Zum
Ärger der Studenten der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
veröffentlichte der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Prof. Dr. Christian Hillgruber einen Artikel in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in dem er gewissermaßen für Toleranz der Intoleranz warb.
Ja, es
sei richtig, daß Homosexuelle für ihre Rechte gekämpft hätten und diese nun
auch erhielten, aber diejenigen, die das falsch fänden, dürften nicht pauschal
als „homophob“ diffamiert werden und sollten auch ihre Meinung frei aussprechen
dürfen.
Die
Homo-Lobby sei inzwischen Mehrheitsmeinung und drohe die Minderheit der Homo-Kritiker
mundtot zu machen. Es sei das Recht und die Freiheit der Schwulenfeinde so zu
denken und sich so zu äußern.
Es
drängt sich das umgekehrte Tu-Quoque-Argument auf. Würde Hillgruber auch so
argumentieren, wenn jemand öffentlich forderte Juden oder Schwarzen dieselben
Rechte wie weißen Christen zu entziehen?
Die
Gegenrede hatte unter anderem David Berger schon vor einem Jahr öffentlich formuliert,
als er dafür warb „Homohasser“ nicht mehr in Talkshows einzuladen.
Ein
nicht vom Tisch zu wischendes Kernargument lautet, öffentliche Homophobie mache
diese Haltung wieder hoffähig und ermuntere einige Menschen dazu gewalttätig zu
werden. Das konnte man 2013 in Frankreich erleben.
Seitdem die Gegner der
Eheöffnung sprachlich deutlich aufgerüstet haben, andauernd demonstrieren und
ihr Anliegen in Talkshows und Nachrichtensendungen bringen, sind die homophoben Übergriffe dort um mehr
als 30 Prozent angestiegen. Homo-Aktivisten konstatieren einen direkten
Zusammenhang zwischen der aggressiven Sprache der Gleichstellungsgegner und der
Zunahme auch körperlicher Gewalt gegen Homosexuelle. Dass der Erzbischof von
Paris jüngst davon sprach, dass die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben zu
einer "gewalttätigen Gesellschaft" führe, vervollständigt dieses Bild
noch auf ganz delikate Weise.
Genau da
endet die Freiheit des einzelnen – wenn sie andere physisch schädigt.
In
dieser Debatte ist eigentlich alles gesagt, so daß ich nicht auf weitere
Aspekte eingehen will.
Prof.
Hillgrubers Argumentation ist aber nicht in Bausch und Bogen abzulehnen.
Denn
tatsächlich gibt es de-facto-Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die NICHT zu
akzeptieren sind.
Als
Nichtjurist finde ich alle Paragraphen, die sich mit der Einschränkung der
Meinungsfreiheit befassen, sehr problematisch.
Ich
denke da insbesondere an den Volksverhetzungsparagraphen, den ich trotz einiger Gegenargumente
für sinnvoll halte und den
Blasphemieparagraphen, der ersatzlos gestrichen gehört.
Es gibt Menschen,
wie den Christen des Tages Nr. 62, Robert Spaemann, die
den Krüppelparagraphen 166 StGB sogar noch verschärfen
wollen. Die Argumentation nachzuvollziehen gelingt aber nur, wenn man sich
vorher einer Lobotomie unterzogen hat.
Wenn ich
Prof. Hillgruber richtig verstehe, beklagt er aber eine gesellschaftliche,
beziehungsweise „zeitgeistige“ Lust am Tabuisieren und strebt keine
Gesetzesänderungen an.
Ob man
behaupten dürfen soll, den Holocaust habe es nie gegeben, Schwule dürften
keinen Sex praktizieren oder Gott ist doof, ist tatsächlich keine ganz simple
Frage.
Ich
frage mich allerdings weshalb sich die Tabuisierungsdiskussion immer um
dieselben Punkte dreht.
Denn es
gibt in unserer Gesellschaft zweifellos noch viel mehr verdrängte Themen, die
öffentlich nicht besprochen werden.
Da gibt
es beispielsweise die entsetzlich grausame Tatsache, daß Deutschland tausende
unschuldige Menschen überfallartig von ihren Familien separiert und in Abschiebehaft zwischen
Kriminellen hält. Ein menschenrechtswidriger Skandal erster
Güte, der gelegentlich noch ein i-Tüpfelchen aufgesetzt bekommt, indem
beispielsweise bayerische RK-Mitarbeiter zu deportierende Kinder außerdem noch verhöhnen.
