Sonntag, 27. April 2025

Der US-Sadopopulismus

Seine Zustimmungswerte sind schwach; sogar FOX-News meldet das. Daher tobt Trump vor Wut.


Zum 100-Tage-Jubiläum gibt auch erste große Demonstrationen gegen seine Regierung.

Wirklich beunruhigen muss ihn das allerdings nicht. Seine Macht ist nicht nur nicht gefährdet, sondern er sitzt fester im Sattel, denn je. Der Welt-Intellektuelle, Historiker und Faschismus-Experte Timothy Snyder beantwortet die Frage, ob Trump Faschist ist, mit einem klaren „Ja“. Viele wollten sich diese Erkenntnis aber nicht eingestehen, weil das zum Handeln zwinge.

Trump dominiert Exekutive, Legislative und Judikative nach Belieben. Die Gewaltenteilung ist weitgehend entfallen. Letzte aufmüpfige Richter werden verhaftet.

[….] Es ist eine weitere Eskalationsstufe im Konflikt zwischen der US-Regierung unter Donald Trump und der Justiz: Am Freitag verhafteten Bundespolizisten des FBI in Milwaukee, Wisconsin, die Bezirksrichterin Hannah Dugan. Der Vorwurf: Behinderung der Justiz. Dugan, 65, hat sich vor ihrer Berufung als Richterin einen Namen als Sozialanwältin gemacht.

Acht Tage zuvor hatte Dugan vor Gericht eine Verhandlung wegen Körperverletzung gegen den mexikanischen Staatsbürger Eduardo Flores-Ruiz geführt. Noch während Flores-Ruiz vor ihrer Richterbank saß, erhielt sie die Information, dass insgesamt sechs Beamte vom FBI, der Ausländerbehörde ICE, des Zolls und der Drogenbehörde DEA vor dem Gerichtssaal ständen, um Flores-Ruiz festzunehmen. […]

(Bernd Pickert, 27.04.2025)

Presse und Notenbank, die man nicht zu den traditionellen drei Staatsgewalten zählt, die aber dennoch unabhängig von der Exekutive arbeiten sollen, bringt Trump ebenfalls längst unter seine Kontrolle. Es ist Faschismus.

[….] Donald Trumps Umbau der Vereinigten Staaten von einer der ältesten Demokratien der Welt zu einer protofaschistischen Kleptokratie schreitet beinahe ungebremst voran. Zwei der drei offiziellen Staatsgewalten hat der US-Präsident bereits weitgehend geschleift: Die Judikative, allen voran der Supreme Court , fällt entweder Urteile zu seinen Gunsten oder wird von Trump ignoriert. Die Legislative, den Kongress, umgeht der Präsident, der per Dekret regiert, weitgehend; die Republikanische Partei hat sich ihm ohnehin ausgeliefert.  Sein nächstes Opfer könnte die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) sein. Der US-Präsident liebäugelt damit, Fed-Chef Jerome Powell, den er selbst 2017 als obersten Währungshüter nominiert hatte, durch einen willfährigen Handlanger zu ersetzen. Der soll auf sein Geheiß die Leitzinsen niedrig halten, damit sich Amerikas Wirtschaft mit billigen Krediten vollpumpen und durch Zölle vor ausländischer Konkurrenz geschützt wachsen kann. Andere Schlüsse lassen Trumps Tweets und sonstige Äußerungen nicht zu. [….] Zwar gehört die Fed nicht zu den drei Staatsgewalten, die eine Demokratie im Kern ausmachen. Aber genau wie regierungskritische Medien und das Recht auf freie Meinungsäußerung gehört die politische Unabhängigkeit der Zentralbank zur DNA jeder liberalen, demokratischen Marktwirtschaft. [….]

(Tim Bartz, SPON, 23.04.2025)

Aufmüpfige Studenten, Filibusternde Demokraten oder Kongressmitglieder beim Sit-In muss der orange Autokrat wirklich nicht fürchten.

Die Masse der US-Amerikaner ist viel zu ungebildet, um zu antizipieren, was ihnen da gerade droht und wie wichtig es wäre, rechtzeitig zu handeln. Was das Ende der Rechtsstaatlichkeit für sie bedeutet, begreifen sie nicht.

[…..]  Abgesehen davon, dass es ethisch ohnehin unvertretbar ist, wenn man die Rechtsstaatlichkeit abschafft, führt das auch zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Das spielt sich gerade direkt vor unseren Augen ab. Aber wenn man nicht glaubt, dass die Demokratie in Gefahr ist, kann man auch nicht darüber reden, was das in einem breiteren sozialen oder wirtschaftlichen Sinn bedeuten würde. Und jetzt sind wir alle ein Jahr zu spät dran. Nicht alle. Aber das Land ist ein Jahr zu spät dran. Denn wir hätten das Jahr 2024 damit verbringen sollen, darüber zu reden, was passiert, wenn Oligarchen an der Macht sind, wenn es Zölle gibt, wenn die staatlichen Institutionen nicht funktionieren, und eben vor allem, wenn keine Rechtsstaatlichkeit mehr gibt. Das ist der eine Teil der Antwort.

Der andere Teil der Antwort ist, dass die Amerikaner sich selbst als außergewöhnlich ansehen. Dabei sind sie, sind wir sehr provinziell. Es fällt uns schwer, uns vorzustellen, dass es zu drastischen Veränderungen kommen könnte. Wenn es doch zu drastischen Veränderungen kommt, heißt es dann: Das ist noch nie jemandem passiert. So wird der Provinzialismus zu einem ständigen Gefühl der Überraschung. Ein Problem der Amerikaner ist, dass sie nicht mit Menschen aus Brasilien, den Philippinen, Polen, der Ukraine oder wo auch immer reden und denjenigen zuhören, die erfolgreiche Erfahrungen gemacht haben. Und soweit ich weiß, sprechen amerikanische CEOs auch nicht mit deutschen CEOs über die 1930er-Jahre und welche Lehren deutsche Geschäftsleute aus dieser Zeit gezogen haben. [….]

