Geistige Giganten des
Konservatismus – Teil IX
Es mag meiner Staatsbürgerschaft geschuldet sein, daß
ich bei den idiotischsten und groteskesten Konservativen immer an die USA
denke.
Aber die GOPer und Evangelikalen in Amerika
bilden auch ein unerschöpfliches Reservoir von massiver Verdummung und
Schamlosigkeit.
Die Schlichtheit der fanatisierten Gedankenwelt einer Sarah Palin oder
Michelle Bachman oder
eines Bryan Fishers oder Tony Perkins verführt immer wieder dazu solche Leute
herzlich auszulachen. Aber damit ist es bedauerlicherweise nicht erledigt. Denn
diese Irren haben Macht und sprechen für Millionen andere Amerikaner, die
genauso denken und genauso wählen.
Es kann durchaus
passieren, daß Unterbelichtete dieses Schlages ins Weiße Haus einziehen und
dann hat die ganze Welt zu leiden.
Engstirnige,
gemeingefährlich konservative Menschenhasser gibt es aber selbstverständlich
auch in allen anderen Nationen.
In Saudi Arabien leben 12
Millionen entrechtete Frauen aufgrund der Macht fanatisierter Konservativer in Käfighaltung.
Und auch in Russland
erleben wir wie der zunehmende Einfluß der hetzerischen russisch-orthodoxen
Kirche Millionen Menschen gewissermaßen zum Abschuß freigibt.
Die häßliche Fratze des
destruktiven Christentums, die todgeprügelte Homosexuelle zu spüren bekommen,
zeigt sich nicht nur durch die Gesichter der Popen und Patriarchen, sondern auch
in höchst anstoßenden Politikern.
Eine dieser russischen
moralinsauren Menschenhasserinnen küre ich hiermit zum Geistigen Giganten des
Konservatismus (GGK) Nummer 9.
Es handelt sich um die ultrakonservative
Juristin und Duma-Abgeordnete Jelena Misulina. Die 58-Jährige ist Vorsitzende des
Komitees für Familie, Frauen und Kinder und versteht sich selbst als
Inquisitorin zur Erhaltung der russischen Werte.
Die russische Parlamentarierin Jelena
Misulina ist Wladimir Putins neue Topkämpferin für Moral. Sie soll wieder
Ordnung und Zucht im Land sicherstellen - von der Beschneidung der
Homosexuellen-Rechte über ein Fluchverbot im Internet bis hin zu einer
Besteuerung von Scheidungen.
Wie es bei selbsternannten
Moralexperten der ganz rechten Seite üblich ist, hetzt Misulina mit Vorliebe
gegen Homosexuelle.
Nach wie vor bin ich davon
überzeugt, daß Putin viel zu intelligent ist, um an den Unsinn zu glauben, daß
Schwule für rapiden Bevölkerungsrückgang verantwortlich sind und durch ihre
pure Sichtbarkeit schon massenhaft Jugendliche schwul machen können.
Putin, der einst
unumstritten regierte, konnte vor 15 Jahren durchaus als Schöngeist und
nachdenklicher Zuhörer auftreten.
Seit er aber das dritte
mal zum Präsidenten gewählt wurde und mit der bizarren Medwedew-Rochade das
Verbot von mehr als zwei Amtszeiten umging, bläst ihm Gegenwind ins Gesicht. Er
ist gewissermaßen Opfer seines eigenen Erfolges geworden. Das zu Jelzins Zeiten
unter Chaos und Kriminalität ächzende Volk erlebte in den Putin-Jahren einen
gewaltigen ökonomischen Aufstieg und entdeckte seine bürgerlichen Freiheiten.
Ein auf diese Art selbstbewußter gemachtes Wahlvolk erwärmt sich aber nicht
mehr ganz so leicht für einen bisweilen machohaft auftretenden Präsidenten.
Putin, der einst im Schlaf
seine 2/3-Mehrheiten einfuhr, mußte sich ernsthaft um seine Wiederwahl sorgen,
erreichte gerade mal eben noch die absolute Mehrheit.
Der Mann braucht nun
Verbündete und ging auf die stärkste gesellschaftliche Kraft zu. Die
unermessliche reiche und einflussreiche orthodoxe Kirche. Rein machtpolitisch
gedacht war das ein geschickter Schachzug. Mit der Unterstützung des mächtigen
Patriarchen Kirill muß Putin nicht um seine politische Macht fürchten.
Dafür gibt er dem frommen
Geronten im goldgewirkten Kleidchen ab und zu ein paar Häppchen in Form von
homophoben Gesetzen und drakonischer Bestrafung von Blasphmie („Pussy Riot“). So
bilden Putin und Kirill eine echte Symbiose.
