Früher
war alles einfacher.
Da gab
es die sowjetische und die amerikanische Einflusszone in der Welt.
Man
muckte nicht auf, sondern tat das was der jeweilige große Bruder befahl.
Wer
nicht direkt zu den Blöcken gehörte, weil er ökonomisch nicht interessant oder
weit weg war (Südamerika, Afrika), sollte in der Regel eine proamerikanische
Regierung haben. Gelang dies nicht, wurde eben von der CIA ein Oppositioneller
groß gemacht und/oder der amerikakritische Präsident ermordet.
Daß
heute nicht nur USA-begeisterte Regierungschefs in Südamerika hocken, hängt
auch damit zusammen, daß die CIA legendär unfähig ist.
Die CIA
ist der Mr. Bean unter den Geheimdiensten.
Die
wirklich wichtigen Ereignisse verschlafen sie grundsätzlich. Völlig überrascht
wurde das Weiße Haus von den Putschen gegen Gorbatschow und Jelzin, von den
Krisen in Georgien und der Ukraine. Sie bemerkten weder die Arabellion noch den
Mauerfall und hatten selbstredend trotz zahlreicher Hinweise auch keine Ahnung
von bin Ladens Aktivitäten bevor die Twin-Towers als Staub am Boden lagen.
Fidel
Castro ist fast 90 und noch immer hat keiner der Dutzenden CIA-Tötungsversuche
auf ihn funktioniert.
Manchmal
habe ich den Eindruck die amerikanischen Geheimdienste haben ihre eigentlich
Funktion als Vorlage für spannenden Hollywood-Blockbuster oder zugegebenermaßen
gut gemachte Serien à la „Homeland.“
Wenn der
CIA auch nur halb so effektiv wie der Mossad, die Stasi oder gar der KGB
arbeitete, wäre inzwischen die ganze Welt amerikanisch.
Daß die amerikanischen Dienste so tölpelhaft arbeiten, hängt mit dem typischen Desinteresse
an anderen Nationen zusammen.
Ihnen ist
es unmöglich zu begreifen, daß jemand Amerika nicht grenzenlos bewundert. Sie
können sich so ein Verhalten nur durch pure Bosheit erklären.
Aber so
manichäisch ist die echte Welt nun einmal nicht.
In der
letzten SPIEGEL-Titelgeschichte wurden die russische und die amerikanische
Botschaft in Berlin beschrieben. Die Unterschiede sind metaphorisch vielsagend.
Auf den zweiten Blick
erblickt man in dem Haus am Pariser Platz 2 eine Festung, gesichert mit
Pollern, Überwachungskameras und Panzerglas. [US-] Botschafter
Emerson residiert im vieren Stock. Wer ihn besucht, muss schon an der Pforte
sein Handy abgeben. Dann geht es durch drei Sicherheitsschleusen, ganz oben,
auf der Ebene des Botschafters, muss selbst Emersons Pressesprecherin ihr Mobiltelefon
in einer kleinen Holzbox deponieren.
Emersons Büro ist mit einer Tür aus Stahl gesichert, und das Glas, durch das
man auf den Tiergarten und das
Brandenburger Tor blickt, ist so dick, dass es wahrscheinlich einem nuklearen
Erstschlag widerstehen würde. Emersons strahlende Freundlichkeit steht in merkwürdigem
Kontrast zu der Sicherheitsparanoia, die ihn umgibt. Er ist ein jovialer ehemaliger
Rechtsanwalt und Investmentbanker aus Chicago, der für Obamas Wahlkämpfe
Millionen Dollar einsammelte und nun, am Ende seiner Karriere, einen schönen Botschafterposten
in Europa bekommen hat. Er spricht, wie viele seiner Vorgänger, kaum ein Wort
Deutsch. [….]
