Donnerstag, 30. Januar 2025

Merz im Scherbenhaufen

In der unterkomplexen Gedankenwelt des Fritze M. gab es drei Aspekte, die ihn gestern in die Arme der AfD trieben:

1.) Privat denkt er tatsächlich so misogyn und xenophob, wie die AfD-Nazis. Er verfügt über keinen menschlichen Anstand. Das zeigt schon seine Wortwahl.

[….] Falsch ist vor allem das, was Friedrich Merz inhaltlich fordert. Und falsch ist seine Sprache. Denn sein Vorschlag, die deutschen Grenzen dicht zu machen und Geflüchtete ohne Prüfung einfach zurückzuschicken, verletzt deutsches, europäisches und internationales Recht.

Es ist ein Grundgedanke des Flüchtlingsrechts, dass jeder, der an eine europäische Grenze kommt, ein Recht darauf hat, dass sein Fall zumindest geprüft wird. Geprüft, ob ein anderer Staat im Dublin-System zuständig ist. Geprüft, ob bei einer Zurückweisung eventuell Menschenrechtsverletzungen drohen. Das Asylrecht ist ein Recht für den Einzelfall. Der Einzelne, der vor Verhältnissen flieht, die ihn als Menschen gefährden. Dieser Einzelne hat Rechte.

Und es ist vor allem die Sprache von Friedrich Merz, die zeigt, dass seine Politik dieses Grundverständnis angreift. Die Geflüchteten werden hier statt zur Rechtsperson zur Masse, die abgewehrt werden muss - mit einem "Zustrombegrenzungsgesetz".

"Kompromisse" seien bei "diesen Themen nicht mehr möglich". Und überhaupt sei "das, was im Monat abgeschoben wird, in drei Tagen wieder da". "Das", was da abgeschoben wird, sagt Merz - und meint wohlgemerkt Menschen. Mit einer solchen kompromisslosen Sprache der Entmenschlichung hat auch die AfD angefangen. [….]

(Max Bauer, ARD, 30.01.2025)

2.) Merz hasst Scholz und Habeck persönlich, wie die Pest, weil er ihnen ihre Posten neidet. Posten, die sie seiner Ansicht nach, nicht verdienen. Die nur ER verdient.

3.) Merz glaubt; in diesem Fall leider zu Recht; die Mehrheit des Urnenpöbels auf seiner Seite zu haben, wenn er xenophobe Gesetze fordert, die zwar ohnehin nicht umsetzbar sind und keinerlei Effekt auf psychisch kranke Gewalttäter, wie den von Aschaffenburg hätten, die aber das wohlige Abwehrgefühl gegen alles Fremde bedienen.

Da der CDUCSU-Kanzlerkandidat bekanntermaßen ein bißchen blöde ist, war er natürlich nicht in der Lage, den toxischen Fallout seines Nazi-Kuschelkurses einzukalkulieren und gibt sich nun überrascht.

Er hat gar nicht verstanden, wie sehr er seine Koalitionsverhandlungsposition nach dem Wahltag schwächt. Daß er Olaf Scholz ein großes Wahlkampfthema auf dem Silbertablett präsentiert. Wie sehr seine Glaubwürdigkeit ramponiert ist.

In einer besseren Welt, würde sich der Souverän gruselnd abwenden. Die CDUCSU verlöre noch zehn Prozentpunkte bis zum Wahltag; SPD, Grüne und Linke legten je fünf Prozentunkte zu und es könnte endlich eine RRG-Reformregierung geben, die nicht von der hepatitisgelben Pest talibanisiert wird. Bei dem real existierenden Urnenpöbel, hoffe ich zwar auch auf ein bißchen demoskopische Bewegung, bin aber selbstverständlich äußerst pessimistisch.

Daher möchte ich Herrn Merz, stellvertretend für seine Partei, alle CDUCSU-Bundestagsabgeordneten (außer Antje Tillmann), die CSU, die FDP und das BSW ein paar Fragen stellen. Rhetorische Fragen natürlich. Denn die Antwort lautet in allen Fällen ohnehin „Nein“!

Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, dem Zentralrat der Juden ein Messer in den Rücken zu rammen?

[…..] Empört zeigte sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. "Ich finde es enttäuschend, dass die demokratischen politischen Kräfte in unserem Land - auch in Zeiten des Wahlkampfs - nicht in der Lage waren, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen und damit der AfD diese Bühne bereitet haben", sagte Schuster der Jüdischen Allgemeinen. [….]

(Tagesschau, 29.01.2025)

Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, dem Zentralrat der Katholiken ein Messer in den Rücken zu rammen?

