Mittwoch, 26. Dezember 2018

Die Trump-Sekte.


An mein Posting von gestern anschließend:

Herr Trump muss ungeheuer verzweifelt sein, daß er nun so ein Feuerwerk abbrennt, um bei seiner Basis zu punkten.
Nun also der heldenhafte Weihnachtsbesuch im Irak, um von seinem gewaltigen Problemberg in Washington abzulenken.
Ein Problemberg, den er freilich selbst aufgehäuft hat.
Die Regierung steht still, die Aktienkurse brechen ein wegen Trump.
Aussicht auf Besserung besteht nicht. Die außenpolitischen Probleme dürften sich durch Trumps Geschenke an die Türkei, Russland und den Iran gewaltig verschärfen.
Wie soll die US-Administration das managen, wenn der Chef noch nicht mal in der Lage ist nach zwei Jahren im Amt all die vakanten Stellen zu besetzen?
Es herrscht Chaos in der US-Regierung; trump-Chaos.

[…..]  The Plum Line
When the new year begins next week, President Trump will have an acting chief of staff, an acting secretary of defense, an acting attorney general, an acting EPA administrator, no interior secretary, and no ambassador to the United Nations. The officials originally in all those positions have either been fired or have quit in various measures of disgust or scandal. His former campaign chairman, deputy campaign chairman, national security adviser and personal lawyer have all pleaded guilty to crimes. His campaign, his transition, his foundation and his business are all under investigation. The United States’ allies are horrified at the chaos Trump has brought to our foreign policy. The stock market is experiencing wild swings as investors are gripped with fear over what might be coming and what Trump might do to make it worse — a situation alarming enough that the treasury secretary felt the need to call up the CEOs of major banks to assure them that everything is under control.
And, oh yeah, the government is shut down.
This, my friends, is exactly what we were afraid of when Trump somehow managed to get elected president two years ago. This is what we warned you about. [….]

Das sind keine Auflösungserscheinungen, sondern das ist full turmoil. #45 reißt gerade alles in den Abgrund.
Über die Hälfte der Amerikaner lehnt nicht nur den Kurs der eigenen Regierung ab, sondern sie schämt sich in Grund und Boden für die peinliche Gestalt im Weißen Haus.

Aber was ist mit den anderen? Seiner core base, dem harten Kern aus etwa 40 Millionen rechtsradikalen FOX-verseuchten Amis, die ihren orangenen Erlöser immer noch frenetisch feiern, verteidigen und bejubeln?
Was ist los mit denen, daß sie sich ebenso hartnäckig wie ihr Führer der Realität widersetzen?

Es gibt einige Hauptgründe. Einerseits gibt es keinen amerikanischen Top-Politiker, der so klar rassistisch agiert und andererseits ist Trump kein politischer Anführer, sondern vielmehr ein Religiöser.


Religionen sind das Mittel der Wahl, wenn man irrealen Unsinn verkaufen will.

Was könnte unsinniger als das Christentum sein? Schlangen, die sprechen, Frauen, die ohne Sex schwanger werden und leibhaftig zum Himmel hinauffliegen, Männer, die 900 Jahre alt werden und dann auch noch der langhaarige Gammler, der übers Wasser gehen kann und nach dem Tod wieder lebendig wird.

Das widerspricht alles eindeutig der Realität, aber indem man es zum Glaubensgrundsatz erklärt und dann möglichst viele Menschen zusammenbringt, die sich alle demselben Wahn verschreiben, bildet man eine zusammengeschweißte Gemeinschaft, die dem Cult-leader schon deswegen nicht widerspricht, weil man damit ausgestoßen wäre.
Je offensiver man sich zu der von ihm verkündeten Fiktion bekennt, desto enger ist das Band der Epigonen, die ihm folgen untereinander.

