Mittwoch, 29. Januar 2025

Gibt es noch Demokraten in CDU und FDP?

Eine Sache kann man mir wirklich nicht vorwerfen: Optimismus! Schon vor Jahren habe ich jede Form der Hoffnung auf die Zukunft begraben. Meine antinatalistische Weltsicht vertrete ich offensiv und weine dem Homo Sapiens keine Träne nach, wenn er von dieser Affenkugel verschwindet. Aber ich wundere mich gelegentlich über mich selbst. Daß ich mich immer noch wundern kann, wenn eine durchaus antizipierte Katastrophe schneller und schlimmer eintritt.

Fritze Merz ist dafür ein gutes Beispiel. Den Mann verachte und verabscheue ich seit Jahrzehnten; beblogge ihn seit seines Wiedereintritts in den Parlaments-Orbit gnadenlos.

 An seiner ökonomischen Inkompetenz, Ehrlosigkeit, Unehrlichkeit und rechtsradikalen Gesinnung bestand für mich nie der Hauch eines Zweifels.

Natürlich würde er letztlich mit den AfD-Nazis ins Bett gehen. Aber selbst ich empfand seine vehementen Distanzierungen als zu drastisch, um schon 2025 den Höcke-Bottom zu geben.

(….) Ich gehe mit dem polnischen Journalisten Jan Opielka d’Accord, der im letzten „Internationalen Frühschoppen“ mutmaßte, Bundeskanzler Merz werde die Brandmauer zur AfD nach dem 23.02.2025 noch einmal aufrecht erhalten. Aber sie werde bei der nächsten Bundestagswahl fallen.

Im Gegensatz zu Opielka, halte ich es aber für keineswegs sicher, daß die übernächste Bundestagswahl erst 2029 stattfinden wird. CDUCSUFDP haben sich so extrem radikalisiert, sich so weit nach rechts bewegt und so fern der ökonomischen Realität positioniert, daß vernünftig arbeitende Koalitionen mit SPD oder Grünen nicht möglich sind. Sie werden zusätzlich durch die extreme Unbeherrschtheit des Fritze Merz massiv belastet. Der Mann hat sich nicht im Griff, muss stets seine eigene Eitelkeit streicheln und wird hinter den Kulissen von kontinuierlichen Wutanfällen geplagt. (…)

(Von rechts aufgerollt, 11.01.2025)

Natürlich, es ist seit jeher sein Signaturemove, sich selbst korrigieren zu müssen und am Folgetag das kassieren zu müssen, das er heute sagt. 

Aber nur gute zwei Wochen, nachdem ich eine AfD-CDU-Koalition für 2025 noch verwarf, muss ich diese Ansicht revidieren. Merz könnte wesentlich schneller mit der AfD im Koalitionsbettchen landen. Der historische Tabubruch von heute beweist zweierlei: Erstens ist Friedrich Merz bereit, fast auf den Tag genau 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz den Nazis wieder Macht zu geben. Zweitens gibt es dagegen in CDU, CSU und FDP keinen Widerstand, auch wenn Verfassung und EU-Recht gebrochen wird. Auch wenn damit schwerer ökonomischer Schaden angerichtet wird.

[….] Wahrlich ein historischer #Dammbruch! Friedrich Merz hat sich heute an dem vergangen, was seit Gründung der Bundesrepublik #Deutschland unausgesprochen „Common Sense“ war: Demokrat:innen machen es nicht mit Rechtsextremen! Niemals! Nicht im Land der Täter! - Das ist seit heute anders. Besonders bizarr ist das, weil wir dieser Tage einmal mehr an die Befreiung des KZ #Auschwitz gedenken.

Merz ist „all in“ gegangen, wie er sagte, als sei die politische #Kultur in diesem Land ein #Zocker-Paradies. Er hat wissentlich den politischen Diskurs vergiftet, auch wenn er nach der #Abstimmung winselnd ans Rednerpult tritt und beteuert, er habe ja eine Mehrheit in der Mitte gesucht. - Für wie bescheuert hält uns dieser Typ eigentlich?

