Das Willy-Brandt-Haus (WBH) arbeitet fleißig, wie ein Bienenstock. Während des Wahlkampfes wurde ich täglich auf allen Kanälen mit Informationen geflutet. Kurz nach der Wahl erreichte mich ein Rundschreiben, in welchem sich die Partei der Aktualität meiner Kontaktdaten versicherte. Schließlich sollen möglichst viele Parteibuch-Sozen am Mitliedervotum teilnehmen. Es gab viele Gelegenheiten, Fragen zu stellen, sich auszutauschen und zu Informationsveranstaltungen mit Parteipromis zu gehen. Alle, die sich über „die da oben“ in der Politik beschweren, sollten in eine Partei eintreten. Es lässt sich leicht von außen meckern. Tatsächlich sind Parteien aber demokratische Diskussionsplattformen, die sich über neue Mitglieder freuen und in denen jeder sofort partizipieren kann. Aber ehrenamtliche Arbeit kostet viel Zeit; da lästert es sich doch viel einfacher fernab der Parteien, indem man seine auf Tiktok und X generierten Vorurteile kultiviert und „Merkel/Scholz muss weg“ grölt.
Heute erreichte mich per Messenger eine der Nachfragen aus dem WBH, ob ich schon über den CDUCSUSPD-Koalitionsvertrag abgestimmt hätte und lud mich erneut dazu ein.
Glücklicherweise habe ich bereits vor zehn Tagen abgestimmt und das getan, was getan werden musste. Über Merz, die Themen, den Vertrag, Söder, die Mehrheitsverhältnisse und die Wähler habe ich mich wirklich die Pest geärgert, aber mit Weidel und Höcke ante portas, denen der deutsche Urnenpöbel unaufhaltsam in immer größerer Zahl zuläuft, bleibt keine Wahl.
Ich bin froh, die elende Angelegenheit schon vorletzte Woche abgehakt zu haben, denn nachdem ich heute die Personalliste der Union sah, hätte ich es nur noch mit schweren Magenkrämpfen und Brechdurchfall geschafft mit „ja“ zu stimmen.
Was ist das nur für ein schwarzbrauner Personal-Alptraum, den sich die beiden großen C-Männer zusammengestümpert haben?
Homophobe, Klimawandelleugner, Energielobbyisten, Rechtsextreme, mehrere erprobte Totalversager und Typen, die sich die eigenen Taschen vollmachen.
Die radikal homophobe Katherina Reiche, die 2002 gegen das rotgrüne „Homo-Ehe Light“-Gesetz eine Verfassungsklage unterstützte, ist so rechts, daß sie vor sechs Jahren selbst von Jens Spahn dafür kritisiert wurde. Mit Merz kommt das mittelalterliche Schwulenbild zurück.
[…] Die Empörung im Netz
ist riesig: "homophob", "Hasspredigerin gegen
Homosexuelle", "Unsinn" ist da seit gestern zu lesen. Es geht um
Katherina Reiche, Staatssekretärin im Bundesumweltministerium,
Bundestagsabgeordnete und einstige Familienministerin in spe im
Schattenkabinett von Edmund Stoiber. Die hatte in der Bild-Zeitung "klare
Kante in der Debatte um die Homo-Ehe" gezeigt, unter anderem mit dem
Zitat: "Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in
gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Neben der Euro-Krise ist die
demografische Entwicklung die größte Bedrohung unseres Wohlstands". Und:
„Die Union muss ganz klar sagen, dass sie auf Familie, Kinder, Ehe setzt. Die
Gesellschaft wird nicht von kleinen Gruppen zusammengehalten, sondern von der
stabilen Mitte.“ Daraufhin brach im Netz
ein Wutsturm aus. Der war so heftig, dass die Politikerin ihre eigene
Facebook-Seite erst einmal vom Netz nahm. Doch die Empörung bricht sich weiter
Bahn, unter anderem auf der kurz darauf ins Leben gerufenen Facebook-Seite[…]
"Gerade von Ihnen hätten wir erwartet, dass Sie aufgrund Ihres eigenen
unehelichen Kindes wissen, dass Familie im 21. Jahrhundert nicht automatisch
„Ehemann + Ehefrau + Kinder“ heißt. Ihre Aussagen sind ein Schlag ins Gesicht
aller Familien, die nicht Ihrer tradierten Normen entsprechen." Und kommen
zu dem Schluss: "Frau Reiche, Sie sehen keine Zukunft für ein Deutschland,
in dem Homosexuelle dieselben Rechte haben wie Heterosexuelle - wir sehen daher
keine politische Zukunft für Sie in der deutschen Politik des 21.
