Mittwoch, 4. Juni 2014

Felipe.

Europäische Monarchien stellen für mich ein großes Faszinosum dar.
Sie sind so ungeheuer anachronistisch und dennoch überlebensfähig.
Längst haben sich Wirtschaftsprüfer der Angelegenheit angenommen und festgestellt, daß sie für den Steuerzahler ein wahrer Glücksfall sind. Der Pomp, den sie entfalten lockt Touristen an und katalysiert eine ganze Industrie aus Yellowpress-Journalisten, Souvenirherstellen und anderen Profiroyalisten.
Sie kosten aber, hochgerechnet auf die Arbeitsstunden der gesamten königlichen Familie weit weniger als beispielsweise das deutsche Bundespräsidialamt.
Gauck allein kostet schon 277.000 Euro (inklusive Zulagen) im Jahr.
Die gleiche Summe kassieren aber außerdem Scheel, von Weizsäcker, Herzog, Köhler und Wulff. Wir bezahlen sechs Staatsoberhäupter.
Walter Scheel amtierte von 1974-1979 und kassiert schon 35 Jahre seinen Ehrensold.
Eine Menge Geld für’s Nichtstun.
Noch ungünstiger dürfte das Verhältnis an Ende seiner Tage bei Christian Wulff ausfallen. Er arbeitete gerade mal anderthalb Jahre als Bundespräsident und bezog seinen 277.000-Euro-Ehrensold schon im Alter von 52 Jahren. Das kann noch lange so weitergehen.
Queen Elisabeth II. (* 21. April 1926) hingegen arbeitet statt anderthalb Jahren  nun schon annähernd achtzig Jahre als Staatsoberhaupt des  Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Antigua und Barbuda, Australien, Bahamas, Barbados, Belize, Grenada, Jamaika, Kanada, Neuseeland, Papua-Neuguinea, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Salomonen und Tuvalu. Als Königin amtiert sie immerhin schon seit 62 Jahren, aber bekanntlich müssen Königskinder schon lange vor dem Erwachsenenalter royale Verpflichtungen übernehmen.
Dadurch vervielfacht Elisabeth ihre Arbeitskraft; alle ihre Familienmitglieder müssen mitarbeiten und so eine Königsfamilie ist groß: Dazu zählen alle, die „His Majesty“ bzw. „Her Majesty, HM“ oder aber den Titel „His Royal Highness“ bzw. „Her Royal Highness, HRH“ tragen. Allein der “engere Kreis” besteht aus 23 Personen.

    Königin Elisabeth II.
    Prinz Philip,
    Charles, Prince of Wales und Camilla, Duchess of Cornwall
        Prinz William und Catherine, Duchess of Cambridge
            Prinz George of Cambridge
        Prinz Harry of Wales
    Prinz Andrew, Duke of York
        Prinzessin Beatrice of York
        Prinzessin Eugenie of York
    Prinz Edward und Sophie, Countess of Wessex
        James Mountbatten-Windsor, Viscount Severn
        Lady Louise Mountbatten-Windsor
    Anne, Princess Royal
    Prinz Richard, Duke of Gloucester und Birgitte, Duchess of Gloucester (Cousin der Königin und seine Ehefrau)
    Prinz Edward, Duke of Kent und Katharine, Duchess of Kent (Cousin der Königin und seine Ehefrau)
    Prinz Michael of Kent und Marie Christine von Reibnitz (Cousin der Königin und seine Ehefrau)
    Prinzessin Alexandra, Lady Ogilvy (Cousine der Königin)

Ich glaube auch daran, daß es vielen Staatsbürgern leichter fällt sich bei Problemen an die Königsfamilie zu wenden, weil sie sich ihnen persönlich verbunden fühlen.
Die Wahl von deutschen Staatsoberhäuptern wird hingegen intransparent ausgeklüngelt. Urplötzlich ist dann ein Köhler oder Gauck Staatschef, obwohl er weiten Teilen der Bevölkerung unbekannt ist.
Kaum einer kennt dessen Parteizugehörigkeit und eine Qualifikation für das Amt muß schon gar nicht vorlegen.
Jeder Brite hingegen kennt die Queen, man weiß genau woher sie kommt, was sie tut und wie man sie erreicht.
Könige und Königinnen können gerade in Krisenzeiten eine enorme symbolische Bedeutung erlangen und den Bürgern dadurch ungeheuer dienlich sein.
Beispiele dafür sind der dänische König Christian X. (1912-1947), der erheblich zur Rettung der Mehrheit der dänischen Juden während der Naziherrschaft beitrug, oder die widerständische Holländische Königin Wilhelmina, die 1940 eine Exilregierung gegen die Deutschen bildete.
Ohne den Spanischen König Juan Carlos hätte es wahrscheinlich 1975 keine Demokratie gegeben; er garantierte das Ende der faschistischen Diktatur.
Eine ähnlich überragende Bedeutung hatte der 42 Jahre regierende Belgische König Baudouin (1951-1993), der als einziger die auseinanderstrebenden Landesteile zusammenhielt, weil er bei Flamen und Wallonen gleichermaßen anerkannt war.
Die rechtsextremen Separatistenparteien wurden erst nach seinem Tod stark.

