In meiner
früheren Wohnung hing ein Zeitungsausschnitt in der Küche, der mit „Dank Bahr“
überschrieben war.
Hintergrund
waren heftige Anwürfe aus der CDU und CSU, daß Egon Bahr als Sonderbeauftragter
der Bundesregierung und als Bundesminister intensiv mit den Kommunisten in der
Sowjetunion zusammen gearbeitet hätte.
Es war
die Hochzeit von Peter Hintzes (leider erfolgreichen) „Roter Socken Kampagne“,
als jeder Politiker, der es auch nur wagte mit einem PDS-Politiker zu sprechen
zur Persona Non Grata erklärt wurde. Man witterte überall böse IMs und wollte
die „Kommunisten aus der DDR“ mit strikter Missachtung aus dem Parlament
vertreiben. Genauso hatte es ja schon mit den schlimmen Grünen 1983 geklappt.
Kohl und
die Seinen wollten die Geschichte klittern. Sie stellten den Zusammenbruch des
Warschauer Paktes als Folge ihres strikt antikommunistischen Kurses dar und
versuchten noch einmal a posteriori Brandt und Bahr als vaterlandslose Gesellen
zu diffamieren.
Aus Sicht
der Konservativen ist man ein guter Außenpolitiker, wenn man Konfrontation
sucht und andere Nationen vor den Kopf stößt
(außer natürlich die USA, die sich alles erlauben darf).
Die
Union biegt sich dabei nicht nur die Fakten zurecht, sondern sie behauptet das
diametrale Gegenteil der Wahrheit.
Darum
ging es in dem „Dankbahr“-Artikel, den ich extra aufgehängt hatte:
Die DDR fiel nicht TROTZ der Bahrschen Ostpolitik, sondern WEGEN ihr.
Die DDR fiel nicht TROTZ der Bahrschen Ostpolitik, sondern WEGEN ihr.
Das
legendäre und bahnbrechende Konzept des „Wandels durch Annäherung“ war ebenso
genial wie erfolgreich.
Deutschland
hat allen Grund sich tagtäglich vor Egon Bahr zu verneigen.
Immer
nur mit den Regierungen zu sprechen, mit denen man ohnehin einer Meinung ist,
war schon vor einem halben Jahrhundert, als Bahr seine neue Ostpolitik
erdachte, genauso falsch, wie 40 Jahre später unter George W. Bush.
Bahrs
Entspannungsbeziehungen mit den sozialistischen Ländern lösten jedenfalls die
»Lieber tot als rot«-Atombombeneinsatzpolitik in Bonn ab, sie sicherten
zeitweilig Frieden in Europa und hatten zugleich beachtlichen Anteil an der
Zerstörung der DDR und der anderen sozialistischen Länder. In Bahrs Worten:
»Wir können eine Linie ziehen vom Moskauer Vertrag über Helsinki und zur
Solidarnosc.« Einer, der besonders davon profitierte, Joachim Gauck, hat sie –
intellektuell stets auf der Höhe – als feige »Appeasementpolitik« bezeichnet,
also mit der Haltung der Westalliierten in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts
gegenüber Hitler gleichgesetzt. Nun bekommt Egon Bahr den Gauck an seinem 90.
Geburtstag als Bundespräsidenten. Etwas Strafe muß sein, aber so einen übersteht
ein Bahr mit Leichtigkeit.
Die
Kalten Krieger in Washington waren schon vor 50 Jahren ähnlich borniert wie die
CDU heute noch.
Das zeigt eine
Tonbandaufnahme, die nun das US-Außenministerium veröffentlicht hat. Es geht um
ein Gespräch am 3. Februar 1973. Brandt litt an einer Stimmbandentzündung und
hatte eine Geschwulst entfernen lassen.
Nixon: Wie sieht es
mit Brandts Kehle aus?
Kissinger: Leider ist
sie (die Geschwulst – Red.) nicht bösartig. Es ist schrecklich, so etwas zu
sagen …
Nixon: Ich weiß, was
Sie meinen …
Kissinger: Ich meine …
Nixon: Sie meinen,
dass er unglücklicherweise bei sehr guter Gesundheit ist.
Kissinger: Leider wird
er uns erhalten bleiben, yeah.
Nixon: Er ist ein
Trottel.
Kissinger: Er ist ein
Trottel …
Nixon: Er ist ein
Trottel …
Kissinger: … und er
ist gefährlich.
Nixon: Tja, leider ist
er gefährlich.
Frieden
ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts – um noch einmal Egon Bahr
zu zitieren.
Die
Kunst der Diplomatie besteht darin sich mit den Typen an einen Tisch zu setzen,
die man eben nicht gern auch privat zu einem gemütlichen feuchtfröhlichen Abend
treffen würde.
Joschka
Fischer kann eindrucksvoll davon erzählen wie er immer wieder zu Slobodan
Milosevic reiste und mit Engelszungen (letztendlich erfolglos) auf ihn
einredete, um ein Blutvergießen auf dem Balkan zu verhindern.
Das ist
das ureigene Geschäft eines Diplomaten.
Man ist
heute vollkommen auf dem Holzweg, wenn man meint Wladimir Putin durch
Gesprächstopps und Ausladungen, durch Ächten und Ignorieren zur Raison bringen
zu können.
Die
deutsche Diplomatie steht Kopf, wenn man Mißfelder und Schröder dafür
kritisiert Gespräche mit dem russischen Präsidenten zu führen, während man
selbst stolz die Tür des G8-Gipfels vor Moskau zugeschlagen hat und nunmehr als
G7 weitermachen will.
