Der moderne deutsche
Christenmensch steckt in einem Dilemma.
So sehr er sich auch gegen
die Moderne wehrt; immer wieder wird er von ihr eingeholt.
Jahrtausende hat man
fröhlich Pogrome, Auto Dafés, Hexenverbrennungen, Folterexzesse unternommen.
Nun gehen ihm die Minderheiten aus, die man noch bashen kann.
Frauen werden inzwischen
Bischöfinnen und Kanzlerinnen, Schwarze werden Profigolfer und US-Präsidenten,
Schwule sind Außenminister und Fernsehstars, Juden wurden Talkshowmoderatoren
und Popstars, Schwerbehinderte brillieren als Opernsänger und Physikgenies, Muslime
verdingen sich als Universitätsprofessoren und Nobelpreisträger. Sogar Sachsen
und Österreicher werden zunehmend als echte Menschen akzeptiert, die man nicht diskriminieren
sollte.
Da muß doch verdammt noch
mal irgendeine Minderheit übrig sein, auf die man eindreschen kann!
Als eine der letzten Bevölkerungsgruppen
mit dem „Tritt mich“-Schild auf dem Rücken, halten jetzt die Sinti und Roma
her.
Daß Deutschland rund eine
halbe Million von ihnen ins Gas geschickt hat, wird gerne verdrängt. Während
man sich in Deutschland sehr früh um eine Art Aussöhnung mit Israel bemühte („wiedergutmachen“
kann man da freilich nichts), hat man andere Opfergruppen sechzig, siebzig
Jahre am ausgetreckten Arm verhungern lassen.
Ganz zuletzt kamen auch die
ungeliebten „Zigeuner“ an die Reihe.
Am 24. Oktober 2012 wurde in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas im Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeweiht. Dreißig Jahre nach der Anerkennung des Völkermordes durch den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt wurde damit das Schicksal der 500.000 während des Holocaust ermordeten Sinti und Roma gewürdigt.
(Zentralrat.Sintiundroma)
Homophobie und
Antisemitismus existieren selbstverständlich nach wie vor in Deutschland. Genau wie der Antiziganismus.
Aber für antischwule und
antijüdische Vorbehalte schämt man sich wenigstens ein bißchen. Sicher,
Umfragen besagen, daß ein erklecklicher Prozentsatz von rund einem Drittel der
Deutschen keine schwulen oder jüdischen Nachbarn haben will, aber sobald so
ein Ergebnis veröffentlicht wird, geben sich alle „betroffen“ und machen ein
trauriges Gesicht.
Bei Sinti und Roma ist der
Deutsche freier von Betroffenheitsritualen und kann gelöst seinen Vorurteilen
frönen.
Gibt man bei der
Google-Bildersuche „Sinti und Roma“ ein, bekommt man als erstes die Klischeebilder, mit denen der rassistische Stimmungsschürer Innenminister
Friedrich zu gerne spielt.
Der CSU-Mann läßt keine
Gelegenheit aus im biologistisch-rassistischen Jargon gegen „diese Leute“ zu
hetzen. Sie würden Deutschland überrennen und ausbeuten.
Für ein paar erhoffte
Stimmen vom rechten Rand mehr, gibt der deutsche Verfassungsminister den Ausländerfeind
par excellence und tritt in der EU für Zuzugsbeschränkungen ein. Korrekte Zahlen sind ihm dabei nur im Weg. Was kümmert da
schon das lästige EU-Recht?
Bis heute ist Antiziganismus - so
nennt man den rassistischen Reflex, das Volk der Sinti und Roma zu diffamieren
- gesellschaftsfähig.
Erst 1982 sprach der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt den Sinti und Roma den Opferstatus zu, fast vierzig Jahre nach Kriegsende. [….] Das Allensbacher Institut [ermittelte]: 68 Prozent aller Deutschen lehnen es ab, neben einer Zigeunerfamilie zu wohnen. Weil sie fürchten, bestohlen zu werden; weil sie glauben, dass von Zigeunern eine irgendwie ungute Schwingung ausgeht. Vielleicht auch, weil den Deutschen trotz Zigeunerbraten, Zigeunersoße und Zigeunerbaronen kein Volk so fremd vorkommt wie das der Sinti und Roma. 'Wir sind die Minderheit, die die größte Xenophobie auf sich zieht', sagt [der Vorsitzende des Landesverbands der Sinti und Roma in Baden-Württemberg] Daniel Strauß, 'der gesellschaftliche Antiziganismus ist nach wie vor salonfähig.'(SZ 24.05.12)
Gleichzeitig sieht der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in den Diskussionen und Dokumenten zur Politik auf der europäischen und den nationalen Ebenen eine Tendenz, die bestehende Marginalisierung von in einzelnen Mitgliedsstaaten großen Teilen der Roma-Bevölkerung als für die gesamte Minderheit geltendes Charakteristikum festzuschreiben. Damit wird die Wahrnehmung der Minderheit auf bestehende Stereotype reduziert. So können die Berichte der Europäischen Kommission mit ihrer Fokussierung auf die sozialen und wirtschaftlichen Probleme das Bild der Roma-Minderheiten als einer vorgeblich „europäischen sozialen Randgruppe“ reproduzieren. Ebenso stigmatisierend sind die offen oder unterschwellig transportierten Stereotype, die auf eine angebliche‚ besondere Lebensweise und Kultur‘ von Sinti und Roma abheben, die wiederum Ursache für deren unzureichende Integration seien.