[….] Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, warf Merz vor, aus Wahlkampftaktik den Grundsatz der Menschenwürde zu verletzen. "Friedrich Merz verlässt wissentlich in der Frage des Asylrechts den Boden des Grundgesetzes", sagte sie der Augsburger Allgemeinen. [….]

(Tagesschau, 29.01.2025)

Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, der evangelischen Kirche ein Messer in den Rücken zu rammen?

[….]  Die aktuellen Unions-Anträge zur Begrenzung von Migration stoßen bei der evangelischen Kirche auf starken Widerspruch. „Sie sind aus unserer Sicht nicht dazu geeignet, die Probleme zu lösen, weil sie einen deutschen Alleingang darstellen“, sagte die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs im Gespräch mit dem „Focus“ (Freitagsausgabe). „Wir können die Probleme aber nur gemeinsam in der EU lösen.“ [….]

(dts, 29.01.2025)

Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, evangelische Geistliche aus Ihrer Partei zu treiben?

[….] Pfarrer Jörg Niesner hatte bereits Mittwochabend mit einem Video auf dem Social Media Kanal Instagram auf die Geschehnisse am Mittwoch im Bundestag reagiert und seinen Austritt aus der CDU am Mittwoch erklärt: "Ich bin raus nach 25 Jahren. Ich verdanke der Partei viel, aber das was ihr heute abgezogen habt, macht es mir unmöglich zu bleiben. Ausdrücklich würdige ich alle Kräfte der Mitte, die mit teilweise extrem viel Engagement Politik vor Ort machen. Für mich ist der Weg mit der Union aber nun leider endgültig zu Ende." Jörg Niesner ist Pfarrer in Laubach und unterwegs auf Instagram und tellonym.me. Dort nimmt er sich als @wasistdermensch Zeit für die Lebens- und Sinnfragen, aber auch politische Fragen werden von ihm angegangen. Dass sich Kirche in Politik einmischen sollte, dieser Meinung ist auch Bischöfin Christiane Tietz. In einem Interview mit hessenschau.de hatte die neue Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) bereits am Montag gesagt: "Das Evangelium, also die Überzeugung, dass für Gott alle Menschen gleich wertvoll sind, hat politische Auswirkungen.

Man könne nicht ausblenden, was das für Auswirkungen auf den Umgang miteinander hat. Insofern müsse Kirche politisch sein. Dieser Ansicht schließt sich auch Christian Spangenberg vom evangelischen Magazin indeon.de an, der in einem Kommentar die CDU auffordert, das "C" zu streichen.   [….]

(epd, 30.01.2025)

Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, deutschen Juden Angst zu machen und Michel Friedman aus Ihrer Partei zu treiben?

[….] Nach der gemeinsamen Abstimmung von Union und AfD im Bundestag verlässt Michel Friedman die CDU. Der Publizist jüdischen Glaubens sprach von einer "katastrophalen Zäsur" und einem "unentschuldbaren Machtspiel".

Es ist erst gute drei Monate her, da rechnete ein zorniger Michel Friedman im Landtag mit den anwesenden AfD-Abgeordneten ab. "Geistige Brandstifter" nannte er sie. Zu bestimmen, wer ein Mensch, wer Deutscher sei – das maßten sie sich als "billige Imitationen" jener Nazi-Herrenmenschen an, vor denen der Unternehmer Oskar Schindler einst 1.200 Juden gerettet habe.

Nun geht der Frankfurter Publizist jüdischen Glaubens mit einer Partei ins Gericht, deren Abgeordnete ihm damals mit anderen im Stehen applaudierten. Es ist seine eigene, die CDU. Oder besser: Es war sie. Der 69-Jährige ist am Donnerstag aus der Union ausgetreten, wie er dem hr sagte. [….] Grund ist, dass die CDU/CSU-Fraktion in Berlin mit Hilfe der AfD einen Antrag zur Verschärfungen des Asylrechts durchgebracht hat. Friedman nennt das "eine katastrophale Zäsur für die Demokratie der Bundesrepublik" und ein "unentschuldbares Machtspiel".[….] Friedman wörtlich: "Die Naivität derjenigen, die bei der CDU uns erklären wollen, dass das alles ja nicht gewollt war, dass man deren Stimmen gar nicht haben wollte, ist so unterkomplex, dass man da gar nicht mehr hinhören kann." [….] 

Tagesschau, 30.01.2025)

Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, als neuer Franz von Papen zu gelten und Myriaden Menschen entsetzt und abgestoßen von Ihnen vor den CDU-Gebäuden demonstrieren zu sehen?