WENN BOTSCHAFTEN etwas
über die Seelenlage von Nationen erzählen, dann zeigt die russische Vertretung
eine Seele voller Sehnsucht. [….] Ein Sicherheitsbedürfnis hat sie nicht. Wer
in der russischen Botschaft für einen Termin angemeldet ist, braucht nur auf
den Klingelknopf zu drücken und seinen Namen zu nennen. Dann summt das
Türschloss, und der Gast darf eintreten. Es gibt keine Ausweiskontrolle, keine
Sicherheitsschleuse, keinen Handtaschen-check. Handy, Aufnahmegerät, Taschenmesser
– nichts muss abgegeben werden. Sicherheitskontrollen könnten als Ausweis des
Misstrauens gegen die Besucher erscheinen. Das wäre unhöflich. [….] Botschafter Wladimir Michailowitsch Grinin
kommt seinen Gästen durch den gigantischen Bankettsaal entgegen. Die Räume sind
mit erlesenen Hölzern, schweren Stoffen und prunkvollen Leuchtern ausgestattet,
altmodisch, aber geschmackvoll. Grinin bittet in den Salon, Tee und Pralinen
stehen bereit, dazu Zitronen in hauchdünn geschnittenen Scheiben und
Kandiszucker. Grinin begrüßt seine Gäste in geschliffenem Deutsch, nur der
leichte russische Akzent verrät, dass er kein Muttersprachler ist. Er
verkörpert die Nähe zwischen Deutschland und Russland…[….]
(DER
SPIEGEL 28 / 2014 s 21 ff.)
Im
letzten US-Präsidentschaftswahlkampf gab es einen republikanischen Bewerber,
der ernsthaft alle außenpolitischen Fragen mit „Chuck Norris“ beantwortete.
Sollte
heißen: „Im Zweifelsfall ordentlich draufhauen!“
Michael
Moore forderte einst ein Gesetz, welches es den Amerikanern verböte Länder militärisch
anzugreifen, die sie nicht auf der Landkarte finden könnten.
Völlig
verblüfft stellten die Amerikaner beispielsweise 2008 fest, daß es außer dem
richtigen Georgia, also dem südöstlichen Bilblebelt-US-Staat zwischen Alabama
und South-Carolina offenbar noch ein zweites „Georgia“ irgendwo in Osteuropa
gab.
Der
Präsident Micheil Saakaschwili war ein frommer Mann, der nur durch
einen eigenartig geschriebenen amerikanischen Vornamen auffiel und ansonsten
tapfer gegen die bösen Russen kämpfte.
Sofort
begeisterten sich die US-Medien für dieses Georgia 2.0 und unterstützten seine
russophoben Aktionen voller Inbrunst.
Ich bin
sicher, daß die Saakaschwilis Mordaufträge und Korruptionen bis heute in
Amerika unbekannt sind. Ganz abgesehen von der Tatsache, daß er es war, der den Südossetien-Konflikt anzettelte.
Aber wie
soll auch Außenpolitik und Diplomatie funktionieren, wenn man sich nicht für
den Rest der Welt interessiert?
„Fuck
the EU!“
Es ist
ein merkwürdiger Spagat zwischen dem US-amerikanischen Anspruch als globo cop
die Welt beherrschen und beeinflussen zu wollen. Aber andererseits kein
Interesse an anderen Kulturen entwickeln zu können.
Wer
erwartet hatte die arrogante Außenpolitik der G.W. Bush-Administration würde
sich entscheidend unter dem nächsten Präsidenten verbessern, muß heute
mindestens als naiv gelten.
Klar,
der Umgangston verbesserte sich, aber auch Obama empfindet andere Nationen als
natürliche Untergebene. Selbst engste Verbündete werden ausspioniert und
gedemütigt und wer wie einige linksliberale Südamerikanische Regierungen
aufmuckt, wird mit groben Desinteresse gestraft.
Wenig
verwunderlich, daß andere Große in das Vakuum vorwagen.
Moskaus Einfluss in Lateinamerika
nimmt in dem Maße zu, in dem sich Washington immer weniger in seinem einstigen
Hinterhof engagiert. So sind derzeit
in zehn Ländern der Region keine amerikanischen Botschafter tätig, weil
Präsident Barack Obama entweder keine Kandidaten für vakante Posten benannt hat
oder weil die Bestätigung von Nominierungen von der republikanischen Opposition
im Senat verhindert wird.