Es gibt
auch politische Tabus, die in stiller Übereinkunft eingehalten werden.
Die
Parteien drücken sich beispielsweise darum endlich zu regeln wer darüber
entscheidet, ob ein von Terroristen entführtes Flugzeug, welches auf ein
deutsches Kernkraftwerk zusteuert, abgeschossen werden darf.
Schäuble
und Co weigern sich auch die dringend gebotene Einkommenssteuerreform
(Stichworte „kalte Progression“ und Schlechterstellung von Arbeitseinkommen
gegenüber Kapitaleinkünften) anzufassen und das höchst ungerechte Mehrwertsteuerchaos wird einfach von den Bundestagsparteien
totgeschwiegen.
Niemand
denkt daran etwas zu unternehmen, daß 7-8 Millionen funktionelle Analphabeten in den
Deutschland lesen und schreiben lernen.
Auch die
Millionen menschenunwürdig „gehaltenen“ Pflegebedürftigen wissen sicher, daß
sie aus Berlin keine Hilfe erwarten dürfen.
Es gibt
aber auch publizistische Tabus. Das konnte jeder erleben, der einen
Medienshitstorm erntete, weil er versuchte sich in Putins Krimpolitik hineinzudenken.
Die
deutsche veröffentlichte Meinung ist einheitlich gegen Putin
und für die faschistoid durchsetzen antirussischen Politiker der Kiewer
Übergangsregierung.
Es gibt
aber auch Tabus in meiner unmittelbaren gesellschaftlichen Umgebung, die mich
in den Wahnsinn treiben.
So gibt
es beispielsweise ein großes Patrizierhaus, in dem ich regelmäßig zu tun habe. Keine
der Wohnungen ist kleiner als 250 m2 und vor der Tür stehen
Oberklasse- und Sportwagen.
Dort
wohnen unter anderem zwei junge Familien, die das Treppenhaus mit Myriaden von
Kinderkarren, Rollern, Bobbycars etc vollstellen. Das bringt die anderen Bewohner
zur Weißglut, weil man kaum noch durchkommt und keiner einsehen kann, daß man
bei einer solchen Wohnungsgröße seine Kinderwagen nicht INNEN unterbringen
kann.
Aber man
legt sich nicht mit jungen Müttern an, weil es tabuisiert ist, eine Äußerung zu
tun, die auch nur im entferntesten Sinne als kinderfeindlich eingestuft werden
könnte.
Ich
selbst bin von dem Kinderspielplatz gegenüber meiner Wohnung leidgeprüft. Eigentlich
sind alle in meinem Haus von der Lärmbelästigung regelrecht mürbe, aber niemand
traut sich einzuschreiten, weil man sofort den geballten Hass der Berufsmütter
auf sich zöge. Vermutlich wäre morgen die „MoPo“ da, würde einen abphotographieren
und dann als „hier wohnen die Kinderhasser“ an den öffentlichen Pranger stellen.
Überhaupt
ist Ärger mit jungen Müttern und Familien
ein tabuisiertes Thema.
Eine
Freundin von mir hat vor einigen Jahren als Experiment die
Wahlkampfveranstaltungen von SPD, CDU, FDP und Grünen besucht. Alle versprachen
Familien und Kinder finanziell besser zu stellen.
Sie
stellte dann immer die Frage, wer eigentlich gedenke für sie als Single steuerliche
Verbesserungen einzuführen. Immerhin sitzt man als Einzelhaushalt auf erheblich
höheren Kosten pro Person als jede Familie und muß dazu noch Schulen, Kitas und
Unis mitfinanzieren; also Leistungen, die man selbst nie in Anspruch nimmt.
Aber für
das Klientel gibt es keine Partei. Auch das ist tabuisiert. Niemand möchte
etwas für Singles tun. Singles werden höchstens bedauert. Als arme unglückliche
Leute, die keinen Partner abbekommen. Daß jemand gerne und freiwillig so lebt,
ist ein fremder Gedanke in der Öffentlichkeit.
Und dann
mein meistgehasstes Tabu: Hunde in der Stadt.
Hunde
kacken mir unter den Schuh, bewerfen mich mit ihren allergenen Haaren und
sabbern meine Rockschöße voll.
