der frühere Ministerpräsident Niedersachsen und daher auch Vertreter im
VW-Aufsichtsrat Gerd Schröder bezichtigt im Zweifelsfall den Umweltschutz
hintan zu stellen, wenn es um die Wünsche der Autofahrer ginge.
Die
Grünen forderten hingegen damals mutig und unpopulär, aber richtig: „5 DM für
den Liter Benzin“.
Mut,
Ehrlichkeit, Klugheit und Trittin sind heute abgemeldet bei den Grünen.
Dafür
herrscht Anpassung, Hasenfüßigkeit Doofheit und Göring-Kirchentag.
Stuttgarts OB und
Baden-Württembergs Ministerpräsident umschwärmen die Autoindustrie. Ihre
Botschaft – die Grünen sind eine Autofahrerpartei.
[….] Sogar Oberbürgermeister Fritz Kuhn, der
erste Grüne, der eine deutsche Landeshauptstadt regiert, besitzt ein kleines
Porsche-Monument. Na gut, ein Porsche-Modell zumindest, er findet es nur gerade
nicht, was mal passieren kann in einem fußballfeldgroßen Amtszimmer. Aber Kuhn
begeistert sich, Kaffee und Wasser vor sich, sehr für Porsche, Daimler, Bosch [….]
Und noch eine Aufgabe hat er, im grünen
Doppel mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Sie wollen ihrer Partei klar
machen, dass Seite an Seite mit der Wirtschaft Wahlen gewonnen werden – nicht
gegen sie, wie es die Grünen bei der Bundestagswahl probierten. [….] In
diesem Sommer erst hat [Daimler-Vorstand] Weber Kretschmann einen Hybrid-Mercedes übergeben, in grüner
Sonderlackierung, auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Die Fotografen knipsten das
Motiv begeistert: Der Ministerpräsident, der Daimler-Vorstand, ein 100000 Euro
teurer Schlitten, der nur 115 Milligramm CO₂ ausstößt, vier Liter braucht und
240 Sachen fährt. Für Grüne ein Raketenwagen. „Schaut gut aus, da lässt sich
drin arbeiten“, sagte Kretschmann. [….] Seine
Grünen, verkündete er dann 2012, seien „schon immer Autofahrerpartei gewesen“.
Heute bezeichnet er die Autoindustrie als „Halsschlagader für den Wohlstand
unseres Landes“. [….] Das grüne
Selbstbewusstsein wächst. Vor kurzem erklärte Kretschmann beim Landesparteitag
die Grünen zur „neuen klassischen Wirtschaftspartei“. Kuhn saß hocherfreut
dabei in der Stadthalle von Tuttlingen. [….]
(Roman
Deininger, Max Hägler und Josef Kelnberger, SZ vom 21.11.2014)
Da sieht
der stets Fahrrad-fahrende Christian Ströbele auf einmal uralt aus.
In
Hamburg klatschte der Stuttgarter MP die Rudimente der Fundi-Grünen an die
Wand. Asylrecht? Bloß noch Verhandlungsmasse bei den Grünen 14.0
Übermacht der
Kretschmann-Jünger
[…] Der Protest gegen Winfried Kretschmann
schiebt sich zwischen den Ministerpräsidenten und die Fernsehkamera. Plakate
verdeckten den Blick auf den Mann, den manche in der Partei für einen Verräter
an grünen Idealen halten. "Menschen aus allen Herkunftsländern sind
willkommen", steht auf einem. Ein anders kritisiert den Asylkompromiss,
dem Kretschmann vor einigen Wochen im Bundesrat zugestimmt hat.
Es ist der Protest der
grünen Jugend, der Kretschmann auf dem Parteitag in Hamburg trifft. […] Kretschmann muss noch warten, bis er weiterreden kann. Aus dem Block
der Delegierten aus seiner Heimat schallt rhythmischer Applaus. Viele in der
Sporthalle Hamburg schließen sich an. Kretschmann schaut sich um. Er kann sich
jetzt schon sicher sein, dass seine Position nicht zur Minderheit gehört.
[…]
Er wirbt um Verständnis für seine Lage
als Ministerpräsident. […] Am Ende
stehen sie in der Halle auf zum Applaus. […] Theresa Kalmer, die Chefin der Grünen Jugend, versucht noch, die
Stimmung zu drehen. Kretschmann habe einen "historischen Bruch in der
grünen Asyl- und Flüchtlingspolitik vollzogen". Damit sei eine "rote
Linie auf jeden Fall überschritten worden". Das sehen hier wohl die
meisten anders. […].
In
Niedersachsen robben sich die Grünen sogar an die konservativsten aller
CDU-Wähler heran. Die legendär schwärzesten Schweinzüchter-Wahlkreise
Cloppenburg und Vechta, die seit Jahrzehnten konstant mit über 70% CDU wählen,
finden ebenfalls Gefallen an den Grünen 14.0.
[…]
[Agrarminister Christian] Meyer, 39,
gehört zu den Grünen, die gerade versuchen, die Welt zu verändern. Er braucht
dafür ziemlich gute Nerven, aber er hat dabei auch die Chance, das Profil der
Grünen als Manager der Zukunft zu schärfen. In sechs Bundesländern leiten Grüne
das Landwirtschaftsministerium. […] Landwirtschaft
ist eigentlich ein Hoheitsgebiet der Konservativen. Bei der Union sehen die
Bauern ihre Interessen und Traditionen normalerweise ganz gut aufgehoben. Aber
mittlerweile ist die Zukunft angebrochen. […] Die Grünen graben schwarzes Stammland um. […] Die Traditionalisten unter den Bauern werden sich wohl abfinden müssen
mit dem Wandel in Grün. Zumal ihre Stammpartei auch nicht ewig das gleiche
denken mag. 2010, als die CDU in Niedersachsen noch regierte, trat
Agrarministerin Astrid Grotelüschen zurück, die wegen ihrer Verbindungen in die
Geflügelbranche angreifbar war. Ihr folgte der Agrar-Experte Gert Lindemann.
CDU-Mitglied Lindemann brachte den Tierschutzplan auf den Weg, den der Grüne
Christian Meyer jetzt unter vielstimmigen Beschwerden umsetzt. Meyer sagt:
„Dafür bin ich ihm dankbar.“
Wenn
Winfried Kretschmann nun noch Angela Merkel einen Heiratsantrag macht, wird das
die Hochzeit im Himmel.
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