Mittwoch, 12. Februar 2014

Genmais-Gela



Auch wenn Angela Merkel sich öffentlich nie äußert und politisch vollkommen inaktiv scheint, so bedeutet das nicht, daß ihre Kanzlerschaft keine Konsequenzen hat.
Auch nach der blamablen Selbstauflösung der Industrielobbygruppe F.D.P. als Koalitionspartner sorgt die CDU-Chefin für die buchstabengetreue Wunscherfüllung der Wirtschaftsinteressen.
Gesundheit, Umwelt oder gar soziale Fragen haben dahinter gefälligst zurück zu stehen.

Deswegen läßt Angela Merkel jetzt Genmais nach Europa.

Herr Gröhe, Frau Wanka und Frau Merkel wollen den Genmais, weil die extrem finanzstarken Multis das von ihnen verlangen.

Angela Merkel lässt Genmais auf Europas Äckern säen.
Mit einer „Mehrheit“ von 5:19 Stimmen macht es die EU möglich.

Der französische Europaminister Thierry Repentin versuchte es noch mit einer Portion Galgenhumor – und ließ sich eines dieser Brüsseler Wortungetüme auf dem Mund zergehen wie ein butterbeschmiertes Croissant. „Umgekehrte qualifizierte Mehrheit, hmmhh...“, rief er seinen Kollegen im Ministerrat zu und wünschte ihnen viel Spaß bei dem Versuch, den Wählern zu erklären, dass da der Anbau eines höchstumstrittenen Produkts, der Anbau von Genmais 1507, durch „eine umgekehrte qualifizierte Mehrheit“ angenommen wurde. Was heißt: Genmais 1507 wurde angenommen, obwohl sich eine fast schon erdrückende Mehrheit von Mitgliedsstaaten im Kreis der Fachminister dagegen ausgesprochen hatte.
In der Tat gab es im „Allgemeinen Rat“ eine sogar hochemotionale Debatte über die Frage, ob der Genmais 1507 nun angebaut werden darf oder nicht. Letztlich erklärten nur fünf von 28 Ländern ausdrücklich, dafür zu sein: Initiatorin Spanien, Großbritannien, Estland sowie Schweden und Finnland, also zwei nordische Länder, die wegen klimatischer Bedingungen für Maisanbau eher nicht infrage kommen. Aber es gab eben auch keine Mehrheit dagegen, denn Deutschland und drei weitere Länder (Portugal, Belgien, Tschechische Republik) enthielten sich. 19 ist sozusagen weniger als fünf plus vier.
(Javier Cáceres, SZ vom 12.02.2014)

In Brüssel war eine Mehrheit der EU-Länder gegen die Genmais-Zulassung; aber ohne das enorme Stimmengewicht Deutschlands reichte es nicht zu einem Verbot.
Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung und so dürfen nun gentechnisch veränderte Pflanzen bei uns angebaut werden.
Die Multis sind beglückt von ihrer Kanzlerin.

Lobbyisten-Verband hofft auf Genmais-Anbau
Der Gentechnik-Verband Innoplanta aus Sachsen-Anhalt hat die mögliche Zulassung für den Anbau von Genmais in der EU begrüßt. Innoplanta-Pflanzenforscher Uwe Schrader sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Offenbar ist noch nicht alles verloren. Es wird allerhöchste Zeit, dass Gen-Mais nach jahrelangem Import endlich auch in der EU wachsen kann."

Danke Merkel!
Aber ab jetzt möchte ich bitte nie wieder aus dem Mund eines CDU-Politikers irgendetwas über „die Bewahrung der Schöpfung“ oder „Respekt vor dem Leben“ hören.
Also ab sofort gefälligst Ruhe auf der CDU-Bank wenn es um Sterbehilfe, Patientenverfügung, Pille danach oder Schwangerschaftsabbruch geht.
Daß der Union das Leben, so wie es „Gott gegeben hat“ eben nicht heilig ist, hat sie  - wieder einmal – eindrucksvoll bewiesen.