Man staunt über die europäischen Zustimmungswerte der eigentlich durchweg demokratischen und republikanischen Bevölkerungen zu ihren Königshäusern.
Queen Elisabeth II. wird von allen Generationen verehrt, selbst die Hardcore-Republikaner feiern alle königlichen Hochzeiten, Geburtstage und Jubiläen mit.
Meine Lieblings-Königin Margarethe II. wird von über 90% der Dänen adoriert und kann sich daher Dinge herausnehmen, die sich kein Politiker traut. Dabei kann es sich um sehr bedeutende Impulse, wie ihren vehementen Einsatz gegen Fremdenfeindlichkeit in Dänemark handeln, oder auch einfach persönliche Spleens, wie ihr Kettenrauchen betreffen.


In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebten die sieben Monarchien dieses Kontinents ihre Glanzzeit, weil sie alle zufällig von sehr geeigneten Personen dominiert waren.

Das Problem an Monarchien ist neben ihrer demokratischen Unmöglichkeit aber, daß sich die große Stärke, nämlich die familiäre Kontinuität auch in eine fatale Schwäche wandeln kann.
Trotz der üblicherweise sehr langen Vorbereitungs- und Ausbildungszeit entscheidet fast nur der Zufall der Geburt über den Königstitel.
Das kann gewaltig schief gehen, wenn zufällig ein Depp dran ist.
So hatte der feinsinnige und intellektuelle Baudouin keine Kinder und daher folgte sein plumper Hallodri-Bruder Albert auf den Thron.
Sofort sank das Ansehen des Königshauses. Seit 2013 regiert der farblose Philippe und scheint die Kurve ebenfalls nicht zu bekommen.
Die englische Queen ist glücklicherweise zäh, so daß sie die grenzdebile Diana einfach aussitzen konnte und der wesentlich klügeren Zweitfrau ihres Sohnes Akklimatisierungszeit verschafft.
Man kann das Blatt durchaus wenden. Als 1980 Königin Beatrix ihr Amt antrat, gab es gewaltige Demonstrationen gegen sie. Als sie 2013 abdankte war sie trotz ihrer spröden und unnahbaren Art im ganzen Land hochgeachtet.
Dafür spricht auch, daß die als konservativ geltende „Trixi“ zur Ikone der Schwulenbewegung wurde. Zur Thronbesteigung ihres Sohnes, „Prins Pilsje“, jubelte das Land einhellig. 1980 schien Jahrhunderte entfernt zu sein.

Juan Carlos von Spanien und Carl Gustav von Schweden sind beide (vermutlich) ganz nett und haben sich sehr geeignete Ehefrauen gesucht.
Königin Sophia und Königin Silvia sind in ihren Ländern mit Abstand die beliebtesten Mitglieder des Königshauses. Das hilft.
Juan Carlos und Carl Gustav selbst sind allerdings ziemlich auf den Kopf gefallen hätten längst mal ausgetauscht werden müssen.
König zu sein ist eben auch ein Scheißjob – das was sich andere erlauben dürfen, private Affären und Liebschaften, dürfen sie noch lange nicht.
Johlend mit zwielichtigen schwedischen Freunden durch die Puffs ziehen oder mit halbseidenen eingeheirateten Prinzessinnen auf Elefantenjagten zu gehen, während das Land unter der schwersten Wirtschaftskrise ächzt, kann die ganze Monarchie zum Einstürzen bringen.
Juan Carlos hat offensichtlich seit ein paar Jahren komplett die Verbindung zu seinem Volk verloren.
Er hätte wie schon einmal 1975 in einer schweren Krise ein leuchtendes Vorbild sein können und den Spaniern Mut machen sollen.
Begriffen hat er allerdings gar nichts mehr und so ist die noch vor fünf Jahren völlig unumstrittene spanische Monarchie auf einmal fragil geworden.
Die Hälfte der Jugendlichen wollen sie gleich ganz abschaffen.

In zwei Wochen übernimmt sein Sohn Felipe. Er verfügte bisher über ein 146 000 Euro-Jahresbudget (dafür würde Gauck gar nicht erst aufstehen). Mit 46 Jahren ist er nicht mehr unbedingt ein Repräsentant der Jugend. Seine Frau ist mit Abmagern beschäftigt und wirkt auf die Spanier unterkühlt wie ein Eiszapfen. Seine Schwester ist in einen Korruptionsskandal verwickelt und ihr Ehemann sitzt sogar im Knast.
Armer Felipe.
Als König Felipe VI. muß er eine Menge ändern. Oder er wird der letzte Spanische König sein.