Montag, 4. März 2013

Periodika in der Peripherie


So ein Mist!
Ich werde es wohl nie mehr schaffen die Berge von Artikeln und aktuellen Sachbüchern zu lesen, die sich auf meinem Nachtschrank und Schreibtisch türmen.
Das würde ich so gerne mal alles gelesen und im Hirn abgespeichert haben, so daß ich guten Gewissens wieder zu einem Roman greifen kann und in eine ganz neue Welt eintauche.
Die literarische Begegnung mit einem Autoren und seiner Welt, die er dem Leser ausbreitet, ist schließlich etwas sehr Intimes und Interaktives. 
Gewissermaßen der Sex der Sozialphobiker.
Aber die Zeit für solche Begegnungen muß man sich stehlen, weil dauernd neue Politskandale auf einen einprasseln, weil die abonnierten Periodika stets bemüht sind einen zu erschlagen.

Aber jetzt gibt es ja das dämliche Internet, welches einen zwingt zu interagieren und reagieren.
Trotzdem blättere ich mal eben durch das neue Heft. Hab zwar gestern schon im E-Paper rumgeklickt, aber da war ich geistig schon abgeschaltet und kann mich an gar keine Themen mehr erinnert.
Was bietet also der SPIEGEL von heute?
Titelgeschichte „DIE SUCHTMACHER – Fettig, salzig, süß: Wie Lebensmittelkonzerne uns verführen.“
Ein gelungen-beeindruckendesTitelbild zeigt dazu eine McDoof-Pommes-Packung, die wie eine Zigarettenschachtel arrangiert und mit dem Warnhinweis „Essen kann tödlich sein“ versehen ist.
Haben die Graphiker hübsch gemacht.
Nur: Lesen muß man das ja wohl nicht!
Die Story kommt doch 20 Jahre zu spät. Wer wüßte denn noch nicht, daß Lebensmittelkonzerne uns mit allen erdenklichen Tricks Fastfood unterjubeln?
Pizza, Chips, Cola, Pommes und Burger sind keine ideale Ernährungsgrundlage?
Die speziellen Kinderprodukte sind reine Zuckerbomben?
Wow. Ist ja ganz was Neues.
Klasse, Acht Seiten Text, die ich mir sparen kann.

Mal sehen, was die aktuelle Innenpolitik zu bieten hat. Von Parteipolitik kann ich eigentlich nie genug kriegen.
UNION: Merkels Chef. Ob Homo-Ehe oder NPD-Verbot - die Kanzlerin kann sich nicht zu klaren Ansagen durchringen. Stattdessen erklärt Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle der Politik, was sie zu tun hat.
(DER SPIEGEL Nr. 10, 04.03.2013, s.20)
Sach’ma‘…Geht es noch?
Das schreibe ich seit Jahr und Tag mindestens einmal die Woche in meinem Blog:
Merkel laviert, mogelt sich durch, bezieht keine Position, um nirgendwo anzuecken.
Wo haben die Redakteure Hubert Gude, Christiane Hoffmann und Peter Müller denn diese bahnbrechende neue Erkenntnis ausgegraben?

Es geht weiter mit zwei Seiten Volker Kauder im Interview.
Guten Morgen.