Unglücklicherweise
scheint diese maximal dumme Politik nun auch bei dem sogenannten „runden Tisch“
in Kiew bevorzugt zu werden.
Der deutsche
Spitzendiplomat und Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang
Ischinger soll es richten.
Er holt
die Freunde der faschistisch unterstützten Übergangsregierung an einen Tisch
und bittet zu konstruktiven Gesprächen.
Diejenigen,
die aus Kiews Sicht Ärger machen, die separatistisch veranlagten Gruppen der
Ostukraine dürfen allerdings nicht mitreden.
"Ein Runder Tisch
ist nur dann sinnvoll, wenn sich alle daran versammeln, die miteinander im
Konflikt sind. Selbstgespräche sind unnötig“, kommentiert Stefan Liebich,
Obmann der Fraktion DIE LINKE im Auswärtigen Ausschuss, die Einberufung eines
‚Runden Tisches der nationalen Einheit‘ in Kiew durch die dortige Übergangsregierung
unter Ausschluss prorussischer
Aktivisten aus der Ostukraine. "Zu einem Ergebnis, dass alle anerkennen,
kommt man nicht, wenn die, die anderer Meinung sind, ausgeschlossen
werden." Liebich weiter:
"Wir sind
weiterhin der Ansicht, dass die OSZE in der Lösung des Konflikts in der Ukraine
eine entscheidende Rolle spielen soll. Umstrittene Altpolitiker wie den
Expräsidenten Leonid Kutschma und diverse Oligarchen an den Tisch zu laden
zeugt eher vom Gegenteil. Es schwächt die OSZE statt sie zu stärken. Mit einem Ende des Militäreinsatzes im Osten
des Landes und der Zulassung von Parlamentswahlen könnte Kiew zeigen, dass ein
Friede und eine politische Lösung auch tatsächlich gewollt sind.“
(Pressemitteilung
Die LINKE 14.05.14)
Es
erinnert ein wenig an den Runden Tisch zum Missbrauch in der katholischen
Kirche, den im Jahr 2010 Kristina Schröder, die fromme Annette Schavan und die
phlegmatische Leutheusser-Schnarrenberger ins Leben riefen. Hier diskutierten
Vertreter der Täterorganisation RKK mit katholischen Politikern. Nur die Opfer
mußten draußen bleiben und wurden bis heute nicht gehört.
Ischingers
triumphal vorgetragene Aussage „wir haben das Völkerrecht nicht gebrochen“, die
offenbar Russland den alleinigen Schwarzen Peter zu schieben soll, irritiert
außerordentlich.
So kann
er nicht als neutraler Mittler fungieren.
Erfreulicherweise
sagte er heute auch Richtiges.
"Wir
werden keinen Sieg erringen, wenn wir glauben, wir ringen jetzt Russland
nieder", so der Diplomat. Eine glückliche Hand beweist die Merkel-Regierung
allerdings wirklich nicht.
Bei ihren Bemühungen
zur Stabilisierung des Kiewer Umsturzregimes intensiviert die Bundesregierung
ihre Kontakte zu den ukrainischen Oligarchen. Bereits am Dienstag ist
Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit mit
dem Multimilliardär Rinat Achmetow zusammengetroffen. Ziel ist es, die Regimegegner
im Osten des Landes zu bezwingen und so die südöstliche Industrieregion Donbass
wieder unter Kontrolle zu bekommen. Eine wichtige Rolle dabei spielt der Milliardär
Ihor Kolomojskij, der mit seiner "Privatbank", der größten Geschäftsbank
des Landes, sowie der "Privat Group" zu den
einflussreichsten
Ukrainern gehört. Kolomojskij, dem außerordentliche
Aggressivität
nachgesagt wird, ist vom Kiewer Umsturzregime bereits im
März zum Gouverneur
von Dnipropetrowsk ernannt worden; von dort aus
unterstützt er
Milizen, die im äußersten Osten der Ukraine gegen die
Regimegegner kämpfen,
darunter ein Freikorps, das vom faschistischen
"Prawij
Sektor" ("Rechter Sektor") gegründet wurde. Die Bemühungen
Berlins und
Washingtons, die Ukraine an den Westen zu binden, führen damit nicht nur zur
Konsolidierung der im Land weithin verhassten Oligarchen, sondern auch zur
Stärkung paramilitärischer Freikorpsverbände -
und womöglich in den Beginn eines Bürgerkriegs. […..]
Daß nun
ausgerechnet der pöbelnde CSU-Prolet Ferber Herrn
Steinmeiner vorwirft nicht effektiv zu sein, weil Steinmeiner ein bißchen zu
sehr Außenpolitik à la Union betreibt, ist ein guter Witz.
Ferber hatte gegenüber
SPIEGEL ONLINE die diplomatischen Bemühungen Steinmeiers in der Ukraine-Krise
kritisiert: "Außer Spesen nichts gewesen", schimpft der CSU-Mann über
Steinmeiers jüngste Ukraine-Reise.
Auch der
stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel wies Ferbers Kritik
zurück: "Noch nie hat eine Partei im Wahlkampf derart verantwortungslos
den Bemühungen um den Frieden einen Dolchstoß versetzt." Die CSU falle
damit nicht nur Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Rücken,
sondern ganz Deutschland und Europa. Seehofer solle sich von diesem
brandgefährlichen Spiel distanzieren. Die Erste Parlamentarische
Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht, sprach von
der "untersten Schublade, die man im Wahlkampf finden kann".
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