Zum Ergebnis der heutigen Abstimmung über die Genmais-Anbauzulassung im EU-Ministerrat erklärt Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik:
Die Regierung Merkel hat heute ein klares Nein Europas gegen den Genmais verhindert. Dabei wäre mit eindeutigem Willen und begleitender EU-Diplomatie eine Ablehnung im EU-Ministerrat möglich gewesen. Offenbar waren Merkel und Co. die Rücksicht auf die Gentech-Lobby und gute Stimmung für die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA wichtiger als die Interessen der Menschen in Europa.  […] Genmais wird nicht an Landes- oder Staatsgrenzen haltmachen, weil Pollen, Bienen und andere Insekten sie überqueren. Ein Flickenteppich aus regionalen Anbauverboten wäre nur ein brüchiger Notnagel und garantiert keinen Schutz vor gentechnischen Verunreinigungen.
[….] Die Tür für die Gentechnik auf Europas Äckern ist heute geöffnet worden. […]
(Grüne, PM Nr. 0114-14 vom 11.02.2014)

Und die SPD?
Immerhin auch Mitglied der Bundesregierung.
Der Sachverhalt ist einfach: CDU wollte unbedingt Genmais, CSU und SPD waren dagegen. Aber nicht so sehr dagegen, daß sie deswegen die Koalition hätten platzen lassen. Der Koalitionsfrieden ist das wichtigere Gut der SPD. Also tat man das was auch Bundesländer-Regierungen im Bundesrat tun, wenn die sie tragenden Parteien unterschiedlicher Meinung sind: Enthalten.

Der Vorwurf des BUND an die Bundesregierung, beim Verbraucher- und Umweltschutz total zu versagen stimme, räumte die SPD-Verbraucherschutzexpertin Elvira Drobinski-Weiß freimütig ein.
Ja, man hätte natürlich auch einem oppositionellen Antrag zustimmen können, aber man dürfe eben auch nicht gegen die eigene Koalition stimmen.

Zwar hatten das SPD-geführte Wirtschaftsressort und das CSU-geführte Agrarministerium zuvor ihre Ablehnung deutlich gemacht. Doch neben Bundesforschungsministerin Johanna Wanka und Gesundheitsminister Hermann Gröhe (beide CDU) sei auch Kanzlerin Angela Merkel aufgeschlossen für die Neuerung, sagte SPD-Verbraucherpolitikerin Elvira Drobinski-Weiß im ARD-Morgenmagazin: "Die Kanzlerin will den Genmais." Mit der Enthaltung habe sich die Regierung schließlich auch dem Druck der einflussreichen Nahrungsmittelhersteller gebeugt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) habe recht, wenn er der Regierung Versagen vorwerfe, sagte sie weiter.

Das heutige Abstimmungsverhalten von Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich in Sachen Pioneer-Genmais-1507-Zulassung ist für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nicht nachvollziehbar.
"Die Bundesregierung hat auf ganzer Linie versagt. Obwohl überwältigende Mehrheiten der Verbraucher und der Bundesländer Gentechnik in der Landwirtschaft ablehnen, obwohl die SPD und große Teile der CSU, das Bundeswirtschafts- und das Bundesumweltministerium gegen den Anbau des Genmais 1507 sind, stimmte Deutschland in Brüssel nicht dagegen", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.
"Das ist ein Armutszeugnis für die Große Koalition und ein Affront gegenüber allen Verbraucherinnen und Verbrauchern, die Gentechnik auf Äckern und Tellern ablehnen", so Weiger.   Der BUND-Vorsitzende warf Agrarminister Hans-Peter Friedrich eine Täuschung der Öffentlichkeit vor: "Das Friedrich-Versprechen von nationalen oder bundesländerbezogenen Genmais-Verboten ist eine Mogelpackung. Dafür gibt es auf EU-Ebene keinerlei rechtliche Grundlage. [….]

Und nun?