Merkel, Kauder,..kann es noch schlimmer kommen?
Ja, es kann. Der SPIEGEL wartet auf Seite 34 mit einem ganzseitigen Gauck-Kopf und einem langen Interview auf. Grusel.
Ich kenne keinen anderen Prominenten, der dermaßen von sich selbst begeistert ist und sich trotz dürftiger Allgemeinbildung für generalkompetent hält. 
Er nimmt auch die Außenwelt als eine ihn stets Lobpreisende wahr.
Daß er von sich in der dritten Person spricht, darf bei Gauck schon als Zeichen von übertriebener Bescheidenheit gelten. 
Eigentlich drängt es ihn den Pluralis Majestatis zu verwenden.
SPIEGEL: Herr Bundespräsident, zu Ihrer Wahl vor einem Jahr haben wir nach einem langen Gespräch mit Ihnen geschrieben: "Gut möglich, dass er bald abgeschliffen sein wird wie ein Kieselstein. Er ahnt, dass er bald schon an den goldenen Stäben des Schlosses rütteln wird." Rütteln Sie?
Gauck: Ja, das tue ich gelegentlich. Aber natürlich mit der Einsicht eines älter gewordenen Mannes, der das politische Leben kennengelernt hat und deshalb nicht ungeduldig an diesen Stäben rüttelt.  […..] Wo ich auch hinkomme, sagen mir die Leute: Behalten Sie bloß diese Fähigkeit zu zugespitzten Formulierungen! .  […..]  Dieser Präsident betreibt keine Neben-Außenpolitik und auch keine Neben-Innenpolitik. Er betreibt auch nicht die eigentliche, die gute, die schöne, die edle Politik, während sich die gewählten Politiker mit den schwierigen und schmerzhaften Dingen auseinandersetzen müssen. Das ist der Hintergrund für meine Vorsicht, nicht die Angst, etwas Falsches zu sagen. […..]
SPIEGEL: Wenn Sie morgens aufwachen - wie lange brauchen Sie, um sich vom Bürger in den Bundespräsidenten zu verwandeln?
Gauck: Ich stehe als Joachim Gauck auf. Wenn ich mich dann rasiere, kommt so langsam der Umschwung. Ich weiß, in einer Stunde steht unten das Auto, dann geht es ins Büro, und da bin ich Präsident.
(DER SPIEGEL Nr. 10, 04.03.2013, s.35)
Auch das reicht.
Wieder ein schönes Beispiel dafür wie Gauck das Gauck-Sein an sich in Beschlag nimmt.
Gott ist ja auch Gott und niemand würde erwarten, daß ER noch nebenbei Knöpfe annäht oder Differentialgleichungen löst.  Ernüchterung ergreift die FDP, nachdem sie nun bemerkt, daß Gauck gar keine FDP-Werbung betreibt.
Der Präsident suche weder den Austausch mit der Partei, noch binde er systematisch das Parlament ein, heißt es. Gauck sehe vor allem Gauck. Ein Liberaler, der in unterschiedlicher Funktion mehrfach in Schloss Bellevue zu Gast war, berichtet, dass Gauck ihm versichert habe, wie schön es gewesen sei, sich endlich mal persönlich kennengelernt zu haben. Bei jeder der vier Begegnungen. Seitdem fragt sich der Liberale, ob Gauck so sehr mit seinem Gaucksein beschäftigt ist, dass er andere kaum wahrnimmt. Jedenfalls keine Liberalen.

Mehr ertrage ich nicht heute; dazu ist meine Magenschleimhaut zu sensibel.
 
Na schön, nur noch den Katholiken-Artikel. Schließlich bin ich ein radikaler Vatikan-Fan und stürze mich mit Vorliebe auf Kurien-Interna.
Aber abgesehen von meiner persönlichen Passion, ist die Sedivakanz tatsächlich eine ungemein spannende Angelegenheit. 
Mal sehen, was der SPIEGEL Neues ausgegraben hat. Wer wird denn nun nächster Papst.
Peter Wensierski, der ein tatsächlicher Kenner der RKK in Deutschland ist, schreibt über Georg Gänswein.
Der Ratzinger-Toyboy wird kaum seine beiden Aufgaben als Ratzi-Privatsekretär UND Präfekt des Päpstlichen Hauses auf Dauer behalten können. 
ACH WAS?
Wensierski prophezeit eine Karriere des telegenen Erzbischofs in Deutschland.
 Auch das ist recht naheliegend, denn in vielen Bistümern sitzen Wackelköppe, die schon kurz vorm Einsargen sind und dennoch immer weiter machen müssen, weil sich kein Nachfolger findet.
Köln, Mainz, Freiburg sind zu nennen. In Passau herrscht sogar schon Sedivakanz, weil Wilhelm Schraml (geb 1935) emeritiert ist und ein neuer Diözesanbischof noch nicht gefunden ist.
Richtig erkennt Wensierski aber, daß der weltberühmte Gänswein wohl kaum in so ein kleines einfaches Bistum wechseln würde.
Was käme sonst in Frage?
Im bayerischen Bistum Passau ist zwar gerade ein Bischofsposten frei. Doch für einen Erzbischof kommt nur eines der sieben deutschen Erzbistümer in Frage. Angesichts ihres Alters könnte der Freiburger Erzbischof Kardinal Robert Zollitsch, 74, oder dessen Kölner Amtskollege Kardinal Joachim Meisner, 79, in diesem oder im nächsten Jahr abtreten. Der prominente Posten in Köln wäre vielleicht sogar ein Sprungbrett zum Chef der Bischofskonferenz.
(DER SPIEGEL Nr. 10, 04.03.2013, s.42)
Da kann man doch nur schreien!!
Zollitsch ist eben KEIN KARDINAL! 
Das ist gerade das Bemerkenswerte, daß er zum Zuge kam, als ein Nachfolger für den Vorsitzenden der DBK Kardinal Lehmann gesucht wurde.
Gerade in der Zeit unmittelbar vor der Papstwahl werden täglich die wahlberechtigten deutschen Konklave-Teilnehmer aufgezählt. 
Man findet die gerade mal sechs Geronten täglich in der Presse:
Paul Josef Cordes, 78, Walter Kasper, 79, Karl Lehmann, 76, Joachim Meisner, 79 und natürlich die beiden Kardinalsküken Marx und Woelki.

Und der SPIEGEL dichtet fälschlicherweise Zollitsch dazu.

DAS NERVT. 

Muß das immer wieder sein?

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