Mittwoch, 2. Juli 2014

Reset



Ach ja….
Manchmal ist das Internet schon lustig.
Während man sich vor zwanzig Jahren noch ganz allein über Skandalpolitiker ärgerte und tagelang viele Zeitungen kaufen mußte, um  zu bestimmten Ereignissen Meinungen und Deutungen einzuholen, strömt nun automatische eine Häme-Flut aus dem Bildschirm.


Das ist schon ein ordentlicher Shitstorm, den der Ex-Entwicklungsminister mit dem Militärkäppi gestern auslöste.


Die Satiriker haben ordentlich Material.


Daß Niebel, der ohnehin schon die Entwicklungshilfe militarisiert hatte und Gelder nur noch an Organisationen, die mit der Bundeswehr zusammenarbeiteten vergab, nun Rüstungslobbyist wird, passt perfekt in jedes böse Klischee, das man von der raffgierigen und moralfreien FDP hat.



Die treffendste Stellungnahme zum neuen post-ministeriellen Job kam vom Postillon.

Umfrage: 0 Prozent sind überrascht, dass Dirk Niebel Rüstungslobbyist wird!
Niemand, wirklich niemand zeigte sich heute von der Nachricht überrascht, dass der frühere Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) künftig als Lobbyist für den Rüstungskonzern Rheinmetall arbeiten wird. […]
Niebel kann seine Kontakte als Minister jetzt endlich nutzen, um Ländern in Not dieses tolle Produkt schmackhaft zu machen: Leopard 2 A6
[...]  Auch die Frage, ob sie von Dirk Niebels Wechsel in die Rüstungsindustrie enttäuscht seien, verneinten 100 Prozent der Befragten. Die Begründung: Es sei völlig unmöglich, noch in irgendeiner Form von Niebel enttäuscht zu werden.
Überrascht zeigten sich einige der Befragten angesichts der Tatsache, dass Rüstungslobbyist noch ein vergleichsweise sympathischer Job für Dirk Niebel ist. Gefragt, welcher Beruf noch zum ehemaligen FDP-Politiker gepasst hätte, wurden besonders häufig "Al-Qaida-Sprecher", "Robbenschlächter" und "FIFA-Präsident" genannt.



Endlich ist Niebel nicht mehr der einzige Ex-FDP-Minister, der nicht ordentlich Kohle macht.

Die soziale Kälte, die so vehement von den fünf FDP-Ministern bekämpft wurde, trifft allerdings nur noch einen von ihnen; Dirk Niebel.
Er verkündet, er befinde sich noch in seiner 'Abkühlphase.'

Die anderen vier Sozialarbeiter müssen glücklicherweise nicht mehr allzu schlimm darben.
Der Ex-Vizekanzler und Wirtschaftsminister Rösler ist Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Weltwirtschaftsforums in Cologny in der Schweiz.

Guido Westerwelle ist guter Dinge. […]  Der Ex-Außenminister hat schnell Tritt gefasst. Jüngst war er über zwei Wochen in den USA, sprach an den Universitäten in Harvard und Princeton, hatte einen Auftritt bei der FDP-nahen Naumann-Stiftung in Washington.
Westerwelles Terminkalender ist voll. Und das wird auch in Zukunft so bleiben. Bereits vor seinem Ausscheiden aus dem Amt im Dezember hatte er vorgesorgt - und zusammen mit dem Internet-Unternehmer Ralph Dommermuth seine "Westerwelle Foundation" gegründet, die in einem schicken Altbau am Kurfürstendamm in Berlin residiert. […] Daniel Bahr ist seit Februar in der US-Denkfabrik "Center for American Progress", die die Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama beratend begleitet. Auch ist er an der Universität von Michigan als Gastdozent für Gesundheitsökonomie tätig. […] Gut getroffen hat es Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, früher Justizministerin. Sie will Generalsekretärin des Europarats werden, ein Posten, der im Juni von der dortigen Parlamentarischen Versammlung neu zu wählen ist. Für den Job in Straßburg hat die Ex-Ministerin die Unterstützung der Bundesregierung. "Mit Gesprächen im Rahmen meiner Kandidatur für den Europarat war ich die letzten Wochen in 20 europäischen Hauptstädten und viel in Straßburg unterwegs", sagt sie.

Offensichtlich hatten selbst die Mitglieder der ehemaligen FDP-Bundestagsfraktion keinen blassen Schimmer davon für was für eine Partei und Politik sie standen.

Richtig natürlich auch, was MONITOR-Chef Restle kommentiert.

