Freitag, 14. März 2014

Übersicht verlieren



Ja, ich weiß schon weswegen ich üblicherweise keine Talkshows mehr gucke.
Gestern bin ich nach längerer Zeit mal wieder in Maybritt Illner geraten, natürlich ging es um diesen dicken bayerischen Fußballpräsidenten, der im Moment omnipräsent ist und von Radio bis Internet alles dominiert. Als ob die Welt keine dringlicheren Probleme hätte.
Es war wieder einmal das Tote-Qualle-am-Strand-Phänomen: Man weiß, es sieht nur ekelig aus und geht doch hin, um mit einem Stock daran rumzupulen.
Der Fall ist sehr einfach gelagert – ein Mann ist über mindestens zehn Jahre kriminell, zeigt keine Reue und bekommt dafür eine vergleichsweise milde Strafe, weil die bajuwarischen Honoratioren dem jovial-konservativen Wurstfabrikanten zu Füßen liegen.

Hoeneß hätte vielleicht eine Chance gehabt, dem Gefängnis zu entkommen. Er hätte von Anfang an die Wahrheit erzählen müssen, die ganze Wahrheit, nicht nur Bruchstücke. Er hätte, als seine Steuerhinterziehung öffentlich geworden war, nicht nur sagen müssen, dass ihm der "Riesenfehler" leidtue. Er hätte handeln müssen. Er hätte, wie Juristen sagen, "tätige Reue" zeigen müssen. Er hätte sein Amt als Präsident des FC Bayern niederlegen, den Vorsitz des Aufsichtsrates der FC Bayern AG abgeben und sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen müssen.
All das hat Hoeneß nicht getan. Er hat geglaubt, mit einigen bedauernden Worten, seiner Popularität, seinem Charme und dem Charisma des Erfolgsmenschen aus dem Schlamassel herauszukommen. Er hat sich nicht wie ein Täter benommen, sondern wie ein Opfer - wie einer, dem Staatsanwälte, Steuerfahnder und Öffentlichkeit Ungebührliches antun und abverlangen, weil sie Aufklärung von ihm wollen.

Die Person Hoeneß, irgendwelche Bayerischen Ballspielvereine und auch  Verurteilungen wegen Steuerstraftaten sind für mich irrelevant.

Spannender ist da schon die öffentliche Auseinandersetzung über Moral.
Da zerfließt man vor Mitleid mit dem heuchelnden schlimmen Wurstfinger.

Die Pfaffen drängten sich wie üblich an die Front, um Gottes Liebe zu dem Kriminellen zu verkünden: "Gott liebt auch Steuersünder".

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, hat nach dem Urteil gegen Uli Hoeneß vor Häme und Schadenfreude gewarnt. „Eines Menschen Straftaten zu ahnden, darf nicht dazu führen, den Menschen selbst zu verdammen - Uli Hoeneß genauso wenig wie jeden anderen Straftäter“, schrieb Rekowski am Donnerstag in seinem Blog. „Ein Mensch, der Fehler macht, wird bei Gott nicht zum Unmenschen.“ Gott ahnde die Taten, „aber er verdammt nicht den Täter.“

Bei Illner bestätigte sich auch mal wieder das Phänomen, daß Männer umso häßlicher sind, je bayerischer und rechter sie sind.

Peter Hausmann, Chefredakteur des Bayernkuriers und Mitglied des FC Bayern München, fordert mildernde Umstände: "Auch wenn Uli Hoeneß Steuern in Millionenhöhe hinterzogen hat, kann man seine Lebensleistung nicht einfach ignorieren!“
(ZDF 13.03.14)

Rotzbremse, Gonzo-Zinken, Adipositas – daß Hausmann CSU- und Hoeness-Fan ist, müßte man nicht extra erwähnen.

Die Verteidiger des Kriminellen, die natürlich kein Wort sagen, wenn völlig Unschuldige in den Knast kommen (Stichwort „Abschiebehaft““ etc), verstiegen sich zu den tollsten Entschuldigungen.
Daß der zukünftige Gefängnisinsasse Staatsanwaltschaft, Polizei und Medien immer wieder systematisch belogen hatte, sahen sie ihm schon allein deswegen nach, weil die 70.000 Seiten Bankunterlagen einfach zu umfangreich gewesen wären.
Als ob das ein Grund zum Lügen wäre.
Als ob diese Fülle aus heiterem Himmel über Hoeness hereinbräche.
Als ob nicht der Delinquent ganz allein dieses Chaos verursacht hätte.

