Derzeit gehe ich mit vielen Meinungsartikel der von den Rechtsextremen
so genannten „Mainstreampresse“ d’Accord: Die CDU definiert ihre „Position der
Mitte“ mit der äquidistanten Abgrenzung
nach rechts (AfD) und links (Linke).
Die Hufeisentheorie des gesamten Parteipräsidiums, die
selbstverständlich bösartiger Schwachsinn ist, wird aber von dem liberaleren
Parteiflügel, der Ramelow zumindest nicht als verfassungsfeindlichen Kommunisten
ansieht, wie von dem Werteunionflügel, der große Schnittmengen mit den
Höcke-Nazis sieht, in Frage gestellt.
Der potentielle AKK-Nachfolger wird nach seiner Position
zwischen den beiden Hufeisenpolen bewertet.
Wird es ein Günther-Typ, der die Linke inzwischen als eine
normale demokratische Partei ansieht? Ein Merkel/AKK-Zentrist wie Ziemiak, der
weiterhin auf Äquidistanz besteht, oder gar ein Parteirechter wie Merz und
Spahn, die selbst immer wieder mal wie Gauland klingen?
In allen drei Fällen bleibt aber die CDU selbst ein
inhaltliches Vakuum, das selbst für nichts steht, sondern lediglich das hohle Gebilde
zwischen den beiden Außengrenzen ist.
Keiner definiert wofür die CDU eigentlich genau stehen soll
im dritten Jahrzehnt dritten Jahrtausends.
Hier besteht auch ein wesentlicher Unterschied zur SPD,
deren „Richtungsstreit“ unabhängig von den Positionierungen anderer Parteien
verläuft und sich stattdessen immer mit dem inneren Kern des
sozialdemokratischen Selbstverständnisses beschäftigt. Solidarität, soziale Gerechtigkeit,
Frieden.
Es gibt von Kahrs bis Kühnert keinen Dissens über diesen SPD-Nukleus, sondern im Grunde nur um Detailfragen mit welchen Rezepten man am besten die Ziele erreicht. Die Sozialdemokratie steht in Angesicht der Thüringen-Krise sehr gut da, weil von Esken bis Scholz alle gleichermaßen antifaschistische Überzeugungen teilen.
Es gibt von Kahrs bis Kühnert keinen Dissens über diesen SPD-Nukleus, sondern im Grunde nur um Detailfragen mit welchen Rezepten man am besten die Ziele erreicht. Die Sozialdemokratie steht in Angesicht der Thüringen-Krise sehr gut da, weil von Esken bis Scholz alle gleichermaßen antifaschistische Überzeugungen teilen.
Diese eisernen gemeinsamen Werte gibt es innerhalb der CDU
eben nicht. Sie zerlegt sich auch deswegen bei der Beschlussfassung über die
Partei-Außengrenzen, weil einige CDUler grundsätzlich Neonazis und
Antisemitismus ablehnen, während andere wichtige Mitglieder – zB Maaßen, Otte,
Mitsch – durchaus selbst für die AfD werben und spenden.
Natürlich ist Abgrenzung gegenüber den Nazis absolut
notwendig.
Demokratische Parteien dürfen sich nicht an AfD-Positionen
heranwanzen, Journalisten sollen ihn nicht ständig Werbezeit verschaffen.
Aber es reicht auch nicht negativ zu formulieren und
lautstark zu erklären was man weshalb alles nicht will.
Der gemeine Lanz-Gucker ist nicht die hellste Kerze auf dem
Kuchen und nimmt das schnell als „ständigen Streit“ wahr, wendet sich ab.
Wichtiger ist es ein positives Narrativ zu entwickeln, also
nicht immer an die Wand zu malen was schief geht, sondern auch Ängste zu
nehmen, indem man durch Erfolgsgeschichten Assoziationen verändert.
Das Thema „Flüchtlinge“ wird beispielsweise quer durch alle
Parteien negativ konnotiert. Sie übertreffen sich so sehr mit Bekenntnissen zum „Stopp
des Stromes“, dazu sich abzuschotten, Grenzen zu kontrollieren, fordern „2015
darf sich nicht wiederholen“ (AKK), daß positive Gefühle entweder gar nicht
mehr gesagt oder sofort diffamiert werden.
