Montag, 26. Oktober 2020

Reuls Maß ist voll.

Er ist der härteste Sheriff der Innenminister und lässt sich für seine Gnadenlosigkeit von der konservativen Presse feiern. Herbert Reul, 68-Jähriger Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen.

Sein Chef Armin Laschet hält diese Personalie für wahltaktisch geboten, da er selbst als konsensorientiert gilt, braucht er einen Rechtsaußen im Kabinett, um die CDU-Wähler bei der Stange zu halten.

Das Vorbild lieferte das Duo Gerhard Schröder/Otto Schily.

Der Vergleich hinkt allerdings deutlich, denn Schily ist ein hochintellektueller musisch gebildeter Mann, der einst die Grünen gründete und als RAF-Verteidiger seinen strikten Glauben an den Rechtsstaat bewies.

Reul hingegen ist bloß ein ehemaliger Lehrer, der als Kohle-Lobbyist für die  Rheinenergie AG im EU-Parlament sitzend und Vorsitzender des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr die Inkarnation eines Interessenkonflikts gab.

Seit er 2017 in die Düsseldorfer Landesregierung wechselte, produziert er zuverlässig Skandale und Peinlichkeiten.

Insbesondere das Handling der Corona-Ausbrüche, der hanebüchenen Zustände in Billigarbeiter bei Großschlachtern und der Kette der rechtsextremen Vorfälle bei der NRW-Polizei, wie den Rassismus-Skandal der Essener Polizei, entglitten ihm komplett.

Durch sein „das sind alles nur Einzelfälle“-Mantra wurde der Innenminister zur Witzfigur Deutschlands.

Bundesweite Schlagzeilen machte Reul auch mit der Reform des Polizeiaufgabengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW), welches den Rechtsstaat vielfach aushebeln sollte und Polizeibeamten geheimdienstliche Vollmachten geben sollte.

Die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte schaffte er ab und verbreitete Lügen und Fehlinformationen über die Besetzung des Hambacher Forsts.

Rechtspoltisch agiert Reul wie ein Hobby-Trump. Klar verfassungswidrig forderte der Innenminister die Richter in NRW auf sich „mehr am Rechtsempfinden der Bevölkerung“ statt an Paragraphen zu orientieren.

Das „Erneuerbare Energien Gesetz“ lehnt der Kohle-Mann ebenso strikt ab, wie die Ehe für Alle. Genau wie Seehofer und Laschet lehnte Reul die Gleichstellung „mit der konventionellen Ehe“ kategorisch ab.

Von seiner besonders ekelhaften populistischen Seite zeigte sich Reul erneut am Wochenende.

[…..]  Nach dem Mord in Dresden mit einem syrischen Tatverdächtigen wird ein Ende des Abschiebestopps nach Syrien verlangt. „Rechtskräftig verurteilte Schwerkriminelle haben ihr Gastrecht in Deutschland verwirkt“, so NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). […..]

(HH MoPo, 26.10.2020)

Das passiert, weil Union und Grüne juristische Laien zu Justiz- und Verfassungsministern (Seehofer!) machen: Die plappern nach ihrem persönlichen erzkonservativen Empfinden daher und halten das für juristisch relevant.

Ich habe auch keine einzige Minute Jura studiert, aber den rechtspopulistischen Unsinn vom „verwirkten Gastrecht“ schon so oft gehört, daß ich ernsthaft erschrocken bin wie ahnungslos der NRW-Innenminister offensichtlich ist.

Mit diesem AfD-Sprech blamierten sich schon vor vier Jahren die Saarländischen Querfrontler Lafontaine und Wagenknecht.

Das Lob der Rechtspopulisten hat gerade noch gefehlt. „Frau Wagenknecht hat die Situation sehr schön auf den Punkt gebracht“, findet AfD-Vize Alexander Gauland. „Wer freiwillig zu uns kommt, hat sich wie ein Gast zu benehmen. Möchte oder kann er das nicht, indem er gewalttätig und respektlos seinen Gastgebern gegenübertritt, dann muss er sofort Deutschland verlassen.“   Er freue sich darüber, so Gauland, „dass die Linke dies nun genauso wie die AfD sieht“.   Einen Tag vorher hatte Sahra Wagenknecht ganz anderes zu hören bekommen – aus ihrer eigenen Truppe. Mit Vehemenz und nahezu geschlossen stellte sich die Linksfraktion gegen ihre Vorsitzende.   Deren Äußerung nach den Silvesterübergriffen in Köln („Wer sein Gastrecht missbraucht, der hat sein Gastrecht eben auch verwirkt“) sei nicht hinnehmbar, donnerten die Abgeordneten. Weil das Recht auf Asyl nicht verwirkbar sei. Weil man als Linke Solidarität und Menschenrechte gefälligst nicht in Frage zu stellen habe. Und weil ja wohl auch keiner ernsthaft daran denken könne, syrische Flüchtlinge zurück in die Folterkeller des Assad-Regimes zu schicken.

(Tagesspiegel, 14.01.2016)

Nur Reul begreift es immer noch nicht.

(….) Unsympathische Typen von irgendwo her, die jetzt in Deutschland leben, haben kein Gastrecht, weil es so etwas wie „Gastrecht“ juristisch gar nicht gibt.

Deutschland gehört auch keiner Person, die dieses ominöse Gastrecht gewähren oder entziehen könnte.

Menschen leben hier, weil sie hier geboren sind, legal eingereist sind, einen Anspruch auf Asyl oder zumindest einen Anspruch auf ein faires Verfahren haben.

Wer im Zusammenhang mit Flüchtlingen und Asylanten vom „Gastrecht“ fabuliert, ist entweder total verblödet, oder er triggert sich bewußt an die Sprache der Rechtsradikalen heran.

Diesen Ausfall kann ich der Linken Fraktionschefin nicht verzeihen. (…..)

(Das unheimliche Ehepaar, 20.10.2017)

Innenminister Reul fantasiert hier aber nicht nur von einem nicht existenten Gastrecht, sondern argumentiert gleich noch mit einer rassistischen Sippenhaft-Vorstellung.

Weil ein dunkelhäutiger Flüchtling schwer kriminell wurde, platzt Reul die Hutschnur und fürderhin empfiehlt er alle dunkelhäutigen Flüchtlinge so zu behandeln als gäbe es kein Asylrecht, kein internationales Recht und keinen bestialischen Bürgerkrieg in Syrien.

Shame on you, Reul.

Natürlich erwarte ich von dem Mann keinerlei Schamgefühl; er wird nicht von allein zurücktreten.

Natürlich erwarte ich von seinem Chef Laschet keinerlei Anstandsgefühl; er wird Reul nicht entlassen, weil Unruhe im Kabinett seinen Kanzlerambitionen schaden würde.

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