Hamburg, meine heißgeliebte Heimat, ist keine Weltstadt wie London oder New York, aber man hat den Namen vermutlich doch auch international schon mal gehört, weil Hamburg ein wichtiger Handelsplatz ist.
Nirgendwo in der Welt (außer in NY) gibt es so viele Konsulate und durch den boomenden zweitgrößten Hafen Europas (nach Rotterdam) werden hier weit über 120 Millionen Tonnen Güter im Jahr umgeschlagen.
Im neuntgrößten Hafen der Erde, der kontinuierlich vergrößert wird, arbeiten derzeit 40.000 Menschen. Wir werden von jährlich 10.000 Schiffen angelaufen und so gibt es doch einige stadttypisch Dinge, die über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannt sind - die Reeperbahn zum Beispiel.
Grundsätzlich geht es hier aber gediegen zu. Hochhäuser gibt es nicht und da Hamburg nie Hauptstadt oder Sitz eines Fürsten war, sondern eine lange Tradition als freie Bürgerstadt hat, verbinden sich mit dem Namen auch keine historischen oder politischen Mega-Ereignisse.
Als eine der Kernstädte der Hanse ist Internationalität in Hamburg seit Jahrhunderten ausgeprägter als in allen anderen deutschen Städten.
Das Hamburger „Platt“ (plattdüütsch) ist im Grunde ein Mix aus deutsch, englisch, friesisch, niederländisch und französisch. Ganz offensichtlich gibt es also eine lange Tradition von anderen Sprachen in den Gassen der Stadt, so daß sich daraus ein eigener Dialekt herausbildete.
Jeder Hamburger Jung, der mit ein bißchen „Platt“ aufgewachsen ist, wundert sich, wenn er in Kopenhagen oder Amsterdam ist, wie viel er von den dortigen Idiomen versteht.
Extreme politische Ideologien haben stets einen Bogen um Hamburg gemacht, da man hier immer weniger isoliert als in anderen deutschen Städten und außerdem durch die vielen internationalen Verbindungen wohlhabend war.
Die NSdAP war in Hamburg immer unterdurchschnittlich stark und gewann ihre maximale Stärke am 05.03.1933 mit 38,9%.
(Zum Vergleich: Frankfurt an der Oder: 55,2%, Schleswig-Holstein: 53,2%, Osthannover: 54,3%, Hessen: 49,4%, Ostpreußen: 56,5%.)
Der von Hitler eingesetzte Hamburger Gauleiter Karl Kaufmann bekam, wie die anderen Stadtkommandanten auch, zum Ende des Zweiten Weltkrieges den Befehl die Stadt unter allen Umständen zu halten und zu kämpfen bis alle tot wären.
Was das bedeutete, weiß man aus dem „Endkampf“ um Berlin oder der „Festung Breslau“ in der von Januar 45 bis April 1945 in einem vollkommen sinnfreien Kampf noch einmal 90 % der Gebäude zerstört wurden und nach Schätzungen des britischen Historikers Norman Davies insgesamt 170.000 Zivilisten, sowie 6.000 deutsche und 7.000 sowjetische Soldaten ums Leben kamen.
Kaufmann, der Chef von Hamburg, sollte vor den anrückenden Briten die Elbbrücken sprengen und eine ebensolche Nero-Aktion starten. Stattdessen sagte er sich „Scheiß auf Hitler“, ging den Engländern entgegen und übergab ihnen gewissermaßen die Stadtschlüssel. Kein einziger Schuss fiel mehr.
Selbst die Hamburger Nazis waren also etwas lasch.
Nach 1945 blieb Hamburg stets liberaler als der Rest Deutschlands.
Die SPD stellte 44 Jahre ununterbrochen den Bürgermeister und unter den Sozis mauserte sich die Hansestadt zur reichsten Region der gesamten EU.
Unglücklicherweise sind die Hamburger im Jahr 2001 unter massiver Propaganda der Springer-Zeitungen, die hier ein 95%-Monopol haben, dem Wahnsinn anheimgefallen und wählten den Torfkopp Beust.
Nicht nur, daß Beust ein CDU-Mann war, nein er zimmerte sich auch noch eine Koalition der Ultrapeinlichkeit zusammen und regierte Schulter an Schulter mit dem durchgeknallten rechtshetzerischem Kokser Ronald Schill und dem politisch irrlichternden FDP-Admiral Lange.
Es dauerte zehn Jahre mit gruseligsten Typen wie Roger Bangebüx Kusch, Christoph Frostköddl Ahlhaus und Katharina Jiddelpott Fegebank bis die Hanseaten sich sammelten und die Luschbuddeln wieder in die Opposition schickten.
Glücklicherweise ist nun wieder Ruhe eingekehrt.
Bürgermeister Olaf Scholz reagiert solide und die letzte Polit-Umfrage ergab 51% für die SPD und 20% für die CDU.