Jahrhunderts." […] Der
CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn twitterte: "Lasse mich und mein Leben
nicht indirekt als "Bedrohung unseres Wohlstandes" diffamieren. Da
geht die Kollegin zu weit." Und die Junge Union Potsdam, dem Wahlkreis von
Reiche, veröffentlichte eine Mitteilung, in der sie sich "entsetzt über
die Äußerungen" zeigte: "Das humanistische Weltbild Frau Reiches
scheint an ihrem Gartenzaun zu enden.", so der Kreisvorsitzende der JU Potsdam,
Tino Fischer, selbst bekennend homosexuell. „Frau Reiche ist mit ihren Ansichten
auf weiter Linie alleine innerhalb der Partei", resümierte der Vorsitzende
des Regionalverbands Ost der Lesben und Schwulen in der Union, Martin Och.
[….]
(FR, 20.01.2019)
Die „regierungsamtliche Rechtsauslegerin und Dunkelfrau Reiche“ fiel keineswegs nur mit ein paar unbedachten schwulenfeindlichen Aussagen auf, sondern bekämpft jede Gleichstellung seit Jahrzehnten. Heute lebt die 1973 in Luckenwalde geborene Chemikerin mit dem sagenhaften Lügen-König Karl-Theodor von und zu Guttenberg zusammen. Ihre Ehe mit dem Affären-geplagten CDU-Rechtsaußen Sven Petke hielt wohl nicht so lange, wie es sich für eine Erzkatholikin gehört.
Politische Affären, ultrarechte menschenfeindliche Einstellungen und staatsanwaltliche Ermittlungen sind für Merz offenbar kein Hinderungsgrund, um eine Eon-Lobbyisten zu bestellen.
[…] Als
Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin hatte Reiche aus ihrer Abneigung
gegenüber Schwulen und Lesben nie einen Hehl gemacht. Bereits bei Einführung
des Lebenspartnerschaftsgesetzes erklärte sie, es sei ein "Angriff auf Ehe
und Familie", wenn gleichgeschlechtliche Paare rechtlich anerkannt werden.
Sie hoffte damals, dass das Bundesverfassungsgericht die Lebenspartnerschaft
wieder abschafft. Danach fiel sie immer wieder durch homophobe Ausbrüche auf:
2011 sagte sie in einer Talkshow, dass sie lesbische und schwule Paare als
"nicht normal" ansehe (queer.de berichtete). Ein Jahr später erklärte sie in
einem Interview mit der "Bild"-Zeitung, dass Homosexuelle eine Gefahr
für das Land darstellten: "Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien,
nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Neben der Euro-Krise ist
die demografische Entwicklung die größte Bedrohung unseres Wohlstands" (queer.de berichtete). Das führte zu
scharfer – auch innerparteilicher – Kritik und einem Shitstorm in sozialen
Medien. Die Kritik wurde von Reiche aber als "Intoleranz"
zurückgewiesen (queer.de berichtete).
Auch später polemisierte Reiche weiter gegen Homosexuelle. So behauptete sie
2012, dass die gleichgeschlechtliche Eheschließung zu "unendlich viel
Leid" führe, und warf Schwulen und Lesben "Hedonismus" vor (queer.de berichtete).
Vor vier Jahren hatte sich
Reiche aus der Politik verabschiedet und wurde Hauptgeschäftsführerin des
Verbandes kommunaler Unternehmen (queer.de berichtete). Nun soll sie zum 1. Januar 2020
als Vorsitzende der vierköpfigen Geschäftsführung des Tochterunternehmens
Innogy Westenergie zum E.on-Konzern wechseln – und damit eine der größten und
wichtigsten operativen Einheiten im deutschen Netzgeschäft leiten. Die
Personale sei "politisch getrieben" und "bereits im Vorfeld der
Verkündigung bei E.on umstritten", berichtete die "WirtschaftsWoche".
Reiche sei in Sachen Energiewirtschaft "eher unbedarft".
An die homophoben Tiraden der ehemaligen CDU-Politikerin hatte im vergangenen
Monat als erster der Nollendorfblogger Johannes Kram erinnert. Für ihn steht die Berufung
Reiches im klaren Widerspruch zu einem Diversitätsversprechen des Konzerns. [….]
Willkommen im Merzland 2025
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