Seit Putin im vergangen Jahr ins
Präsidentenamt zurückkehrte, hat er seine bröckelnde Unterstützung in der
Bevölkerung gestärkt, indem er sich der russisch-orthodoxen Kirche zuwandte und
wie diese die traditionellen Werte betont.
Gegen Homo-Partnerschaften und
Scheidung. Dieser Konservativismus wird als krasser Gegensatz zu dem
dargestellt, was im Westen vor sich geht - nach Kreml-Lesart ein Sittenverfall,
der die russische Gesellschaft bedroht.
Die Durchsetzung dieser menschenfeindlichen Politik überlässt Putin der
GGK-IX.
Misulina ist Putins eisenharte Faust in der Familienpolitik und erfreut
die konservativen Kleriker.
Ihr Ausschuss bereitete mehrere
umstrittene Gesetze vor, vom Verbot der Adoption russischer Kinder durch
US-Bürger bis zum Gesetz gegen "Schwulenpropaganda". In ihren oft
ungeschickten Medienauftritten prangert sie Moralverfall an und spricht sich
für immer neue Einschränkungen aus. Im Internet wird sie deshalb gnadenlos
ausgelacht und beschimpft. Der Blogger und Komiker Juri Chowanski forderte,
Misulinas psychische Gesundheit zu überprüfen. Knapp 63.000 Internetnutzer
haben bereits seine Online-Petition unterschrieben.
Misulina steht für ein konservatives
Familienbild, das von der orthodoxen Kirche in Russland unterstützt wird. Im
Konzept der Familienpolitik, das unter der Leitung von Misulina entstand,
steht: "Die Ehe wird ausschließlich als Union zwischen einem Mann und
einer Frau verstanden…, die mit dem Ziel geschlossen wird, sich fortzupflanzen,
drei und mehr Kinder zur Welt zu bringen und zu erziehen."
Gleichgeschlechtliche Ehen lehnt Misulina kategorisch ab und kritisiert
europäische Länder, die sie zulassen. "Ich bin mir sicher, dass die
Länder, die jetzt homo- und heterosexuelle Beziehungen gleichstellen, in ein
paar Jahren dagegen kämpfen werden", sagte sie im Interview mit dem russischen
Fernsehsender Channel 1.
Misulina gehörte zu den Autoren des
Gesetzes, das "Schwulenpropaganda" unter Minderjährigen verbietet.
Ihre Aussagen, die noch nicht gesetzlich verankert wurden, gehen noch weiter.
Sie sprach sich etwa dafür aus, dass gleichgeschlechtlichen Paaren Kinder
entzogen werden können. Und sie schlug vor, Abtreibungen und Scheidungen zu
erschweren, etwa durch die Einführung einer Sondersteuer für sich scheidende Paare.
Misulina versteht sich als Gegnerin jeder Form von Unzucht. Kürzlich schloss
sie nicht aus, dass russische Internetseiten mit Schimpfwörtern blockiert
werden können.
(Julia Smirnova, Die Welt 19.08.13)
Wie man auch in Frankreich sehen konnte, wirkt die Hasspropaganda
durchaus – wenn sie gemeinsam von Kirchen und Konservativen Parteien betrieben
wird.
So wird ein Volk aufgehetzt und die Minderheiten leben gefährlicher.
Russen halten Homosexualität für Krankheit
Nach
einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Zentrums vom Mai ist die Zahl der Russen,
die Homosexualität entweder als «zügellos» oder als eine «Krankheit infolge
eines psychologischen Traumas» betrachten, in den vergangenen Jahren gestiegen
- von 68 Prozent 1998 auf 78 Prozent in diesem Jahr. Während 2005 noch 51
Prozent der Russen gleiche Rechte für Schwule und Lesben befürwortet hätten,
sei die Zahl 2013 auf 39 Prozent gesunken.
Die
Intoleranz habe im vergangenen Jahr deutlich zugenommen, nachdem das Thema
Homosexualität in der politischen Diskussion immer häufiger aufgetaucht sei,
stellt Soziologin Maria Plotko vom Lewada-Zentrum fest. Schwulenfeindliche
Propaganda falle auch deshalb leicht auf fruchtbaren Boden, weil - belegt durch
Umfragen - nur wenige Russen persönlichen Kontakt zu einem Schwulen oder einer
Lesbe hätten.
Über Misulina zu lachen, ist als angesichts ihrer zerstörerischen
Wirkung nicht angebracht.
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