Einer der vielen Vorteile eines Sozis im Kanzleramt, betrifft auch internationale Personalien. Olaf Scholz wird mutmaßlich nicht provinzielle Witzfiguren wie Wulff oder Oettinger in die allerhöchsten Ämter hieven.
Als größtes Land der EU und eine der fünf mächtigsten Wirtschaftsnationen der Erde, obliegt es immer mal wieder dem Berliner Kanzleramt, einen Topjob zu besetzen.
Merkel schickt gern irgendeinen abgehalfterten Unions-Minister oder Ministerpräsidenten, Öttinger oder von der Leyen. Politiker, die so schlecht sind, so viele Affären an der Hacke haben, daß sie Merkels Wahlchancen schaden würden, wenn sie in Deutschland blieben..
Die werden weggelobt, weil Merkel sich den Ärger ersparen will, jemanden zu entlassen. In 16 Jahren hat sie nur einen Minister gefeuert; Norbert Röttgen.
Das führte zu der kuriosen Situation, daß die Deutsche von der Leyen bei ihrer Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin ausgerechnet die Stimmen aus Deutschland nicht bekam – schließlich kennt man sie hier. Der deutschen Pannenministerin war es egal; dann ließ sie sich eben von den EU-Feinden, Demokratieverächtern und Homophoben installieren.
(….) Kann man noch tiefer sinken?
[…..] Ursula von der Leyen setzt darauf, mit den Stimmen der Europagegner gewählt zu werden. [….] Sie zeigt keine klare Kante gegen rechts, sagt nicht, dass sie europäisches Recht konsequent durchsetzen will. Oder, dass sie gegen den Verfall der Grundrechte in Staaten wie Ungarn, Malta, Rumänien oder Polen entschlossen entgegentreten will. Stattdessen versucht sie, genau diesen Ländern zu gefallen. […..][…..]
(Sven Giegold, Grünen-Spitzenkandidat bei der Europawahl)
Orbán und Kaczyński hoben von der Leyen natürlich nicht nur aus Herzensgüte auf den Schild. Sie wußten um ihre evangelikalen Verbindungen und erwarten natürlich Gegenleistungen.
[…..] Die Rechnung kommt noch [….] Es sieht so aus, als habe die Deutsche ihren Posten auch der Unterstützung des Lagers der Europaskeptiker aus Polen und Ungarn zu verdanken. Es ist fraglich, ob die Bundesregierung nun weiter darauf drängen wird, die Vergabe von EU-Fördergeldern an den Zustand der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsländern zu koppeln. [….][…..] Das ist vor allem deshalb relevant, weil von der Leyen nach ihrer Wahl gesagt hat, dass es gelungen sei, eine "proeuropäische Mehrheit" zu formen. Doch wenn sie damit jene Mehrheit meint, die sie nun offenbar gewählt hat, liegt sie falsch. Denn Fidesz und PiS hatten zuletzt eher einen Feldzug gegen die europäische Demokratie gestartet. Beide Parteien regieren alleine, beide Parteien sind der Grund dafür, dass gegen ihre Länder Strafverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags laufen. In beiden Ländern ist die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr. Insofern stellt sich die Frage, welchen Preis von der Leyen für die Unterstützung dieser Parteien zahlen muss. Wird sie künftig nachsichtiger mit Polen und Ungarn umgehen? [….]
Die Rechnung kam sogar recht schnell.
Im von Fidesz und PiS aufgeheizten Klima müssen LGBTI in ihren Ländern wieder um ihr Leben fürchten, können sich zudem immer weniger auf den Rechtsstaat verlassen. Weil in Ungarn und Polen sowohl Medien als auch Justiz zunehmend gleichgeschaltet werden.
Natürlich ermutigt das radikale Christen und Politextremisten.