Anders
als die EU und die USA erkennen insbesondere die BRICS-Staaten (Brasilien,
Russland, Indien, China und Südafrika) in der Außenpolitik Chancen und nicht
bloß Probleme.
Sie
engagieren sich teilweise sehr stark ökonomisch in Afrika und Südamerika,
reichen die Hand und intensivieren die Kontakte.
Haiko Maas
und andere Bundesminister diagnostizieren richtig, daß die Vereinigten Staaten
zwar der wichtigste Partner Deutschlands sind, daß Washington derzeit aber
alles unternehme, um den Antiamerikanismus in Deutschland zu stärken.
Damit
stehen wir nicht allein da.
Mit welcher
unverschämten Großkotzigkeit Amerika ganze Länder auspresst, erfährt
Präsidentin Kirchner derzeit am eigenen Leib. Sie muß sich bei stoischem
Desinteresse des Weißen Hauses vor einem amerikanischen Hedgefonds nackt
ausziehen und darum betteln Argentinien vor der Zahlungsunfähigkeit zu
bewahren. Daß ein ganzes Land mit 41 Millionen Einwohnern a) ruiniert und b) in
den Antiamerikanismus getrieben wird, scheint Obama vollkommen egal zu sein.
[…] Was
der Hedgefonds Elliott Management gemeinsam mit der US-Justiz mit dem Staat
Argentinien angestellt hat, ist ein Stück aus dem Tollhaus des internationalen
Finanzkapitalismus.
Was für ein Geschäft!
1608 Prozent Gewinn! In sechs Jahren! Ein solcher Profit dürfte auch Paul
Singer nicht oft gelingen. Vor einigen Jahren kaufte der Chef des Hedgefonds
Elliott Management für 48,7 Millionen Dollar einen Haufen argentinischer
Staatsanleihen. Die Papiere hatten Schrottwert. […] Paul Singer […] verklagte
den Staat Argentinien. Weil die Staatsanleihen auf Dollar lauteten und nach
US-amerikanischem Recht begeben wurden, landete der Fall vor einem Gericht in
New York. Singer bekam recht. Bis in die oberste Instanz. Jetzt schuldet Argentinien
ihm 832 Millionen Dollar.
Ein irrer Fall: ein
New Yorker Spekulant und ein mittlerweile 84-jähriger Richter am Bezirksgericht
Manhattan haben gemeinsam die Macht, einen Staat mit 40 Millionen Menschen in
die Knie zu zwingen. So ist das amerikanische Rechtssystem und so sind die
internationalen Verhältnisse, die sich diesem Rechtssystem beugen müssen.
[…] Weigert sich die Regierung von Präsidentin Kirchner, ist Argentinien
faktisch insolvent. Der Ruf des Landes am Kapitalmarkt wäre erneut verbrannt.
Sechs Jahre nach
Beginn der Finanzkrise sendet die US-Justiz ein verheerendes Signal: die
Finanz-Geier sollen ruhig weiterhin mit dem Schicksal von Staaten und Millionen
von Menschen spielen.
[…]
Amerikanische
Gier, bzw eine “mir kann keiner was”-Attitüde, richten exorbitanten außenpolitischen
Schaden an, den man als amerikafreundlicher Mensch nur beklagen kann.
Man kann
auch ganz anders mit kleineren und schwächeren Ländern umgehen, die sich bei
einem „großen Bruder“ exorbitant verschuldet haben.
Russland,
das nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zeitweise im ökonomischen Chaos
versank, ist inzwischen wieder zu einer ökonomischen Supermacht herangewachsen.
Die
postgorbatschowske Phase der totalen Demokratie war für die meisten Russen
extrem unerfreulich.
„Tried
it once, didn’t like it“ könnte man eine verbreitete Stimmung zu der russischen
Demokratie der 90er Jahre zusammenfassen.
Natürlich
muß man Putin nicht gerade als Vorkämpfer der Menschenrechte feiern.
Aber
er ist reich und verlässlich.
Deutschland,
welches vollständig von Gasimporten aus Russland abhängig ist, hat in Putin
einen Partner, der Sicherheit bietet.
Noch nie kam Russland seine Lieferverpflichtungen nicht pünktlich nach
und nie wurde ein unfairer Preis verlangt.