Auch wenn die Abstimmung erst mal keine rechtlichen Folgen haben wird, zeigt sie doch, wie #skrupellos #Merz vorgeht und wie sehr er auf den #Gemeinsinn in Deutschland pfeift. Die A*D jubelte im #Bundestag, lag sich in den Armen, als das Ergebnis verlesen wurde. Sie kann jetzt vor Kraft kaum gehen - dieses Geschenk hat Merz ihnen gemacht. Wenn jetzt nicht dem letzten Idio… klar geworden ist, dass Merz mit seinem #Kurs die in großen Teilen rechtsextreme A*D salonfähig macht, dann zweifele ich echt an der allgemeinen Wahrnehmung.

Dieses Land ist seit heute ein anderes. Die Union paketiert mit den Rechtsextremen, wenn es ihr passt. Ein „Nie wieder ist jetzt“ tritt ausgerechnet jene Partei mit Füßen, die sich einst das „Christlich“ in den Parteinamen geschrieben hat. Welch #Donnerschlag für alle, die Migrant:innen in diesem Land sind. Und Minderheiten angehören, die die A*D auf dem Kieker hat. Denn nun steigt die Gefahr deutlich, dass sie zum Opfer von #Gewalt werden, weil die Rechte einmal mehr Auftrieb erfährt. - Und es wird ja nicht bei diesem einen Mal der gemeinsamen Abstimmung bleiben. Ich bin geschockt.  [….]

(Marc Raschke, 29.01.2025)

[…..] Unions-Kanzlerkandidat Merz übernimmt ein zentrales Narrativ der AfD und will nun Abschiebungen vorantreiben. Er tut es aus freien Stücken. […..] Indem Merz das zentrale Narrativ der AfD übernahm, dass Migration zu Verbrechen führt, und indem Merz EU-Recht, das ihm nicht passt, nicht mehr anwenden will, machte er das völkische und nationalistische Denken der AfD erst richtig hoffähig.

Manche sagen, Merz konnte nicht anders; die AfD habe ihn vor sich her getrieben. Sie konstruieren Merz als Opfer und fordern erst recht ein Verbot der AfD. Doch Merz ist kein Opfer. Es war seine eigene Entscheidung, nach den Morden von Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg die Beschränkung von Migration zum zentralen Gegenmittel zu erklären, inklusive Zurückweisung aller Asylsuchenden.  Politiker mit Anstand, die rechtsextremistisches Denken bekämpfen wollen, verhalten sich so nicht. Die meisten Flüchtlinge und Migrant:innen sind friedliche Leute. Auch abscheuliche Verbrechen Einzelner dürfen nie dazu missbraucht werden, Migration generell als gefährlich darzustellen. Zu Recht aber fordert niemand ein Verbot der CDU/CSU.  [….]

(Christian Rath, 29.01.2025)

In den Fraktionen der CDUCSU und FDP gab es so gut wie gar keinen Widerstand gegen die Ermächtigung der AfD, um mit den Nazis gemeinsam das Recht zu brechen und zutiefst menschenfeindliche Politik anzustoßen.

[….] Die Rechtsextremen haben heute mehr Macht bekommen. Friedrich Merz hat sie ihnen gegeben. Heute ist so viel kaputtgegangen, dass man durchdrehen will. Dürfen wir aber nicht.

In dem Video will ich erklären, was genau passiert ist und wo genau das Problem liegt. Es ist eben mehr, als dass CDU, FDP, BSW und AfD gemeinsam im Bundestag Beschlüsse fassen. Leider unterschätzen noch viele, was das bedeutet.

Überall auf der Welt und in Europa kommen rechtspopulistische und rechtsextreme Regierungen an die Macht. Oft mit der Hilfe konservativer Parteien. Warum sollten wir in Deutschland davor immun sein? Was heute passiert ist, war ein Schritt in genau diese Richtung. Und die Richtung ist abwärts: Es gibt keine rechtsextreme Regierung, die jemals etwas besser fürs eigene Land gemacht hat.

Was mir wichtig ist: Gerade weil so gefährlich ist, was da passiert, ist umso wichtiger, dass wir dem widerstehen und das stoppen. Auch wenn es heute noch schwerer geworden ist. Aber es hilft nichts. Wenn wir es nicht tun, tut es niemand sonst.

Und sind wir konkret: Friedrich Merz darf nicht Kanzler werden. Keine Stimme für ihn. Und keine Stimme für CDU, FDP und BSW. Sie werden auch zukünftig mit der AfD abstimmen. Das müssen alle wissen. [….]