Ca
50.000 Hundebisse werden jedes Jahr in Deutschland den Versicherungen gemeldet.
Die Dunkelziffer ist sicherlich um ein Vielfaches höher.
Zugegeben,
wann immer ich einen Hund, der kläffend in einen 4-Quadratmeterkiosk gezerrt
wurde, in dem ich auch gerade verweilte, freundlich bat doch bitte draußen zu
warten, reagierte er durchaus wohlwollend.
Das kann
man aber nicht von seinen Frauchen/Herrchen sagen.
Wenn die
auch nur die leiseste Kritik an ihrem Viech wittern, wechseln sie in den
Furien-Modus und tun so, als ob man gerade einen Völkermord angekündigt hätte.
Hundebesitzer
sind so von sich überzeugt, daß sie noch nicht mal Satire ertragen und mit
sprungbereiter Feindschaft auf jeden Witz reagieren.
Die
jetzt vorliegende Zeitschrift „Kot und Köter“
zeigt deutlich wie Hundebesitzer ticken.
Im August 1992
beantragte der Hamburger Journalist Wulf Beleites – nach Vorgesprächen mit
einigen Kollegen – Titelschutz für das Zeitschriften-Projekt Kot & Köter.
Keiner der Beteiligten hat zu dem Zeitpunkt geahnt, dass allein die Option auf
ein mögliches Anti-Hunde-Periodikum derart heftige Reaktionen auslösen würde.
Gleich nach Erscheinen der formal korrekten Titelschutzanzeige meldeten sich
zahlreiche Vertreter aller Medien, um Näheres über das ungewöhnliche
„Kampfblatt“ in Erfahrung zu bringen, so dass die erste improvisierte
Redaktionskonferenz fast zwangsläufig vor laufender Kamera stattfand.
Die Resonanz auf die
umfangreiche Berichterstattung keinen Platz für Zwischentöne, sondern kannte
nur zwei Positionen: Auf der einen Seite gab es den erwarteten Aufschrei der
Hundehalter, welcher in einer kuriosen Steckbriefaktionen gipfelte – „Diese
Herren haben neue Kochrezepte auch für Ihren Hund!“.
Auf der anderen Seite
meldete sich eine nicht minder große Gruppe von Sympathisanten, die sich
ebenfalls nicht länger mit der Phrase „Der tut nichts!“ abspeisen lassen
wollten.
Dabei ist
die mehr oder weniger vorhandene Witzigkeit der Artikel fast irrelevant. Viel
interessanter sind die Hassreaktionen, die das hervorruft.
Prügel-Drohung gegen
„Hundehasser“
Das Thema Hund schürt
Emotionen. Von grenzenloser Liebe für die süßen kleinen Wauwis – bis hin zu
Hass auf die kackenden und beißenden Köter. Der Hamburger Journalist Wulf
Beleites (66) musste also wissen, worauf er sich einlässt. Noch bevor er am
Freitag seine Hundefeinde-Zeitschrift „Kot & Köter“ in der Schanze
vorstellte, hagelte es angeblich Prügel-Drohungen.
„Satirisch, bissig,
realistisch“ wolle man sein, sagt Beleites. Übertreiben wolle man, „weil nur
mit Übertreibung die Realität sichtbar wird, die Missstände aufgezeichnet
werden“. Entsprechend bizarr die Themen des ersten Heftes. Ein Autor schreibt
über seinen Ekel vor der Rasse Mops. Ein anderer erklärt das
„Nuttenpudel-Phänomen“: Pudel als klassisches Accessoire für Prostituierte. […]
Das finden manche
lustig, sie gratulieren und wünschen viel Erfolg. Andere sind auf Zinne. „Ich
bekomme auch Drohungen von Leuten, die sich durch die Zeitschrift angegriffen
fühlen“, sagte Beleites. „Trinkst bald aus der Schnabeltasse“, schrieb
angeblich einer, „Schade, dass du so weit weg wohnst von mir, ich wäre dich zu
gern mit meinen beiden Hunden besuchen gekommen und hätte die erst mal schön in
den Garten oder in deine Wohnung scheißen lassen“ ein anderer.
Prof
Hillgruber, bitte schreiten Sie sofort ein. Ich fühle mich in meiner Freiheit
eingeschränkt Stadthundehalter nicht zu mögen!!!
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