Ich habe immer wieder die vielen moralischen Grunde genannt,
weswegen Deutschland noch mehr Migranten aufnehmen sollte, erhalte für einige
dieser Argumente gelegentlich sogar zähneknirschende Zustimmung. Auch
Konservative geben gelegentlich zu, daß sie den Erdogan-Deal für falsch halten,
Waffenexport-Rekorde in Krisengebiete kontraproduktiv sind und es auch nicht
förderlich für afrikanische Kleinbauern und Fischer ist, wenn extrem hoch
subventioniertes EU-Billigfleisch massenhaft auf ghanaischen Wochenmärkten
landet und EU-Flotten afrikanische Küstengewässer leerfischen.
Aber dahinter steht der Gedanke, daß eine Änderung dieser
Politik den Migrationsdruck verringern könnte und dadurch endlich weniger
Ausländer zu uns kämen.
Ich hingegen bekämpfe auch Politik, die Migrationsdruck
ausübt und Menschen gegen ihren Willen zwingt ihre Heimat zu verlassen, aber
ich mag Migranten und habe sie gern um mich.
Heute habe ich beispielsweise bei meiner Arbeit einen jungen
Artisten aus der Ost-Ukraine kennengelernt, der nach einem Engagement in Las
Vegas in einem Hamburger Musicaltheater für ein Jahr engagiert wurde.
Er spricht gar kein Deutsch und nur ein paar Brocken
englisch. Es ergab sich dann so, daß ich ihn einmal quer durch die Stadt zu seinem
Job fuhr, weil ich gerade Zeit hatte und er aufgrund der noch fehlenden
Sim-Card kein Taxi rufen und konnte und auch keine Übersetzungsapp starten
konnte.
Da saßen wir nun zusammen im Auto, er weniger als halb so
alt wie ich, aus einem anderen Teil der Welt, mit völlig anderem Beruf. Wir
hatten keine Gemeinsamkeiten. Und genau das war meine spannendste Begegnung
seit Wochen. Auch, weil wir erst mal herausfinden mussten, wie man sich
verständigt.
Es gibt doch nichts Interessanteres als mal eine ganz andere
Lebens- und Weltperspektive zu erleben. Außerdem führt das immer dazu seine
eigenen Gewohnheiten in Frage zu stellen.
Es gefällt mir einfach grundsätzlich mit Menschen aus ganz
anderen Kulturkreisen zu sprechen. Wenn die litauische Gemüseverkäuferin mir Details
aus ihrem heimischen Gesundheitswesen und der neue Physiotherapeut aus Eritrea von
den Landschaften und Sitten seiner Jugend erzählt, ist das doch viel schöner
als immer nur Ur-Hamburger um sich zu haben, die alle das Gleiche erlebt haben.
Und ja, ich gebe zu, es gefällt mir auch meine eigenartigen drei Namen aus drei
verschiedenen Ländern zu erklären. Darunter nichts deutsches und nichts
amerikanisches, obwohl ich in Hamburg geboren bin und die US-Staatsbürgerschaft
habe. Ich bin nicht ganz so „ethnisch schmutzig“ wie es Peter Ustinov immer
über sich selbst sagte, aber doch schon deutlich verunreinigt. Und das ist auch
gut so.
Ich will nicht nur deutsche Musik hören, ich will gar keine
deutschen Fernsehserien gucken, ich erfreue mich am Anblick ganz anderer
Kleidungsstile und begrüße selbstverständlich aus vollem Herzen die gewaltige kulinarische
Auswahl, die inzwischen jedem Deutschen zur Verfügung steht.
Mich faszinieren aber auch Youtuber aus fernen Ländern, die
Urlaube oder auch längere Aufenthalte in einer deutschen Stadt verbringen und
aus ihrer Sicht erklären was sie von den Deutschen Sitten halten.
Viele mögen Deutschland sehr, einige wollen für immer bleiben, andere
teilen ihr Insiderwissen über das typisch
deutsche Essen Döner.
Diese gegenseitige kulturelle Befruchtung ist doch ein Segen
für alle Beteiligten!
Ich mag auch gerne einen deutschen Eintopf oder Rotkohl, aber doch bitte nicht ausschließlich und für den Rest meines Lebens!