[….] Nach Ausschreitungen bei einer Regenbogenparade in der ostpolnischen Stadt Bialystok sind 25 Menschen vorübergehend festgenommen worden. Hooligans und extrem rechte Aktivisten hätten die Teilnehmer eines Marsches für Gleichberechtigung von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen (LGBT) attackiert und versucht, den Umzug zu blockieren, berichtete die Agentur PAP unter Berufung auf das Warschauer Innenministerium. Demnach hatten Randalierer die Teilnehmer des Marsches am Samstag unter anderem mit Steinen, Eiern und Böllern beworfen. […..]
Seit vielen Jahren lässt sich Brüssel von den osteuropäischen Autokraten auf der Nase herumtanzen, wird ganz still, wenn es um die Verteidigung der europäischen Werte dieser Wertegemeinschaft geht.
Und was sagt die neue EU-Kommissionschefin von der Leyen? Stellt sie sich endlich mal vor die Attackierten? Fordert sie von Warschau die Einhaltung der Menschenrechte ein? Verhängt sie endlich EU-Strafen?
Im Gegenteil, sie verteidigt Orbán und Kaczyński. […..]
(Eine Kommissionspräsidentin im Dienste der PIS-Partei, 21.07.2019)
Natürlich schwächt von der Leyen die EU weiter, läßt Ungarn und Polen mit drastisch LGBTI-feindlichen Gesetzen durchkommen.
[….] Einen einfachen Ausweg gibt es für die Kommissionspräsidentin nicht. Ihre Neigung zu PR-Auftritten wird zu ihrem Problem. [….] Vordergründig ist das Ziel der Spendiertour, für die Europäische Union zu werben. In Wahrheit geht es der Kommissionspräsidentin vor allem um Werbung für sich selbst. [….] Der ungarische Ministerpräsident sei »korrupt bis ins Mark«, sagt die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley. [….] und Polens ging, hat die Kommissionspräsidentin in der Vergangenheit bereits eine fragwürdige Zurückhaltung an den Tag gelegt. So droht das Parlament der Kommission mit einer Klage, wenn sie nicht endlich ein Verfahren nach dem neuen Rechtsstaatsmechanismus einleitet. Der war eigens geschaffen worden, um Warschau und Budapest für ihre Angriffe auf Justiz und Presse zu bestrafen. Von der Leyen lehnt dies bislang ab. Sie will erst eine von den beiden Ländern angestrengte Klage beim Europäischen Gerichtshof abwarten. Viele Abgeordnete sehen darin nur einen Vorwand, um die beiden Regierungschefs nicht bloßstellen zu müssen. Andere vermuten noch finsterere Motive. Ohne die Stimmen von Orbáns Fidesz-Partei und der polnischen PIS-Abgeordneten hätte von der Leyen bei ihrer Wahl zur Kommissionspräsidentin vor zwei Jahren wohl keine Mehrheit gehabt. »Wir alle müssen lernen, dass volle Rechtsstaatlichkeit immer unser Ziel ist, aber keiner ist perfekt«, sagte sie nach ihrer Nominierung in einem Interview der »Süddeutschen Zeitung«. Über so viel Verständnis haben sich die Machthaber in Warschau und Budapest gefreut. [….]
Wenn die Chefin der EU schon a priori ihr Plazet gibt, signalisiert, auf die gemeinsamen Werte zu pfeifen (wenn sie dafür im Amt bleibt) und Verständnis für Faschisten zeigt, lassen diese sich natürlich nicht zweimal bitten.
[….] SPIEGEL: Frau Barley, das Europäische Parlament stellt der EU-Kommission ein Ultimatum: Wenn diese nicht entschieden gegen Länder wie Polen oder Ungarn vorgeht, wo der Rechtsstaat in Gefahr ist, dann wollen die Abgeordneten die Kommission verklagen. Warum so konfrontativ?
Barley [Vizepräsidentin des EU-Parlaments]: Das ist ja eine lange Geschichte. Viktor Orbán regiert in Ungarn seit 2010, die PiS in Polen seit 2015. Beide versuchen, den Rechtstat nicht nur in ihren Ländern zu demontieren, sondern ihn in ganz Europa auszuhöhlen. Die EU wehrt sich nicht genug dagegen. Das wollen wir nicht länger hinnehmen. [……]
Ausgerechnet der größte Netto-Empfänger Polen, der 2020 sagenhafte 13,2 Milliarden Euro aus Brüssel erhielt, schert sich besonders wenig um die gemeinsame Rechtsordnung. Warschau tanzt der steinreichen niedersächsischen angeheirateten Adeligen so sehr auf der Nase rum, daß sie nach zwei Jahren nun doch so etwas wie eine Drohung ausstieß.