(Robin Mesarosch, 29.01.2025)

Die politische Landschaft Deutschlands ist damit trumpisiert: Drastische Lügen des konservativen Spitzenkandidaten werden nicht mehr sanktioniert, sondern gefeiert.

[….] Dieser Clip [Audio-Clip von Merz] zeigt so offensichtlich, wie wohl kaum ein anderes Video, das ich je von der CDU gesehen habe, wie 1. wenig die CDU die Menschen in diesem Land ernstnimmt und 2. wie unterkomplex sie das Thema innere Sicherheit versteht. Da wird wiederum klar, warum die Partei drängende Probleme weder in 16 Jahren gelöst hat noch wohl in Zukunft lösen kann. Ausgehend davon, dass sie das ernst meint, was Friedrich Merz hier sagt.

1. Die Kriminalität steigt nicht.

2. Die Ursachen für Kriminalität in einer Gesellschaft liegen in sozialen Umständen, Armut, Ungleichheit, Polarisierung. Nicht an einer schlechten Ausstattung der Polizei.

3. Das Letzte, das Frauen sicherer macht - Gewalt gegen Frauen geht in erster Linie von Partnern und Ex-Partnern aus und geschieht im eigenen Heim - ist eine „vernünftig ausgestattete“ Polizei. Es gibt zig Studien und Bücher, die sich mit dem komplexen Thema Gewalt gegen Frauen auseinandersetzen, um zu verstehen, was politisch unternommen werden kann und wie Lösungen aussehen können. Eine bessere Ausstattung der Polizei gehört nicht dazu.

Wie gering muss eine Partei die Menschen im eigenen Land schätzen, um zu glauben, sie derart offensichtlich manipulieren zu können. [….]

(Gilda Sahebi, 29.01.2025)

Es sind eben nicht nur sinistere finstere Führungskreise, wie die Vier Reiter der Faschokalypse des Konrad-Adenauer-Hauses (Merz, Linnemann, Klöckner, Spahn), sondern es ist die gesamte Partei, die Anstand, Wahrheit und Recht hinter sich gelassen hat. Heiner Geißer ist tot, Polenz ausgegrenzt. Sogar die Brücken zum Christentum reißt die C-DU ein und zeigt den dringlichen Warnungen der katholischen und evangelischen Kirche den Mittelfinger.

Zu 99% sehe ich schwarz, und zwar dunkelschwarz für die nächste Bundesregierung.

Aber ganz gegen meine Natur, will ich mich dem letzten einen Prozent Hoffnung zuwenden. Könnte es sein, daß Merz einfach überzogen hat? Die Anständigen mögen aus der Parteiführung der Schwarzgelben verbannt sein, sie mögen nicht mehr für CDUCSUFDP in den Parlamenten sitzen. Aber gibt es vielleicht unter den Wählern doch noch ein paar Prozent, denen es quer im Magen liegt, wenn Merz so dreist lügt und seine eigenen Lehrsätze einreißt? Gib es noch dieses My an Christen, die sich von katholischer Sozial-Ethik und Nächstenliebe, statt Merz/Söderschem Hass und Verachtung für Menschen leiten lassen?

[…..] Ungewöhnlich scharf war dieser Brief formuliert, der am Dienstag allen Abgeordneten des Bundestages zuging. Absender des Schreibens, bestehend aus einem Anschreiben und einer juristischen Stellungnahme, waren die offiziellen Vertreter von evangelischer und katholischer Kirche bei der Bundesrepublik Deutschland, Prälatin Anne Gidion und Prälat Karl Jüsten, und es richtete sich gegen die Migrationspolitik jener Parteien, die das C im Namen führen.  Die CDU/CSU bringe ihren Gesetzentwurf zur Begrenzung der Migration „im Zuge einer aufgeheizten öffentlichen Debatte“ nach den tödlichen Anschlägen von Aschaffenburg und Magdeburg ein, schreiben die Kirchenvertreter und entlarven den Populismus, der in Friedrich Merz’ Vorschlägen steckt: „Die beiden großen Kirchen weisen hiermit darauf hin, dass die nun vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nach aktuellem Wissensstand keinen der Anschläge verhindert hätten.“ Die Attentate seien offensichtlich von psychisch kranken Personen begangen worden, es gebe ein Defizit beim Informationsaustausch von Behörden und einen Mangel an adäquater Versorgung psychisch Kranker. […..] Die nun geführte Debatte sei dazu geeignet, „alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren und trägt unserer Meinung nach nicht zur Lösung der tatsächlich bestehenden Fragen bei“. […..] Unionsfraktionsvize Steffen Bilger reagierte auf X mit achselzuckender Kälte auf das Kirchenschreiben: „Überrascht nicht, interessiert nicht“, schrieb er. Wenn sich die Union da nicht verrechnet. Immer noch wird in christlichen Milieus – katholischen wie evangelischen – überdurchschnittlich oft die CDU/CSU gewählt. Die Union läuft mit ihrem schrillen Kurs Gefahr, christlich-wertkonservative Wähler zu verlieren. Pater Stefan Kiechle, langjähriger Leiter der deutschen Jesuitenprovinz, schreibt auf Katholisch.de, für Christen werde es immer schwerer, die Union zu wählen. „Wann kommt aus dem Inneren der CDU der Aufschrei gegen diese Entwicklung?“, fragt er. „Oder ist die christliche Substanz in der CDU aufgebraucht?“ […..]

