Mittwoch, 26. September 2012

Klappt nix.




Autoritäres Schweigen, wie Höhler es nennt, verhilft zwar der Kanzlerin zu ungeahnter Beliebtheit beim Urnenpöbel und unbedingter Folgsamkeit in der CDU, aber beim Regieren hilft es nicht so wirklich.

Es ist alles Euro in Berlin und das ist gut für die Kanzlerin, weil niemand die Vertragswerke versteht. Keiner kann die internationalen finanziellen Verstrickungen übersehen und so kann sich Angie mit ihrem brasilianischen Motto „Zu wenig, zu spät, zu ungefähr“ durchwurschteln.
Schafft es ausnahmsweise dennoch mal ein anderes Thema in die Nachrichten, sieht es übel aus für SchwarzGelb. Betreuungsgeld, Zuschußrente, Frauenquote, Energietrassen-Ausbau - da klappt einfach nichts! Die ebenso simple wie sinnlose Herdprämie droht - MAL WIEDER - die Koalition zu zerreißen. Selbstverständlich geht es dabei nicht etwa um Sachpolitik! 
Wichtig ist wer wem eins auswischt, welcher Parteichef sich vor seinen Anhängern als durchsetzungsstark präsentiert.

Autoritäres Schweigen geht beim Euro, aber „Herdprämie ja, oder nein“ bekommt man damit nicht vom Tisch.

Blöd ist natürlich auch, wenn sich irgendjemand von der Opposition AUSNAHMSWEISE mal nicht mit Däumchendrehen oder Eierschaukeln befasst, sondern sich sinnig zu den Themen äußert, die eigentlich Kanzler-Domäne sein sollten.

Da ist zum Beispiel Steinbrücks  'Bändigung der Finanzmärkte'-Papier, das von allen gelobt wird.

Sein Bankenpapier sorgt für mächtig Wirbel: Peer Steinbrück heimst mit den Vorschlägen zur Reform des Finanzsektors Lob aus allen Richtungen ein - und avanciert in der SPD wieder einmal zum Favoriten in der Kanzlerkandidatenfrage. [….]   Seine Vorschläge, die Geschäfts- und Investmentsparten von Banken zu trennen, Geldinstituten einen eigenen Rettungsfonds aufzudrücken und die Ratingagenturen zu reformieren, haben es in sich. Die eigenen Leute jubeln, der politische Gegner ist irritiert, aus der Bankenwelt gibt es laute Kritik, aber auch Zustimmung. Maximale Aufmerksamkeit ist Steinbrück sicher.


Wo Merkel Beschränkungen fordert, fordert Steinbrück Verbote, wo sie auf Einsicht der Banker setzt, pocht er auf Regeln.
Keines der Probleme, die der Ex-Finanzminister auflistet, ist neu. Viele seiner Lösungsideen sind es schon, zumindest in ihrer Konsequenz: etwa die, dass marode Banken statt vom Steuerzahler von einem europäischen Bankenfonds aufgefangen werden sollten, der sich aus Beiträgen aller Institute speist und in der Aufbauphase Kredite aufnehmen darf. Oder seine Rezepte zur Regulierung von Rating-Agenturen und zur Bezahlung von Managern.
Mindestens ebenso wichtig wie einzelne Reformvorschläge ist aber, dass Steinbrück der Versuchung widerstanden hat, ein Wahlkampfpapier voll plumper Bankenschelte vorzulegen. Stattdessen liefert er im Vorwort eine knappe und doch tiefschürfende Analyse dessen, was seit der Lehman-Pleite 2008 zwischen Politik, Finanzindustrie und Bürgern zerbrochen ist - und welch gefährlicher Sprengsatz für die Demokratie sich daraus entwickelt hat. Eine solche Analyse ist Angela Merkel bis heute schuldig geblieben.
(Claus Hulverscheidt 26.09.12)

Auf der bürgerlichen Seite hingegen versuchen sich immer mehr Leute im Aussitzen und Ausschweigen.

Gauck zum Beispiel ist schon völlig vermerkelt. 
Kein einziges Wort zur Grass-Israel-Debatte, nichts zur Beschneidung und zum Euro hat er schon erst recht keine Idee oder gar Erklärung für sein Volk. Integration, Buschkowsky, 10 Jahre Hartz IV - Gauck ist offenbar untergetaucht.

Zu seinem Amtsbeginn hatte er noch großspurig von der Kanzlerin gefordert sie müsse die internationale Finanzpolitik erklären. 
Er selbst erklärt aber gar nichts.

Und dann ist da Herr Altmaier, der einst so umtriebige Parlamentarische Geschäftsführer der Union, der kaum einen Tag verstreichen ließ ohne in Talkshows Merkel und Wulff zu erklären und zu loben. 
Nun hat er ein eigenes Fachgebiet und ein Ministeramt. Da pressiert es auch gewaltig. Asse-Sanierung? Atommüllendlager? Offshore-Strom, Energietrassen? Noch da Peter Maynard?