Niebels Waffen
Vom Entwicklungshilfeminister zum Waffenlobbyisten: Dirk Niebel macht Karriere. Und zwar eine durchaus stringente. Schließlich war es Niebel, der Entwicklungshilfe immer auch als Mittel zur Durchsetzung deutscher Wirtschaftsinteressen verstand. Und dass diese Interessen längst auch mit militärischer Gewalt durchgesetzt werden, lehrt uns nicht nur der Bundeswehreinsatz am Horn von Afrika. Niebels neue Waffen sind seine alten: Ein ehemaliges Mitglied des Bundessicherheitsrats, der früher über Waffenexporte in Krisengebiete mit entschieden hat, macht jetzt also Reibach mit solchen Geschäften. Ein Skandal? Ja! Aber nicht nur einer der Dirk Niebels Person betrifft. Sondern einer, der den Paradigmenwechsel deutscher Außen(wirtschafts)politik auf ziemlich schändliche Weise illustriert.
(Georg Restle 02.07.14 #monitor #ardmonitor #Niebel #wdr)

Ich möchte angesichts dieses Vorgangs auf mein Posting vom 28.06.2014 zurückkommen:

Die FDP hat generell verschissen. Auch wenn Christian Lindner es gerne vergessen machen will: ER war es, der als kommender Generalsekretär die Koalition von 2009 mit aushandelte und Dirk Niebel, den Typen, der bis 2009 das Entwicklungshilfeministerium abschaffen wollte, zum Entwicklungshilfeminister bestimmte.
Zwei Jahre lang lobte Lindner dann seinen Minister, der das Ministerium zu einer Resterampe für FDP-Altkader umwandelte und auf Steuerzahlerkosten Parteifreunde alimentierte.
Und jetzt als FDP-Chef hat Lindner offenbar keinerlei Einfluß und Durchsetzungsvermögen.
Er läßt sich von Niebel auf der Nase rumtanzen und sieht hilflos zu, wie der Ex-Minister der rudimentären Lobbypartei den PR-Todesstoß gibt.
Da ist wirklich nichts mehr zu retten.

Nun muß Lindner wirklich die alte FDP löschen, wenn er überhaupt noch darauf hoffen will die Wähler soweit täuschen zu können, daß sie jemals wieder ein Kreuz bei seiner Industriekriechergruppe zu machen.
Er muß eine neue Konzeption vorlegen, Ethikregeln vorstellen und einen neuen Namen finden.
Nur dann besteht überhaupt noch eine minimale Chance für Leute wie ihn. Frau Strack-Zimmermann, die es als Kommunalwahlkämpferin am besten weiß, wie angewidert normale Menschen auf der Straße reagieren, wenn sie „FDP“ sehen, zeigt zwar keinen Ausweg aus der Parteimisere an. Aber sie kann zumindest sagen, was nicht mehr geht. Und das sind die drei Buchstaben FDP.
FDP, das Urnengift.

Wie wohlfeil von SPON sich über den üblen Effekt des Niebel-Jobs zu beklagen.
Die FDP hat jahrelang genau für dieses völlig verkommene Politikverständnis gestanden. Diese Partei ist wie Atommüll. Sie muß kollektiv aus dem Gedächtnis getilgt werden. Endgelagert, für 10.000 Jahre eingegraben.
Nicht die FDP blamiert sich, sondern es blamieren sich Journalisten wie der Chef des Berliner SPIEGEL-Büros Blome, der ernsthaft der FDP hinterher trauert.

Niebel blamiert die Politik.   Vom Entwicklungsminister zum Waffenlobbyisten: Der kaltschnäuzige Seitenwechsel von FDP-Mann Niebel zerstört Vertrauen in die Politik. Die Regierung wird vorgeführt - die groß angekündigte Karenzzeit-Regelung bleibt sie schuldig. […] FDP-Mann Niebel, bis Ende vergangenen Jahres Entwicklungshilfeminister, arbeitet ab 1. Januar 2015 als Waffenlobbyist für die Firma Rheinmetall.
Der Seitenwechsel von Niebel ist atemberaubend: Als oberster Entwicklungshelfer Deutschlands sollte er die zivile Komponente der internationalen Krisenpolitik voranbringen, nun wird der Ex-Minister für eine der größten Waffenschmieden der Welt Kontakte knüpfen.
[…]  Der Fall Niebel ist eine Blamage für die große Koalition. Er legt offen, dass in Sachen Karenzzeit für Wechsel von ehemaligen Regierungsmitgliedern in die Wirtschaft nichts passiert ist. Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) zur Deutschen Bahn? Ex-Kanzleramtsminister Eckart von Klaeden (CDU) zu Daimler? […] Immerhin sitzt der Entwicklungshilfeminister qua Amt im Bundessicherheitsrat, der über deutsche Waffenexporte zu befinden hat. Hat Niebel zwischen 2009 und 2013 in dem geheimen Gremium womöglich Rheinmetall-Geschäfte durchgewunken? Was hat er in dieser Zeit über die Rüstungsbranche gelernt - und über Konkurrenten seines neuen Arbeitgebers?
[…] Vom Fall Niebel abgesehen: Eine Regelung, ein Ehrenkodex für Ex-Minister hätte längst erarbeitet werden können. Zum Beispiel per Klarstellung im Bundesministergesetz. Das wäre rasch gemacht gewesen. Passiert ist gar nichts.[…]



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