Seit Generationen, spätestens seit Watergate vor genau 50 Jahren, spielen sich die großen Skandale in drei aufeinander folgenden Stufen ab.
1) Etwas Kriminelles oder zumindest Skandalöses passiert.
2) Journalisten recherchieren und decken den Fall auf, so daß die Öffentlichkeit informiert ist.
3) Es werden juristische und/oder politische Konsequenzen gezogen. Der Übeltäter wird abgestraft.
Phase Drei beim Watergate-Skandal wurde nach dem Auftauchen der Tonbänder, auf denen Nixons Untaten dokumentiert waren, eingeläutet. Die ungeheuerlichen Vorgänge rund um den Präsidenten führten zu einer schweren Verfassungskrise und einem massiven Vertrauensverlust der US-Bürger in ihr politisches System. Der Chef der Republikaner im Kongress, Senator Barry Goldwater, marschierte schließlich rüber ins Weiße Haus, um dem republikanischen Präsidenten zu erklären, er werde das Impeachmentverfahren politisch nicht überleben. Nixon versuchte sich bei dem Gespräch zuerst mit demonstrativer Zuversicht und guter Laune zu retten, fragte seinen Parteifreund Goldwater auf wie viele Stimmen er im US-Senat zählen könne. Goldwater antwortete „sieben bis neun, meine jedenfalls nicht!“.
Damit war es aus. Nixon kam seinem offiziellen Rausschmiss zuvor, trat zurück und rettete den Republikanern durch die Amtsübernahme Gerald Fords die Macht.
Ein halbes Jahrhundert später ist die dritte Phase abgeschafft. Das ist ohnehin schon ein tödlicher Hieb für den amerikanischen Staat und die Gesellschaft. Völlige Verzweiflung breitet sich aber aus, weil Phase Eins inzwischen alles sprengt, das man sich in den vierzig Jahren nach Nixon vorstellen konnte.
Die kriminelle Energie, die Nixon akkumuliert in seiner gesamten Präsidentschaft erreichte, schafft Präsident Trump mühelos an einem Tag. Der Betrüger, Lügner, Rassist, Vergewaltiger, Sadist, Psychopath, Erpresser, schickte einen bewaffneten Mob ins Kapitol, um seinen eigenen Vize zu lynchen, sorgte persönlich dafür, daß die Metalldetektoren deaktiviert wurden, um die automatischen Waffen in den US-Senat zu lassen, wollte sich gar persönlich an die Spitze der Umsturz-Horde setzen und alle US-amerikanischen Institutionen niederreißen. Er ergötzte sich an der Gewalt, war genau informiert, wie seine Capitol Police-Leute niedergerannt und ermordet wurden, weigerte sich über viele Stunden, einzuschreiten.
Bei der gestrigen Sitzung des 1/6-Kommitees, welches die Hintergründe der Erstürmung des US-Kapitols am 06. Januar 2020 untersucht, sagte die eingefleischte Republikanerin und Hardcore-Trumpistin Cassidy Hutchinson aus. Als persönliche Assistentin von Trumps Stabschef Mark Meadows saß sie nur wenige Meter vom Oval Office entfernt, war die Kontaktperson zwischen Regierung und Kongress und damit Ansprechpartnerin jedes Senators und Abgeordneten, der etwas von Trump wollte. Sie war immer anwesend im engsten Zirkel der Macht. Sie rief die Diener, wenn der Fastfood-fressende orange Berserker die Beherrschung verlor und sein Essen gegen die Wände schmiss oder Tischdecken mit allen drauf befindlichen Unterlagen herunter riss.
[…] 1) Hutchinson said she was told that when Trump got back into the presidential limousine, known as the Beast, and was told that he could not join protesters at the Capitol, he lost it. The then-President tried to grab the steering wheel and, when one of his security detail reached to stop him, he grabbed at that man's throat.
2) Trump, in expletive-laden language, urged that people with weapons -- guns, knives and the like -- be let through the magnetometers before his speech to the "Stop the Steal" rally. His goal? Ensure that the photographs and video of the event showed a packed crowd all listening to him. "They're not here to hurt me," Trump reportedly told people.
3) Meadows, when pressed by White House counsel Pat Cipollone, to say something more amid "Hang Mike Pence" chants at the US Capitol responded, according to Hutchinson: "[Trump] thinks Mike deserves it. He doesn't think they are doing anything wrong." [….]
Ein US-Präsident, der tobend seinem Fahrer ins Lenkrad greift und versucht die Secret Service-Leute zu würgen, wenn er seinen Willen nicht bekommt.
Es gibt aber eben keine Konsequenzen. Die republikanischen Senatoren und House-Abgeordneten distanzieren sich nicht, Trumps ehemalige Minister schweigen und die hervorragenden Wahlchancen für die Midterms im Herbst werden nicht eingetrübt. Die Spender der GOP spenden weiter und die konservativen Sender senken schon gar nicht die Daumen über ihrem Cult-Leader.
Die wie immer äußerst sehenswerten „panelists“ auf CNN rangen nach den Hutchinson-Enthüllungen wieder einmal nach Worten. „Shocking“, „worse than ever expected“ und „devastating“ wurden inflationär gebraucht. Das habe man sich bis vor einer Stunde nicht vorstellen können. Ein vollkommen „unhinged“ Trump, der das Weißes-Haus-Porzellan und Ketchup-Flaschen gegen die Wand schleudert, sein Personal physisch angreift. Aber nach einer Viertel Stunde konstatierten sie, das passe eigentlich doch sehr gut ins Bild. Nachdem man das nun gehört habe, gäbe es keinen Grund sich zu wundern. Jeder weiß längst: Trump verfügt über die Impulskontrolle eines debilen Sechsjährigen und ist ein zutiefst bösartiger radikal egomaner Mensch.
[….] Es war genauso schlimm wie befürchtet. Trump hat nicht nur mit zweifelhaften legalen Argumenten versucht, sich an die Macht zu klammern. Er hat auch seine bewaffneten Anhänger zum Kapitol geschickt, um eine friedliche Machtübergabe zu verhindern. Er, der amtierende Präsident, wollte persönlich im Parlamentsgebäude in Washington auftreten, um die Zertifizierung des Siegs seines demokratisch gewählten Nachfolgers zu verhindern.
Trump ging so vor, obwohl ihn seine Rechtsberater gewarnt hatten, das könne wie ein Putsch wirken. Trump war das nicht nur egal - er steuerte geradezu auf diesen Putsch hin. Und er war viel näher daran, sein Ziel zu erreichen, als lange vermutet.
Diese Gewissheit verdankt die Öffentlichkeit dem Mut von Cassidy Hutchinson, damals Assistentin von Trumps Stabschef. Sie hat am Dienstag als Überraschungszeugin vor dem Ausschuss zur Untersuchung des 6. Januar ausgesagt. Hutchinson machte erstmals sichtbar, was sich im inneren Zirkel um den Präsidenten abgespielt hat. Sie zeichnete das Bild eines Wahnwitzigen, der im Zorn seinen Teller voller Ketchup an die Wand schmiss, weil ihm ein Interview seines Justizministers missfiel. Der dem Fahrer im Präsidentenauto ins Lenkrad griff, als sich der Secret Service am 6. Januar weigerte, ihn zum Kapitol zu fahren. […]
Allein, die 75 Millionen moralisch völlig verwahrlosten Trump-Wähler stört es nicht. Im Gegenteil, sie finden es mutig und stark, wie er sich durchsetzt.
Sie wollen ihn wieder im Weißen Haus sehen.
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