Es blieb an Jürgen Trittin hängen eine Selbstverständlichkeit zu äußern:
Das 70.000 Seiten-Chaos wäre erheblich übersichtlicher, wenn Hoeness nicht zehn Jahre seine Steuererklärungen gefälscht hätte, sondern jedes Jahr EHRLICH seine Einkünfte angegeben hätte.
Der Stoiber-Spezi Hoeness aber log grotesk die wildesten Zahlen zusammen. Erst zahlte er elf Millionen Euro Steuern nach, dann räumte er 3,5 Millionen nicht gezahlte Steuern ein, die schnell auf 18,5 Millionen emporschossen, umgehend auf 27,2 Millionen aufgerundet wurden und zuletzt um den Solidaritätszuschlag ergänzt auf 28,5 Mio zu steigen. Bayernkurier-Hausmann kullerten fast die Tränen vor Mitleid mit dem armen Wurtsmann.

So viel Scheiße zu bauen, daß man am Ende das Ausmaß der Scheiße selbst nicht mehr überblicken kann, ist keine juristische Rechtfertigung dafür mit der Scheiße ungestraft davon zu kommen.

Ein Pastor mitten im Biblebelt, in Alabama, hat derzeit ein ganz ähnliches Problem.
Auch er hat mittlerweile vollkommen die Übersicht verloren und erklärte vor Gericht er könne keinen genauen Schaden mehr beziffern.
Jeffrey Dale Eddie, 41, aka “Bruder Jeff” arbeite 16 Jahre als Kinderseelsorger in der Highland Park Baptist Church in Muscle Shoals.
Aufgrund von Hinweisen aus der Gemeinde, Bruder Jeff benehme sich eigenartig im Umgang mit Kinder, flog im Februar 2014 auf, daß Pastor Eddie nicht nur süchtig nach Kinderpornos ist, sondern sich auch an vielen Kindern der Gemeinde vergriffen hatte.

The investigation moved beyond child pornography when, after waiving his Miranda rights, Eddie reportedly admitted to sexually abusing members of his children’s ministry so many times that he could not remember how many.
On Feb. 4 he was charged with 31 counts of second-degree sodomy, three counts of sexual abuse of a child under 12 and two counts of possession of child pornography. His preliminary hearing is scheduled Feb. 18.

Zerknirscht ging die fromme Baptistengemeinde mit einem Online-Statement an die Öffentlichkeit.

FOR IMMEDIATE RELEASE
Statement Regarding Former Administrative/Children’s Pastor, Jeff Eddie
Muscle Shoals, AL - February 5, 2014
As a church, we are outraged, shocked and deeply saddened by the events that have unfolded over the last few days. First and foremost, we are striving to assist any children and families that have been affected by these events. The health and well being of these children is our number one priority at this time. For years, Highland Park Baptist Church has invested in the Shoals community and we are committed to helping our entire community cope with this situation.
(Highland Park Baptist Church)

Wenn die Gerüchte über die Beliebtheit von Childmolestern im Gefängnis stimmen, dann dürfte der Pfaff keine angenehme Zeit vor sich haben – auch wenn er nicht eben als „Sahneschnitte“ bei den Analsexwilligen gelten wird.


Es fragt sich nun wie viele Kinder Pfarrer Eddie missbraucht hat.
Das ist allerdings schwer nachzuvollziehen, weil er in all den Jahren den Überblick verloren hat.
Vielleicht versteht Herr Hausmann vom Bayernkurier das ja und legt ein gutes Wort ein. Ist es nicht auch ein bißchen zu viel verlangt von so einem armen Mann nach zehn Jahren Kinderficken innerhalb von vier Wochen jeden einzelnen Fall zu erinnern?

Alabama children’s pastor tells police he ‘cannot remember’ how many boys he molested
[…]  Alabama has a mandatory reporting statute that requires “[a]ll hospitals, clinics, sanitariums, doctors, physicians, surgeons, medical examiners, coroners, dentists, osteopaths, optometrists, chiropractors, podiatrists, nurses, school teachers and officials, peace officers, law enforcement officials, pharmacists, social workers, day care workers or employees, mental health professionals, members of the clergy” to report cases of child abuse or neglect.
According to court documents obtained by WAFF, Eddie confessed to performing acts of oral sex on many of the youths in his charge. When police asked how many youths he may have molested, Eddie said that there were “so many that [he] advised he cannot remember.”

Nun warte ich nur noch auf der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, der sich vor die Kameras schiebt, um zu verkünden:
 „Gott liebt auch Kinderficker!“


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