[…..] Beim US-Prä­si­den­ten Do­nald Trump ist un­ter­des­sen der Lü­gen­zäh­ler der »Wa­shing­ton Post« – Stand vom 30. Ok­to­ber – auf 6420 nach­weis­lich fal­sche oder ir­re­füh­ren­de Be­haup­tun­gen ge­klet­tert. Trump lügt sich fast schon wahl­los durch den Tag. Als nach den US-Zwi­schen­wah­len in Flo­ri­da nach­ge­zählt wer­den muss­te, be­haup­te­te er, Be­trü­ger hät­ten sich ver­klei­det, um mehr­mals ab­zu­stim­men und sei­ner Par­tei den Wahl­sieg zu rau­ben.
Und den­noch: Die Zu­stim­mungs­wer­te für Trumps Kar­ne­val der po­li­ti­schen Ver­wahr­lo­sung sind un­ter den ame­ri­ka­ni­schen Re­pu­bli­ka­nern sta­bil. Sei­ne Ge­folgs­leu­te er­klä­ren je­den aus der Luft ge­grif­fe­nen Aber­witz im Nach­hin­ein ve­he­ment für wahr.
[….]
(SPIEGEL Nr. 50, 08.12.2018, s.108 ff)

Die unzähligen Menschen, die abstruser Hass-Propaganda à la Trump, Berger, AfD, PI frönen, die Verschwörungstheorien anhängen, Merkel für eine Reptiloidin halten, annehmen eine „jüdische Verschwörung zur Umvolkung Deutschlands“ existiere und sinistere Mächte übten Einfluss durch Chemtrails aus, tun das nicht aufgrund wissenschaftlicher, politischer oder journalistischer Überzeugung.
Dahinter stecken vielmehr religiöse, psychologische und metaphysische Aspekte.
Deswegen funktionieren ganz offensichtlich unsinnige PP/PI/AfD-Lü­gen ge­gen den recht­lich nicht bin­den­den Uno-Mi­gra­ti­ons­pakt.
Trump lügt ohne sich Mühe zu geben, widerspricht sich wahllos selbst und versucht gar nicht erst den hanebüchenen Quatsch irgendwie plausibel aussehen zu lassen. Seine Jünger halten das für mutig und erfrischend. Sie fühlen sich endlich von den lästigen Fakten befreit und überziehen die armen irdischen Wesen, die auf der Realität beharren mit Hass und durchaus realen Drohungen.

[…..] Für eine Spe­zi­es, die sich in ei­ner kom­pli­zier­ten Welt zu­recht­fin­den muss, ist kol­lek­ti­ver Rea­li­täts­ver­lust ei­gent­lich kein gu­tes Re­zept. Aber Men­schen ha­ben schon im­mer von ge­mein­sa­men Fik­tio­nen pro­fi­tiert. Das zeigt die Ge­schich­te der Re­li­gio­nen. An­thro­po­lo­gen ha­ben her­aus­ge­fun­den: Ge­ra­de der Glau­be an Un­glaub­li­ches war es, der mäch­ti­ge Ge­mein­we­sen her­vor­brach­te.
Und war­um ist die­se Stra­te­gie so er­folg­reich? Weil das Be­kennt­nis zur Fik­ti­on Über­win­dung kos­tet. Es fällt nicht leicht, un­er­schro­cken Wi­der­sin­ni­ges zu be­haup­ten. Gott­lo­se und An­ders­gläu­bi­ge krin­geln sich: Wie kann man nur! Ste­he ich trotz­dem zu mei­ner Über­zeu­gung, ist das ein star­kes Si­gnal an die Mit­gläu­bi­gen: Sie se­hen, dass auf mich Ver­lass ist. Als Be­weis mei­ner Loya­li­tät brin­ge ich das Op­fer mei­nes Ver­stands.
Re­li­gi­ons­for­scher spre­chen von »kost­spie­li­ger Hin­ga­be«. Der Glau­be er­weist sich als umso stär­ker, je mehr er den Sei­nen ab­ver­langt. Der ame­ri­ka­ni­sche An­thro­po­lo­ge Ri­chard So­sis hat nach­ge­wie­sen, dass stren­ge, for­dern­de Glau­bens­ge­mein­schaf­ten be­son­ders lang­le­big und so­mit er­folg­reich sind. Auf die Art des Op­fers kommt es da­bei kaum an. Ob die Mit­glie­der sich um­ständ­li­chen Fas­ten­re­geln un­ter­zie­hen oder, wie die Ka­tho­li­ken im Mit­tel­al­ter, mehr­stün­di­ge la­tei­ni­sche Mes­sen durch­ste­hen – es dient al­les dem glei­chen Zweck: Die Men­schen zei­gen öf­fent­lich, wie weit sie zu ge­hen be­reit sind, nur um ih­rer Ge­mein­schaft wil­len.
[…..]
 (SPIEGEL Nr. 50, 08.12.2018, s.108 ff)