Gen-Mais ist umstritten – nicht weil er Menschen, sondern weil er manchen Insekten schaden könnte
[….]  Die Bausteine, die den Mais 1507 zu etwas Besonderem machen, sind zwei zusätzliche Gene. Beide stammen aus Bakterien, die im Boden leben. Ähnlich wie in der Sorte Mon 810 produziert eines davon ein Eiweiß, das giftig ist für Schmetterlinge und Motten. Das macht die Pflanzen resistent gegenüber dem Maiszünsler. Die Raupen dieses Schmetterlings vernichten nach Schätzungen der Welternährungsorganisation weltweit vier Prozent der Maisernte. Bekämpfen lassen sie sich mithilfe eines Giftes, das die Mikrobe Bacillus thuringiensis (Bt) produziert. Das Toxin kommt nicht nur in Gentech-Pflanzen zum Einsatz: Bauern spritzen es auch auf Feldern mit konventionell gezüchtetem Mais, und sogar im Biolandbau wird es verwendet.
Das zweite Mikroben-Gen dient lediglich als technisches Hilfsmittel. Es zeigt an, ob eine 1507-Maispflanze die Erbanlage für das Bt-Gift auch tatsächlich eingebaut hat. Die andere Eigenschaft dieses Hilfs-Gens, nämlich das Getreide resistent gegen das Unkrautmittel Glufosinat zu machen, spielt keine Rolle.
Streit verursacht der Gen-Mais vor allem wegen der Frage, ob das Getreide auch Insekten schaden kann, die gar nicht bekämpft werden sollen. Tatsächlich wirkt das Gift nicht nur auf den Maiszünsler, sondern auch auf andere Schmetterlinge. [….]  Manche derjenigen, die vom EU-Entscheid direkt betroffen sind wie der Deutsche Bauernverband, sehen jedoch noch einen anderen Grund zur Skepsis. „Egal, was der neue Mais angeblich alles kann oder nicht: Schon allein aus Haftungsgründen können wir keinem Landwirt raten, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen“, sagt ein Sprecher des Verbands. „Sollte nämlich ein benachbarter Landwirt, der konventionellen Mais anbaut, auch nur den Hauch einer Vermischung mit gentechnisch veränderten Pflanzen feststellen, kann er Schadenersatz verlangen. Dieses Risiko ist völlig unkalkulierbar – und kann daher existenzbedrohend sein.“ [….] 

Merkel agiert erstaunlich gelassen angesichts der fast 90% großen ablehnenden Majorität der Deutschen. Nun läßt sie nach der Almflora-Kartoffel und der MON810 die dritte genetisch manipulierte Pflanze in Europa zu.
Ist der Druck der Gentech-Lobby wirklich so groß?
Unklar. Aber Merkels Einsatz pro Genmais hat für sie einen zweiten Vorteil: sie kann Deutschland damit auch in Richtung Chlorhühnchen steuern. Es geht um das viel wichtigere Freihandelsabkommen mit den USA, welches sie zur Profitmaximierung der Agrar- und Nahrungsmittelmultis unbedingt umsetzen möchte.
Die NSA-Aktivitäten hatten die Stimmung zwischen EU und USA nicht gerade verbessert. Statt sich aber gegen die USA zu wehren, kriecht Merkel der amerikanischen Lobbyisten noch tiefer in den Mastdarm. Das Freihandelsabkommen würde nämlich viele Europäische Verbraucherschutzrichtlinien zerschmettern. Es würde amerikanische Produkte wie das berühmte Chlor-Huhn nach Europa schicken. Die strengeren Lebensmittelreinheitsregeln in Deutschland wären weggefegt – Dank Deutschlands allseits so beliebten Kanzlerin mit ihren 75%-Zustimmungswerten.
Danke Urnenpöbel.

 „Die Debatte zum Gentech-Mais zeigt deutlich, dass das EU-Recht geändert werden muss. Es entspricht nicht den anerkannten Anforderungen an eine Bewertung gesundheitlicher und ökologischer Risiken und muss dringend qualifiziert werden. Langzeitstudien, transparente wissenschaftliche Daten, unabhängige Untersuchungen und die Erhebung sozio-ökonomischer Kriterien fordert DIE LINKE seit Jahren“, so Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, anlässlich des aktuellen Zulassungsverfahrens zum Anbau des transgenen Mais‘ 1507. Tackmann weiter:
„Es ist ein verheerendes Signal, dass gerade Merkels Enthaltung maßgeblich zur Zulassung beiträgt. Offensichtlich will die Bundesregierung gleichzeitig damit auch die Hürden für das Freihandelsabkommen senken.
Die Forderung von Agrarminister Friedrich an die Bundesländer, ihrerseits den Anbau zu verbieten ist unseriös, weil diese Option (Opt-Out-Klausel) noch gar nicht in der EU beschlossen ist, und untauglich, weil ein Flickenteppich ökologisch riskant und seine Kontrolle volkswirtschaftlich teuer ist.

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