Bedenkt
man, daß sich das größte Land des Planeten noch vor 20 Jahren in Auflösung
befand, daß sich Hungersnöte breit machten, während sich die später
euphemistisch „Oligarchen“ genannten Großverbrecher Milliardenwerte unter den
Nagel rissen, daß Zig Millionen Menschen monatelang keinen Lohn erhielten, daß
die Kriminalität explodierte, kann man nur von einem Wunder sprechen, wie das
Land heute prosperiert.
Putin
hat dabei keine demokratischen Spielregeln befolgt, wie man sie Schweden oder
Belgien einhält. Aber wenn er das getan hätte, wäre er sicher längst nicht mehr
am Ruder, womöglich gar ermordet (in der russischen Politik wird mit harten
Bandagen gespielt) und es ist unwahrscheinlich, daß es den Russen dann besser
ginge.
Man
erinnere sich nur an den korrupten stets volltrunkenen Boris Jelzin, der seine
Meinung dreimal am Tag änderte und nach drei Flaschen Vodka mit dem
Nuklear-Koffer rumspielte.
Mit
einiger Wahrscheinlichkeit wäre es ohne so eine „harte Hand“ längst zum
Bürgerkrieg gekommen und die Ex-UdSSR wäre weiter ausgefranst.
Es
hätte aber auch personell viel schlimmer kommen können. Man denke nur an die
Wahlerfolge des geisteskranken und kriegslüsternen Wladimir Schirinowski.
Der
Juden- und Schwulenhasser ist zu allem fähig und beeindruckt bis heute mit
Gaga-Vorschlägen.
Mit Sex nur einmal pro
Quartal will der prominente russische Politiker Wladimir Schirinowski (67)
Moral und Disziplin in der Gesellschaft verbessern.
„Viermal im Jahr ist
genug“, schreibt der Chef der ultranationalistischen Parlamentspartei LDPR in
einem Leitfaden, wie der Internetsender Doschd am Dienstag berichtete.
Bedenkt
man wie kurz es erst freie Wahlen in Russland gibt, ist die Liberalität sogar
schon recht weit fortgeschritten in dem Land, welches seit tausend Jahren nur
Diktatoren-Regime kennt.
Man
hätte mal die Deutschen 20 Jahre nach dem Ende der Hitler-Diktatur nach ihrer
Meinung zur Homoehe fragen sollen.
Wie
hätten wohl Briten oder Österreicher zu vordemokratischen Zeiten auf sich
küssende Männer reagiert?
Inzwischen
herrscht in Russland vielleicht nicht genau die Demokratie, die in
westeuropäischen EU-Staaten praktiziert wird, aber es sind eher die Vereinigten Staaten von Amerika, die menschenrechtlich
mittelalterlich handeln, während Putin am Pranger steht.
Wie
Merkel und Gauck befindet sich auch Putin auf einer Reise zum WM-Endspiel in
Rio.
Im
Gegensatz zu den popularitätserheischenden deutschen Staatsspitzen hat er allen
Grund die Reise anzutreten, denn es findet dort auch ein BRICS-Gipfeltreffen
statt und außerdem muß er als nächster Fußball-WM-Gastgeber den Staffelstab
übernehmen. Auf dem Weg guckte er in Havanna rein. Das früher komplett von der
Sowjetunion abhängige Kuba wurde aufgrund der russischen Schwierigkeiten 15
Jahre stark vernachlässigt. Das soll jetzt geändert werden.
Über den Gastgebern
seiner ersten Station wird Putin in Havanna das Füllhorn russischer
Großzügigkeit ausschütten. Nach jahrelangen Verhandlungen beschloss die Duma in
Moskau jüngst, Kuba faktisch alle Altschulden aus den Zeiten der Sowjetunion zu
erlassen. 90 Prozent der umgerechnet rund 26 Milliarden Euro werden sofort
gestrichen. Die restlichen zehn Prozent kann Kuba in den kommenden zehn Jahren
abstottern, wobei das von Havanna an Moskau überwiesene Geld in vollem Umfang
von Russland auf Kuba wieder investiert wird.
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