Es macht keinen Sinn sich wie die Anhänger des Opus Dei selbst zu geißeln, sich die Neunschwänzige zum Gefallen Gottes auf den Rücken zu knallen, einen Bußgürtel mit nach innen gerichteten rostigen Stacheln zu tragen, auf Knien tagelang zur Fatima in Portugal zu rutschen, oder auf Knien die unzähligen Stufen zur Schwarzen Madonna von Częstochowa (Tschenstochau) hochzukraxeln. Vier Millionen Katholiken tun es aber dennoch jedes Jahr, weil sie damit in ihrer Gemeinschaft beweisen welche Strapazen sie für den Glauben auf sich nehmen.
In Manila lassen sich Katholiken sogar mit echten Nägeln zu Ostern an ein Kreuz nageln, um Jesus zu ehren.
Derlei Leidensbeweise gibt es in allen Religionen.

Schiiten fügen sich blutige Verletzungen durch Peitschen und Säbel zu, um ihre Zugehörigkeit zum Kult zu demonstrieren. Erst wenn alle blutig sind hören sie auf.


Trumps aberwitzige Lügen zu glauben, ihn kollektiv anzufeuern, auf seinen Rallys in einen Massenwahn zu geraten folgt dem gleichen psychologischen Prinzip.

[…..] Das Si­gnal der kost­spie­li­gen Hin­ga­be schafft ei­nen star­ken Zu­sam­men­halt. Es er­mög­licht Frem­den der glei­chen Fik­ti­ons­ge­mein­schaft, ein­an­der mit Ver­trau­en zu be­geg­nen; und es hält Tritt­brett­fah­rer fern, die nichts bei­tra­gen und im Zwei­fels­fall schnell wie­der weg sind. Un­ter güns­ti­gen Um­stän­den kön­nen auf die­se Wei­se gro­ße ver­schwo­re­ne Grup­pen her­an­wach­sen – und die ge­teil­te Fik­ti­on wird zur his­to­ri­schen Macht.
Da­von pro­fi­tie­ren nicht nur Re­li­gio­nen, son­dern in glei­chem Maß po­li­ti­sche Sek­ten. Denn auch die Be­reit­schaft, ge­gen jede Evi­denz zu lü­gen, ist ein fäl­schungs­si­che­res Si­gnal der Hin­ga­be – je kras­ser, des­to bes­ser.
Ab­sur­de Ge­schich­ten sind in der An­hän­ger­schaft im­mer ge­fragt, und sie ver­brei­ten sich auch noch be­son­ders gut. Das ist kein Zu­fall. Das Un­glaub­li­che er­staunt, es bleibt leicht hän­gen – bes­ter Er­zähl­stoff, so­lan­ge es noch ir­gend­wie stim­mig scheint.
[…..]
(SPIEGEL Nr. 50, 08.12.2018, s.108 ff)

So wenig man einen überzeugten Christen/Juden/Muslimen mit wissenschaftlichen Fakten und klaren Beweisen dazu bringen kann sich aus seiner andere extrem exkludierenden Fiktionsgemeinschaft zu lösen, so sehr ist es auch zum Scheitern verurteilt Impfgegner, Homöopathie-Anhänger, Aldebaraner-Jünger, Soros-Verteuflern, Gauland-Fans oder Trump-Wählern von ihrem offensichtlichen Irrsinn abzubringen. Wer sich die „Beweise“ für eine gefakte Mondlandung oder eine Unterwanderung durch extra-terrestrische Reptilien einmal als Beitrittsgeschenk zu einer Hassgruppe verinnerlicht hat, bleibt auch dabei, weil er die Sphäre des Realen für seinen Glauben verlassen hat.

