Bill Clinton, US-Präsident von 1993 bis 2001, ist sicher einer der intelligentesten US-Politiker aller Zeiten und kann auf eine extrem erfolgreiche Zeit im Weißen Haus zurück blicken. Er handelte wichtige internationale Friedensverträge aus, sanierte die Wirtschaft, hinterließ seinem Nachfolger einen gewaltigen Haushaltsüberschuss.
Aber der Mann wurde impeached, muss für immer mit der Schande leben, daß sein Sexualleben monatelang vor der Weltpresse ausgebreitet wurde. Sein ungeheuerliches Vergehen: Ein außerehelicher Blowjob.
Es klingt wie eine Story aus dem finsteren Mittelalter. Aber es ist nur zwei Jahrzehnte her, daß ein einziger privater Seitensprung die Karriere des mächtigsten Mannes der Erde beenden konnte.
Ausgerechnet sein direkter Nachfolger, GWB, war ein Idiot. Was für ein Gegensatz zu einem der weltbesten Redner Bill Clinton, wenn Bush Jr. mit seinem ohnehin stark reduzierten Wortschatz sprach und sich dabei auch noch ständig verhaspelte. Zuerst schämte ich mich als Amerikaner dafür, wie GWB auf Auslandsreisen seine völlige Ahnungslosigkeit offenbarte. Er nahm an, in Mexiko spreche man mexikanisch, fragte in Brasilien, ob sie da eigentlich auch „Schwarze“ hätten und sagte dem spanischen Königspaar, er freue sich, die REPUBLIK Spanien zu besuchen.
Was für eine Peinlichkeit. Der dümmste US-Präsident aller Zeiten.
Aber diesen Eindruck von GWB musste ich zweimal revidieren.
Das erste mal nach dem 11.September 2001. Wäre es doch bloß dabei geblieben, peinlich zu sein. Denn nun erlebten wir den hochgefährlichen GWB, der frei erfundene Kriegsgründe vortrug, zwei Angriffskriege anzettelte; 2001 legal und 2003 illegal; in deren Folge hunderttausende Menschen starben und über 10 Millionen vertrieben wurden. Beide Kriege zogen sich endlos hin, beschäftigten mehrere nachfolgende Präsidenten und gingen verloren.
Als krönenden Abschluss verursachte GWB dann 2008 auch noch eine Weltwirtschafts- und Finanzkriese, hinterließ die USA seinem Nachfolger Barack Obama in einer tiefen Rezession mit Trillionen Schulden.
Als entsetzte Beobachter östlich des Atlantiks überlegten wir verzweifelt, wie man diesen destruktiven Mann loswerden könnte, wenn schon sein Wahlvolk kein Anstoß an illegalen Angriffskriegen nahm und ihn 2004 nicht nur wiederwählte, sondern diesmal sogar mit Mehrheit. (2000 war GWB bekanntlich wie auch Trump 2016 mit Stimmenminderheit US-Präsident geworden.)
Zu der Zeit hörte ich täglich den Satz „könnte bitte irgendjemand endlich GWB einen Blowjob geben, so daß wir ihn impeachen können?“
Das war damals unsere härteste Gangart. Sich eine Sexaffäre herbei zu sehnen, damit die evangelikalen Anhänger des frommen Bushs, eine Amtsenthebung anstreben, wenn sie sich schon nicht an hunderten Lügen, hunderttausenden Toten und einer ökonomischen Vollkatastrophe störten.
Allein, niemand wollte sich zu diesem Dienst an der Menschheit herablassen. Mit Barack Obama übernahm wieder ein geistig diametral entgegen gesetzter Mann: Hochgebildet, wissenshungrig, ausgezeichneter Redner und zudem auch noch persönlich integer. Wir liebten Obama; er würde die US-amerikanischen Folterlager schließen, die Kriege beenden, die Todesstrafe abschaffen, den Waffenwahn stoppen. Unglücklicherweise wurden alle diese Erwartungen enttäuscht. Der Friedensnobelpreisträger Obama fand dafür eine andere außenpolitische Methode.
Weltweite Drohnenangriffe, um illegal in souveränen Staaten, Menschen ohne Prozess hinzurichten. Und auch ein paar hundert Unschuldige als Kollateralschaden mitabzumurxen.
„Bring them to justice“ hieß auf obamisch übersetzt “bei einer Nacht und Nebel-Aktion abknallen und Leiche ins Meer werfen.“
Allein in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit ließ Barack Obama 1.718 Personen im Ausland durch Drohnenangriffe gezielt ermorden. Natürlich war es völkerrechtlich illegal, wie Obamas USA im Jahr 2011 Osama bin Laden auf Pakistanischem Staatsgebiet töteten.
(….) Angela Merkel, die Christin, die sich angeblich auf Werte wie Nächstenliebe beruft, sagte nach der völkerrechtswidrigen Tötung Osama bin Ladens (ohne Gerichtsverfahren) «Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten.»
Als Atheist und Humanist empfinde ich keine Freude, wenn Menschen getötet werden und halte solche nationalen Strafaktionen inklusive der dubiosen geheimen Entsorgung der Leiche im Meer für falsch. Dafür braucht es die biblische Rache-Ideologie (Auge um Auge, Zahn um Zahn), die mir fehlt. (….)
Statt des Rechtsweges in Den Haag, wie es noch für Kriegsherren vom Balkan vorgesehen war, akzeptierten wir nun offensichtlich das willkürliche „Rübe ab“ aus Washington. Niemand schien es #44 übel zu nehmen.
In der Amtszeit des Obama-Nachfolgers Trump, musste ich insbesondere meine Einschätzung George W. Bushs erneut revidieren. GWB war doch nicht der unehrlichste und schlechteste US-Präsident aller Zeiten. So schnell kann es gehen.
Nach nur einem Jahr Trump-Amtszeit ertappte ich mich selbst das erste mal dabei, GWB vergleichsweise sympathisch zu finden.
Aber wie sollte man Trump loswerden? Der hochkorrupte 30.000-fache Lügner war offensichtlich gemeingefährlich und machte sich daran die US-amerikanische Demokratie zu zerstören.
Auf einen Blowjob, der Trump impeachen würde, brauchte niemand mehr zu hoffen.
Der Tittenjuror, der Behinderte nachäffte und damit prahlte Frauen zu vergewaltigen, würde dafür von seiner christlichen Basis nur noch mehr geliebt werden. Also hoffte ich auf eine „deadly pretzel“, die fast einmal GWB erledigt hatte. Oder einen Herzinfarkt des dicken Fastfood-Fressers. Oder Covid. Aber nichts half.
Und nun Putin.
Bei ihm ist es gruselige Konsens im Westen: Es wird kein Amtsenthebungsverfahren geben. Niemand muss sich für Fellatio opfern.
Den Haag wird gar nicht erst überlegt. Nein, diesmal sind wir es, die nur noch „Rübe ab“ denken. Wie wahrscheinlich ist es, daß ein Attentäter Putin ermorden könnte? Wie gut ist der Mann geschützt? Weiß man überhaupt genau, wo er sich aufhält?
Schöne neue Welt. Der Glauben an Einsicht, Reue, Argumente, an das internationale Recht, ist offenbar dahin. Nun phantasieren wir alle gleich von Mord.
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