(Prof. Timothy Snyder, 25.04.2025)

Die SADOPOPULISTISCHE Ausprägung des Trump-Faschismus amüsiert die religiotischen Mitglieder des Trump-Kultes so hervorragend, daß sie darüber die Realität vollständig verdrängen.

[…..] Was ich mit Sadopopulismus meine, ist das Regieren durch die Verteilung von Schmerz. Man verspricht also nicht mehr, dass die Regierung allen helfen wird. Was sie sagen, ist, dass die Regierung im Grunde allen schadet, aber einigen mehr als anderen. Und sie bieten die Möglichkeit an, zum inneren Kreis zu gehören. Wir bieten ihnen die Möglichkeit, den Schmerz eines anderen als Voyeur zu erleben. Das ist es, was meiner Meinung nach so beliebt ist. Da stimme ich Ihnen zu, das ist jetzt eindeutig der Fall. Die Trump-Leute schieben ja nicht mehr Menschen ab als die Biden-Regierung. Aber sie machen daraus ein Spektakel des Schmerzes. Das ist ihr Stil. So wie die Angriffe auf Selenskij oder die Ablehnung von jedem, der versucht, etwas Positives in der Welt zu tun. Die Regierung funktioniert nicht wirklich, und alles, was sie tun können, ist, andere zu entlassen, zu verletzen, zu schikanieren, abzuschieben und zu überwachen. Und so gibt es eine Politik des Sadismus. Es ist mir nicht so wichtig, ob das jetzt jeder als Faschismus ansieht, aber ich möchte darauf hinweisen, dass das Spektakel des Schmerzes sehr gut mit dem Faschismus übereinstimmt, weil man eine Politik von „wir“ und „sie“ auf der Grundlage eines Spektakels schafft. Und wenn man sich die Videos ansieht, die die Sprecherin des Präsidenten, Karoline Leavitt, als „fun videos“ bezeichnet, dann ist das genau das.

Das ist durchaus eine faschistische Herangehensweise. Man soll sich mit den Leuten identifizieren, die diese Menschen abschieben. Dann fragt man sich nicht: Wer sind diese Leute eigentlich? Kamen die vor ein Gericht? Hat jemand wirklich Verbrechen begangen? Sie sollen sich mit denjenigen identifizieren, die die Macht haben, Schmerz zuzufügen. Also ja, das ist definitiv Sadismus. Ich glaube aber nicht, dass man sagen kann, dass das nicht faschistisch sei. Ich finde, dass diese Videos ziemlich eindeutig faschistisch sind.  [….]

(Prof. Timothy Snyder, 25.04.2025)

Die Zeichen stehen also günstig für Trump: Extreme Machtfülle in Kombination mit einem indolenten und verblödeten Urnenpöbel.

Eigentlich.

Uneigentlich gibt es aber multiple Faktoren, mit denen sich Trump laufend selbst in die Füße schießt. Am augenfälligsten ist sicher seine ökonomische Inkompetenz. Mit seinem Zoll-Chaos wird er ziemlich sicher eine Rezession auslösen, die seine Fans im Portemonnaie merken werden.


Und beim Geld hört die Freundschaft auf.

Aufgrund der Unterqualifikation seiner gesamten Regierung, die sich nur auf Destruktivität versteht, wird aber auch das Funktionieren all dessen, das US-Amerikaner für selbstverständlich halten, mittelfristig betroffen sein. Snyder hält einen daraus resultierenden Bürgerkrieg für durchaus möglich.

[…..] Das hängt von uns ab. Meiner Meinung nach ist das, was die Trump-Leute versuchen, unhaltbar. Diese Anstrengungen, die amerikanische Bundesregierung gleichzeitig zu schwächen und sie in ein Instrument der Unterdrückung zu verwandeln, ist in sich widersprüchlich. Die Leute werden nicht nur lang-, sondern auch kurzfristig mit einer Regierung unzufrieden sein, die ihnen ganz selbstverständliche Dinge verweigert, so wie Gesundheitsversorgung, Datenschutz, Infrastruktur, Rente, Verbraucherschutz. All die Aufgaben einer normalen Regierung ignorieren sie, stattdessen sehen sie es als ihren Job an, Menschen zu unterdrücken, angefangen mit Menschen ohne Papiere. Das ist auf lange Sicht ein sehr unbefriedigendes Projekt. Das wird die Bundesregierung zum Einknicken bringen. Bundesstaaten werden sich fragen, ob es noch sinnvoll ist, Teil dieser Union zu sein. Und natürlich wird es die Menschen dazu bringen, zu protestieren. Das geschieht ja schon. Das ist alles nicht haltbar. […..] Ich glaube nicht, dass es dazu führen wird, dass die USA von einer in sich kohärenten Diktatur übernommen werden. Aber es kann zu verschiedenen Zusammenbrüchen führen. Und klar, wenn das zu einem Zusammenbruch des Gesundheitswesens führt, des Verbraucherschutzes, zu Zusammenbrüchen wegen des Klimas, also zu Waldbränden oder Ähnlichem, dann werden sie versuchen, das auszunutzen. Darüber müssen wir nachdenken.  [….]

(Prof. Timothy Snyder, 25.04.2025)

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