 […..]  Nicht min­der ein­präg­sam ist die Fa­bel, dass in Deutsch­land die Flücht­lin­ge in Lu­xus­her­ber­gen schwel­gen und zum Dank sich auch noch Zie­gen aus dem Strei­chel­zoo gril­len. Auf sol­che Mi­ra­kel ist die Hass­re­li­gi­on des rech­ten Ran­des fi­xiert; Ge­gen­be­le­ge tut sie als Blend­werk ab. Sie ver­teu­felt die Mi­gra­ti­on als Mut­ter al­ler Pro­ble­me – der bös­ar­ti­ge Son­der­fall ei­nes Glau­bens. Sei­nen An­hän­gern ist kei­ne hö­he­re Se­lig­keit ver­hei­ßen, nur das häss­li­che Ver­gnü­gen, Schwä­che­re zu mal­trä­tie­ren.
Auf über­zeug­te Rechts­ex­tre­me mag spe­zi­ell die­se Aus­sicht eu­pho­ri­sie­rend wir­ken. Mit­läu­fer ge­nie­ßen wohl ein­fach nur die Frei­heit zum Kra­kee­len. Denn sei­en wir ehr­lich: Lü­gen macht frei. Es ist be­flü­gelnd, sich an Fak­ten nicht mehr ge­bun­den zu füh­len.
[….]
(SPIEGEL Nr. 50, 08.12.2018, s.108 ff)

Die vielen Trump-Epigonen im Weißen Haus haben sich für alle anderen späteren Jobs außerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft verbrannt.
Sarah Sanders und Kellyanne Conway sind so schlimme, amoralische Lügnerinnen, daß kein seriöser Politiker sie jemals wieder einstellen wird. Wer sich im Dezember 2018 noch von Trump anheuern lässt, verspielt seine bürgerliche Reputation. Daher sind viele Stellen unbesetzt; Menschen, die noch mit Fakten leben, können nicht für ihn arbeiten.
Aber diejenigen, die sich ihm völlig hingeben, die Abermillionen Rednecks, Hillbillies, Fox-Hörer und Rassisten sind schon so weit in den Sog der Trump-Sekte geraten, daß sie nicht mehr zu erreichen sind für die Außenwelt der Ungläubigen.

[….] Do­nald Trump bie­tet den An­hän­gern be­son­ders reich­lich Ge­le­gen­heit zur Un­ter­wer­fung, wenn er bei­spiels­wei­se das Ge­gen­teil ei­ner Be­haup­tung vom Vor­tag zur neu­en Wahr­heit er­klärt. Trump hat die Rea­li­täts­ver­leug­nung nicht er­fun­den, aber zur Se­ri­en­rei­fe ge­führt. Lü­gen bringt er qua­si schon voll­au­to­ma­tisch her­vor, die Fak­ten­che­cker kom­men kaum noch hin­ter­her. Sei­ne bis­he­ri­ge Best­leis­tung er­reich­te der US-Prä­si­dent am 7. Sep­tem­ber mit ei­nem Aus­stoß von 125 fal­schen oder ir­re­füh­ren­den Be­haup­tun­gen.
Den­noch ist Trump kein po­li­ti­scher Lüg­ner neu­en Typs, er kennt nur kei­ner­lei Scham. Er hat nie ei­nen Zwei­fel dar­an ge­las­sen, wor­um sein Den­ken kreist: um die Fik­ti­on sei­ner Un­be­sieg­bar­keit. Jede Wahl, die er nicht ge­won­nen hat, müs­se dem­nach ir­gend­wie ge­fälscht sein.
[….]
(SPIEGEL Nr. 50, 08.12.2018, s.108 ff)

Man stellt seinen Gott nicht in Frage, so wie man sich nicht von Jesus abwendet, weil er (=Gott=HeiGei) bei der Sintflut nahezu die gesamte Erdbevölkerung killte.