Nun machen wieder andere die Hamburger Schlagzeilen.
Zum Beispiel gibt es hier Europas größten Apple-Flagshipstore.
Nicht daß ich den Sinn der Apfel-Manie verstünde; offenbar handelt es sich dabei um einen esoterischen Kult und ich bin von meiner Persönlichkeitsstruktur her nicht anfällig für bizarre Sekten.
Die Aktivisten skandieren […] lautstark “Apple beutet aus” oder “Apple schert sich einen Dreck”. “Die Occupy-Bewegung begrüßt Sie. Wir empören uns gegen Ausbeutung für Profit” und “Apple verhöhnt die Menschenrechte”. Sie verteilen Flyer und angebissene Äpfel. Auf einem Transparent steht “Keine Sklavenprodukte als Lifestyle verkaufen”. Apple-Mitarbeiter in den bekannten blauen T-Shirts versuchen, die Aktivisten zum Aufhören zu bewegen und sammeln die Flyer wieder auf, bleiben aber passiv, ebenswo wie der hauseigene Sicherheitsdienst. Die Kunden wirken ratlos, die Aktivisten ziehen die ganze Aufmerksamkeit auf sich.
Eine schöne Aktion, die die kultische Verehrung des einzigen Milliardärs Amerikas, der grundsätzlich jeden Cent für sich behält und nie einen Dollar für wohltätige Zwecke spendete, konterkarierte.
Steve Jobs wird von den Amerikanern geliebt, obwohl er eins der typischen Problem-Imperien führte, welches komplett in China zu Dumpinglöhnen fertigen läßt und zur Supermisere der US-Arbeitslosigkeitsquote beiträgt.
Hauptzulieferer für Apples iPods, iPhones und iPads ist der Taiwanesische Konzern Foxconn, der seine 800.000 Arbeiter so unfassbar brutal ausbeutet, daß vielen von ihnen aus purer Verzweiflung nur der Suizid bleibt.
Allein 2010 stürzten sich 14 völlig ausgemergelte Foxconn-Mitarbeiter vom Firmendach in den Tod.
Employees work excessive overtime, in some cases seven days a week, and live in crowded dorms. Some say they stand so long that their legs swell until they can hardly walk. Under-age workers have helped build Apple’s products, and the company’s suppliers have improperly disposed of hazardous waste and falsified records, according to company reports and advocacy groups that, within China, are often considered reliable, independent monitors.
More troubling, the groups say, is some suppliers’ disregard for workers’ health. Two years ago, 137 workers at an Apple supplier in eastern China were injured after they were ordered to use a poisonous chemical to clean iPhone screens. Within seven months last year, two explosions at iPad factories, including in Chengdu, killed four people and injured 77. Before those blasts, Apple had been alerted to hazardous conditions inside the Chengdu plant, according to a Chinese group that published that warning.
300 Mitarbeiter eines Foxconn-Werkes in Wuhan, welches auch die Xbox 360 hergestellt, drohten am 2. Januar 2012 gemeinsam in den Tod zu springen.
Für Apples unfassbare Profite müssen hunderttausende Chinesen unter härtesten militärischem Drill mindestens 15 Stunden pro Tag arbeiten; Monatslohn 150 Euro.
Sie werden gezwungen in Zehn-Mann-Zimmern in zugigen Barracken auf dem Firmengelände zu übernachten, dürfen nur zu streng limitierten Zeiten aufs Klo gehen.
Um die 60% Gewinnmarge pro iPhone zu erreichen, werden die Arbeiter psychisch und physisch so gequält, daß ihnen der Tod wie eine Erlösung vorkommt.
Die Firmenleitung ließ inzwischen übrigens offiziell den Mitarbeitern Suizide verbieten (sic!) und spannte kurzerhand Netze unter die Dachkannten, so daß man sich andere Selbsttötungsmethoden überlegen muß.
Apple hätte selbstverständlich die Macht andere Arbeitsbedingungen durchzusetzen, aber das könnte womöglich die gigantischen Profite schmälern und die sind allemal wichtiger als chinesische Menschenleben.
Some former Apple executives say there is an unresolved tension within the company: executives want to improve conditions within factories, but that dedication falters when it conflicts with crucial supplier relationships or the fast delivery of new products. Tuesday, Apple reported one of the most lucrative quarters of any corporation in history, with $13.06 billion in profits on $46.3 billion in sales. Its sales would have been even higher, executives said, if overseas factories had been able to produce more.
Um Menschenleben zu retten helfen nur Kaufboykotte, so wie auch Schlecker in Deutschland durch das Wegbleiben von sechs Millionen Kunden gestoppt wurde.
Unglücklicherweise sind die Kunden dazu (noch) zu desinteressiert, verblödet und verantwortungslos.
Bleibt zu hoffen, daß Aktionen wie die von vorgestern in Hamburg Öffentlichkeit herstellen.
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