[…..] Beim aktuellen Streit geht es um ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, nach dem Teile des EU-Rechts nicht mit der Verfassung Polens vereinbar seien. Die Furcht in Brüssel und Straßburg: Polen könnte bald einzelne Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ignorieren. Von der Leyen drohte nun tatsächlich – mit schweren Sanktionen. So könnte es zu einem weiteren Vertragsverletzungs-Verfahren kommen, EU-Mittel könnten gekürzt werden, es könnten sogar die polnischen Stimmrechte bei EU-Entscheidungen mithilfe des „Artikel-7-Verfahrens“ entzogen werden. […..]
Man könnte annehmen, das Brexit-Beispiel mit den enormen ökonomischen Schwierigkeiten, die selbst das starke England außerhalb des EU-Dachs hat, sollte eine osteuropäische Nehmer-Nation wie Polen disziplinieren. Die Folgen eines Polexit wären so gravierend, daß die insgesamt eher EU-freundliche polnische Bevölkerung das PiS-Regime wegfegen könnte.
Tatsächlich sind der polnische Regierungschef Morawiecki und sein Meister Kaczyński offenbar die besseren Pokerer. Sie wissen wie sehr Brüssel nach dem Brexit weitere EU-Austritte fürchtet. Ein Polexit und womöglich Ungarexit wären zwei weitere fette Beweise für das Scheitern der EU.
Insofern sind die Brüsseler Kommissare bereit, sich bis zur Unkenntlichkeit zur Verbiegen, um Warschau im Boot zu halten.
[….] Es ist gut, dass von der Leyen sich nach langem Zaudern entschlossen hat, der Zersetzung der Union von innen nicht länger zuzuschauen. [….] Aber eins sollte bei aller Erregung über das polnische Verhalten nicht vergessen werden: Die EU muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um einen Austritt Polens zu verhindern. Denn ohne Polen ist die europäische Einigung unvollendet. [….] Ein Austritt Polens würde die Europäische Union ganz anders treffen als der Brexit. Großbritannien hat sich historisch stets am Rande des europäischen Spielfelds gesehen. Polen war immer mittendrin. Wenn Polen geht, dann bröckelt die ganze EU. […..]
(Ralf Neukirch, Spiegel, 20.10.2021)
Kommentator Neukirch hat da gewiss einen Punkt, der grundsätzlich dafür spricht, geduldig mit Polen und Ungarn zu sein. Noch zwei EU-Austritte wären ein katastrophales Signal.
Ich meine aber, daß Morawiecki und Orbán den Bogen dermaßen überspannt haben, daß ein Verbleib solcher Länder in der EU sogar noch gefährlicher wäre.
Jetzt ist mal Schluß mit lustig.
[….] Das war immer der Kurs von Frau Merkel und das ist auch der Ansatz von Ursula von der Leyen: Dialog, Brücken bauen, keine Konfrontation. Mittlerweile ist die polnische Regierung seit sechs Jahren im Amt und die ungarische seit elf Jahren. Wohin der Kurs des Dialogs geführt hat, sehen wir jetzt. In Ungarn kann man von Demokratie kaum noch reden. In Polen wird der Rechtsstaat ausgehöhlt. Wir sollten nicht die Fehler der vergangenen Jahre wiederholen. Es braucht jetzt konsequentere Maßnahmen. [….]
(EU-Vizeparlamentspräsidentin Barley, 19.10.2021)
Möge Olaf Scholz lange regieren, so daß er die Gelegenheit bekommt, bei dem nächsten großen EU-Postengeschacher mitzumischen, um dafür zu sorgen, daß die nächste EU-Chefin viel mehr Barley und viel weniger von der Leyen wird.
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