Der Umweltminister lässt die Suche nach einem atomaren Endlager schleifen.
Umgehend', genau so hat das Peter Altmaier gesagt. 'Umgehend' wolle er die Gespräche über die Zukunft des deutschen Atommülls wieder aufnehmen. Seit vier Monaten, seit den ersten öffentlichen Äußerungen des neuen Bundesumweltministers von der CDU, steht dieses Wort im Raum. Passiert ist wenig. Sechs Wochen später lud er SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin in seine Küche ein, es gab Wraps und Diskussionen. Danach: Funkstille. Wieder sechs Wochen später stellte Altmaier seinen 'Zehn-Punkte-Plan' vor, Punkt 3: 'Nukleare Entsorgung im Konsens regeln'. Bis Ende September, so schrieb er darin, wolle er ein Endlagersuchgesetz vorlegen.
Sechs Wochen später ist Ende September, aber weder gibt es ein Endlagersuchgesetz noch irgendwelche Gespräche über einen Konsens. 'Ich gehe davon aus, dass wir im Oktober zu einer Klärung kommen', hat er am Dienstag der Braunschweiger Zeitung gesagt. So oder ähnlich allerdings klingen die Aussagen schon seit Monaten. Immer ist eine 'Klärung' zum Greifen nahe, nie aber kommt sie zustande.
[….] Warum ausgerechnet Altmaier nun mit dem Projekt hadert, der doch als Brückenbauer und Meister des Kompromisses angetreten ist, darüber rätselt mittlerweile der politische Gegner genauso wie der Koalitionspartner. 'Ich weiß auch nicht, warum da nichts passiert', sagt FDP-Generalsekretär Patrick Döring. 'Wir wären bereit.' Ähnlich klingt das bei Grünen und SPD. 'Dass bei Merkel und Altmaier an einer Einigung intensiv gearbeitet wird, ist ein Märchen', sagt Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Der Rest ist Warten.
 (Michael Bauchmüller, SZ ,26.09.12)
Den Urnenpöbel stört Nicht-Politik nicht, weil er sie nicht bemerkt. 

Auffälliger ist hingegen, wenn die Politik-Organisation nicht funktioniert. 
Altmaier kann in seinem jetzigen Job ausruhen und schlafen bis zum Ende der Legislaturperiode.
In seinem vorherigen Amt als Parlaments-Organisator der CDUCSU-Fraktion war das nicht möglich. Bedauerlicherweise weiß das sein Nachfolger Michael Grosse-Brömer nicht und verschlimmbessert die Koalitions-internen Quälprozesse um die Bildungsfernhalteprämie.
Um es kurz zu machen: Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer hat es nicht geschafft, die Position der CDU zu verbessern. Im Gegenteil: Der HSV-Fan schoss unfassbare Eigentore.
[…]    FDP-Generalsekretär Patrick Döring tat am Montag fröhlich kund, eingedenk dessen sei das Veto der Liberalen doch zwangsläufig gewesen. Man sei von der Union an der 'Kompromissfindung nicht beteiligt' worden. Außerdem würde der Kompromiss 'höhere Haushaltsbelastungen verursachen'. Die Redakteure hatten nun erwartet, dass Grosse-Brömer die Fakten zugunsten der CDU zurechtrückt. Der Geschäftsführer hätte zum Beispiel darauf hinweisen können, dass die Familienpolitiker der Union nie behauptet haben, ihr Kompromiss sei endgültig. Dass immer klar gewesen sei, dass man darüber noch mit der FDP reden müsse. Aber nichts von alledem. Stattdessen griff Grosse-Brömer - ob aus Unwissenheit oder aus Unerfahrenheit - indirekt die eigenen Verhandlungsführer an. Der Fraktionsgeschäftsführer sagte, 'sicherlich wäre es klug gewesen', einen gemeinsamen Termin mit der FDP zu machen, statt sich alleine zu treffen. Damit adelte er nicht nur das Argument der FDP. Er stellte auch Fraktionschef Volker Kauder und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in den Regen, unter deren Federführung das Treffen am Freitag stattgefunden hatte.
Auf die naheliegende Frage, um wie viel teurer das Betreuungsgeld durch den Unionskompromiss denn nun würde, wusste Grosse-Brömer gar keine Antwort. […] Er hatte die Zahlen nicht parat. Auch bei der Frage, warum die von der Union gewünschten Vorsorge-Untersuchungen jetzt auf einmal ohne Zustimmung des Bundesrats beschlossen werden können, kam Grosse-Brömer ins Stottern. Seine Antwort auf die Frage, wie es in dem Streit nun weitergehe, überraschte deshalb keinen mehr: 'Wir wissen noch nicht einmal, wer mit wem sprechen soll.'
(Robert Rossmann, SZ 26.09.12)

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