Ich mag auch gerne einen deutschen Eintopf oder Rotkohl, aber doch bitte nicht ausschließlich und für den Rest meines Lebens!
Ich liebe deutsche Wälder, aber meine Straße wird einmal im
Frühjahr rosa-rot, weil eine ganze Allee aus japanischen Kirschbäumen blüht.
Die Japanische Gemeinde Hamburgs hatte nämlich Anfang der 1960er Hamburg 5.000 Kirschblütenbäume geschenkt,
die alle als Straßenbäume gepflanzt wurden.
Das ist eine Augenweide; wir alle erfreuen uns jedes Jahr darüber. Und niemand muss deswegen eine deutsche Eiche
oder Pappel weniger gern haben.
Für die hartnäckigen Kulturverächter bleiben natürlich immer
noch die ökonomischen Argumente für die Zuwanderung, die ich seit Jahren immer wieder
belege.
Die staatlichen Ausgaben für die Flüchtlinge in den Jahren
2015 und 2015 haben als gewaltiges Investitionsprogramm gewirkt, den
Handwerkern volle Auftragsbücher beschert und Deutschland gegen den Trend ein
kräftiges Wirtschaftswachstum verpasst.
Die zusätzlichen Arbeitskräfte durch Migranten werden in
Deutschland nicht nur dringend gebraucht, sondern die Wirtschaftsverbände
mahnen nachdrücklich mehr und zusätzliche Migration nach Deutschland an, weil so
viele Branchen bedingt durch den Fachkräftemangel ihre Produktion drosseln, bzw
Aufträge nicht annehmen können.
Aber auch die nackten Finanz-Zahlen belegen den
segensreichen Einfluss der Flüchtlinge auf den Staatshaushalt.
[….] Die Beiträge von Migranten haben die Gesetzliche Krankenversicherung
seit 2012 um acht Milliarden entlastet.
[….] Ohne Zuwanderung wäre die Beitragsbelastung der 73 Millionen gesetzlich
Krankenversicherten höher. „Die Zuwanderung seit 2012 bedeutet für die
Gesetzliche Krankenversicherung eine Entlastung in Höhe von etwa acht
Milliarden Euro im Jahr oder umgerechnet 0,6 Beitragssatzpunkte“, fasst
TK-Finanzchef Thomas Thierhoff die Ergebnisse der Datenanalyse zusammen.
[….] Dabei stieg die Zahl der Versicherten nach den nun von der TK
vorgelegten Daten von 2013 bis 2019 durch Zuwanderung um 4,7 Millionen. Allein
die Zuwanderer der vergangenen sieben Jahre stellen also 6,4 Prozent der
aktuell gesetzlich Versicherten in Deutschland.
2019 zahlten diese 6,4 Prozent 16,8 Milliarden Euro an Beiträgen in den
Gesundheitsfonds ein, von dem die Beitragsgelder an die gesetzlichen Kassen
verteilt werden. Der Anteil der Zuwanderer an den Gesamtbeitragseinnahmen
betrug damit 7,9 Prozent.
[….] Dazu Thierhoff: „Wir vermuten, dass Zuwanderer weniger beitragsfrei
mitversicherte Familienangehörige haben und schon deshalb einen etwas
überproportionalen Beitrag zur Finanzierung der GKV leisten.“ [….] Auch die Annahme, Zuwanderer würden mehr
Leistungen bei den Krankenkassen in Anspruch nehmen, als sie an Beiträgen
einzahlen, kann mit den von der TK hochgerechneten Daten widerlegt werden. [….]
Zuwanderer aus den Jahren 2013 bis 2019
stellten im vergangenen Jahr 6,4 Prozent der Versicherten. Sie zahlten 7,9
Prozent der Kassenbeiträge, nahmen aber nur 3,5 Prozent der Ausgaben in
Anspruch. Sie zahlen also doppelt so viel ein, wie sie für
Gesundheitsleistungen entnehmen. [….] (Peter Thelen,
11.02.2020)
Es wäre so schön, wenn wenigstens Sozialdemokraten auch
diese Geschichten erzählten, wenn sie schon bei den trotteligen Wills, Plasbergs
und Lanzens neben Weidel und Sarrazin sitzen müssen.
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