(Annette Zoch, 29.01.2025)

Könnte es, wie Albrecht von Lucke sagt, ein schwerer strategischer Fehler sein, der Merz da heute unterlaufen ist? Hat er nicht eine massive Eselei begangen, indem er wenige Wochen vor der Wahl die beiden demokratischen Koalitions-Optionen (schwarz-rot und schwarz-grün) fast unmöglich machte? Ekelt es nicht doch auch jenseits von Linken, Grünen und SPD ein paar Wähler an, was BSW, AfD, FDP, CDU und CSU heute im Bundestag ablieferten?

[…..] Vor allem die verstörende Gleichzeitigkeit macht sprachlos. Um 12 Uhr gedachte der Bundestag der Opfer des Holocausts anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz. Und um 14 Uhr dann begann der CDU-Chef Friedrich Merz mit der Demontage der Brandmauer. Er beharrte darauf, auch Stimmen der extremen Rechten für seine populistischen Migrationsanträge und rechtlich fragwürdige Gesetzesvorhaben zur Abschottung in Kauf zu nehmen und wiederholte: „Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen.“

Nur ist die Entscheidung erstens falsch und zweitens ist es keine Frage politischer Details, sondern eine grundsätzliche Frage unseres demokratischen Systems, ob man seine Mehrheiten mit einer extrem rechten Partei organisiert. Merz greift mit seinem impulsiven Handeln und seiner Zockerei um Bundestagsmehrheiten frontal den demokratischen Konsens der Bundesrepublik nach 1945 an – während die Union gleichzeitig „Nie wieder“ auf Twitter postet. Es ist eine Schande.

Ein Gewinner des Merz-Manövers jedenfalls steht fest: Die autoritär-nationalradikale AfD. Die kann ihr Glück momentan kaum fassen. Ihr bester Wahlkämpfer heißt: Friedrich Merz. Ohne Not hat der Unions-Chef seine Versprechen gebrochen, auf „Zufallsmehrheiten“ mit der AfD zu verzichten. Dieser für Deutschland nach 1945 beispiellose Tabubruch war ganz allein die politische Entscheidung der Union – Merz hohe Stirn wird so zur Abrissbirne der Demokratie. Österreich lässt grüßen. […..]

(Gareth Joswig, 29.01.2025)

Selbstverständlich wird die AfD heute auf Fritze Merz anstoßen, ihm ewig dankbar für die Wahlkampfhilfe sein und auch an der Wahlurne profitieren.

Aber nützt es auch der CDUCSUFDP, pure unseriöse AfD-Politik zu machen? Oder werden sie als billige Kopien abgestraft? Zumal Merz hier lauter Dinge verspricht, die in der Praxis ohnehin nicht umsetzbar sind.

[….] Während Merz also vorerst nicht mehr Sicherheit für die Deutschen schafft, könnte ihn sein Vorstoß auch nach der Wahl noch einholen. Zum einen beschädigt der bittere Brandmauer-Streit schon jetzt das Verhältnis der Union zur SPD, also zu ihrem mutmaßlichen Koalitionspartner in der nächsten Regierung. Auch längerfristig könnte Merz’ Glaubwürdigkeit leiden, weil er mit seinen sehr entschlossenen Aussagen eine Erwartung weckt, die er leicht enttäuschen könnte.  [….]

(Nicolas Richter, 29.01.2025)

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