Hier wirkt der gleiche Mechanismus, durch den der gesamten Minderheit aufgrund einer konstruierten, fremden Kultur‘ die Ursache für bestehende Benachteiligung zugeschrieben wird. Diese Tendenz, die nationalen Minderheiten der Sinti und Roma in Europa sowohl als marginalisierte als auch als fremde Kultur zu beschreiben, wirkt in sich gegenseitig verstärkender Weise ausgrenzend und ist damit der Zielsetzung der Europäischen Union, die gleichberechtigte Teilhabe von Sinti und Roma zu gewährleisten und zu verbessern, entgegengesetzt. Jedes Programm muss diesem Zusammenhang Rechnung tragen und darf nicht zu einer neuen Form von Ausgrenzung und Segregation führen
Für Merkels am christlichen
Menschenbild orientierte Politik ist das irrelevant.
Ihr „C“-Partei-Innenminister
hetzt fröhlich weiter und betont, daß überdurchschnittlich viele Bettelarme
aus Rumänien nach Deutschland strömten.
In Wahrheit gibt es nur
eine Rumänische Bevölkerungsgruppe, die in überdurchschnittlichem Maße nach
Deutschland strömt.
Wie mir auch schon in vielen Krankenhäusern
auffiel.
Einer meiner Nachbarn ist
übrigens pensionierter Atomphysiker, der lange an der Uni Nuklearchemie unterrichtete.
Er stammt aus Bukarest.
Aber von diesen Rumänen
redet die Bundesregierung nicht gern.
Rumänen, Bulgaren, Roma – all das
gerät inzwischen durcheinander.
Deutsche Roma verstecken sich inzwischen und
versuchen niemanden ihre wahre Identität erkennen zu lassen.
Was ist Deutschland manchmal
nur für ein unsympathisches Land.
Ich bin ehrlich: Erst, als ich mich intensiver mit dem Thema befasste, fiel mir Friedrichs Hetze auf. Anlass für eine Auseinandersetzung war Martin Korol aus Bremen (Katholik, SPD), der auf seiner Homepage über Sinti und Roma herzog. Ich erwähnte das schon.
AntwortenLöschenNatürlich ist das Gift für jede Integrationspolitik, was Friedrich da tat. Er goß Benzin ins Feuer. Letztendlich schob er die Fremdenfeindlichkeit damit wieder in die Mitte der Gesellschaft. Ich hatte das vermutlich überhört, weil ich nicht so genau zuhöre, wenn die reden. Die erzählen oft sowieso nur Mist.
Aber solche Botschaften, verfehlen ihre Wirkung nicht. Es ist fast so, als ob sich in einem Film alle 10 Minuten einer eine Marlboro ansteckt. Gleiches gilt für religionsbezogene Erwähnungen in Nachrichtensendungen oder Filmen. Das eine ist Schleichwerbung, das andere ist Schleichmissionierung. Hier etwas ausführlicher, was ich meine:
http://www.politikarena.net/showpost.php?p=481677&postcount=3
Praktisch genauso wirken politische Statements. "Multikulti ist gescheitert" hat ein jeder im Ohr.
Der Wahlkampf rückt näher. Und die schwarzgelbe Pest, fischt am rechten Rand nach Wählerstimmen. Eklig! Schädlich! Billig! CDU!
Stimmt schon, was Du sagst.
AntwortenLöschenAber als Friedrich zur EU-Sitzung abreiste, um diese Einreisebeschränkungen durchzusetzen, hat er eine ganze Kaskade von Interviews gegeben und saß auch in x Talkshows. Da kam es schon geballt mit seiner Hetze gegen „diese Leute“, die hier unerwünscht wären.
Deswegen ist er ja dann auch selbst zum Gegenstand der Berichterstattung geworden.
Bezeichnend, daß die Regierungschefin mit der Richtlinienkompetenz ihn einfach so machen läßt, ihn nicht zur Raison ruft und auch nicht verhindert, daß der Widerling bestehende EU-Verträge aufgrund eines antiziganen Vorurteils aushebeln will.
UNTERSTE Schublade!
LGT