[….] Zehntausende Menschen haben bundesweit gegen die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD sowie gegen einen Rechtsruck protestiert. In Berlin versammelten sich am Abend mehrere Tausend Menschen vor der CDU-Parteizentrale. Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf etwa 6000. In München demonstrierten demnach etwa 7000 Menschen vor der CSU-Parteizentrale. [….] In Düsseldorf nahmen laut Polizei rund 2500 Menschen an einer Protestaktion teil. In Münster demonstrierten nach Polizeiangaben rund 2800 Menschen. Auch in Köln, Dortmund, Duisburg und Essen sollten am Donnerstag und in den nächsten Tagen Demonstrationen stattfinden, die sich gegen die AfD und eine Zusammenarbeit der CDU mit ihr richten.

In Hannover versammelten sich nach Polizeiangaben rund 7000 Menschen. Auf der Kundgebung sprachen auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne).

In Freiburg gingen ebenfalls mehrere Tausend Menschen auf die Straße. Die Polizei ging in einer ersten Schätzung von bis zu 11 000 Demonstrantinnen und Demonstranten aus. Unter dem Motto „Brandmauer verteidigen“ versammelten sie sich am Platz der Alten Synagoge in der Altstadt.  [….]

(SZ, 30.01.2025)

Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, ausgerechnet am Tag der Bundestagsgedenkveranstaltung 80 Jahre Befreiung des KZ Auschwitz, im ehemaligen Reichstag wieder die Nazis zu ermächtigen?


Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, daß Holocaustüberlebende so entsetzt von Ihnen sind, daß sie ihre Bundesverdienstkreuze zurück geben?

[…..] Der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg will sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben. Grund ist die gestrige Zustimmung des Bundestags zu einem Fünf-Punkte-Plan der Union für eine Verschärfung der Migrationspolitik. Ein entsprechender Antrag fand unter anderem mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit.

Weinberg zeigte sich schockiert über das gestrige Ergebnis. Es sei eine spontane Entscheidung gewesen, das Bundesverdienstkreuz zurückzugeben, das eine hohe Ehre für ihn sei. "Es ist zu schwer geworden, es zu tragen, wenn man solche Nachrichten hat. Furchtbar", sagte der 99-Jährige der Nachrichtenagentur dpa.

Auch der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano, der sich wie Weinberg für ein NS-Gedenken engagiert, möchte es ihm gleichtun. Er werde die ihm 2021 verliehene Ehrung zusammen mit Weinberg bald an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zurückgeben.   […..]

(Tagesschau, 30.01.2025)

Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, daß die die Nazis im Bundestag nicht nur buchstäblich ermächtigen, sondern zu Jubelstürmen veranlassen?


Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, mit Ihrer Hetze, nach dem Vorbild der AfD das Land zu spalten und die Menschen gegeneinander aufzubringen?

Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, von rechtsradikalen und antisemitischen Autokraten und Putin-Fans, wie Viktor Orbán „im Club“ willkommen geheißen zu werden?

[….] Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat sich süffisant zu dem mit AfD-Hilfe im Bundestag beschlossenen Migrationsantrag der CDU geäußert. „Guten Morgen, Deutschland“, schrieb der Rechtspopulist in deutscher Sprache auf X. In Englisch fügte er hinzu: „Welcome to the club!“ (Willkommen im Club!)

Orban betreibt seit 2015 eine Abschottungspolitik gegenüber Geflüchteten und Migranten. Die Errichtung eines Grenzzauns zu Serbien sowie Abschiebungen direkt an der Grenze ohne Prüfung von Asylgründen hatten ihm viel Kritik eingebracht. Auf Verschärfungen der Asyl- und Migrationspolitik in westlichen Ländern wie Deutschland reagiert er mit Genugtuung.   [….]

(FR, 30.01.2025)

Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, selbst die extrem politabstinente Angela Merkel gegen sich in Stellung zu bringen?

Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, hunderte Intellektuelle und Kulturschaffende, in Rage zu versetzen?

[….] Offener Brief an Friedrich Merz, die Abgeordneten von Union, FDP und BSW: “Zum Fall der Brandmauer - gegen jede Zusammenarbeit mit der AfD”

Am vergangenen Wochenende sind wieder Hunderttausende auf den Straßen zusammengekommen, um für ein wahrhaftes und politisch gelebtes “Nie wieder ist jetzt!” einzustehen und gegen die AfD und jegliche Zusammenarbeit mit ihr zu demonstrieren. Umso entsetzter sind wir über eine Zäsur in der deutschen Geschichte:

Denn die Union, gefolgt von FDP und BSW, droht, die ohnehin bröckelnde Brandmauer gänzlich einzureißen, indem sie für ihre Pläne zur Sicherheits- und Migrationspolitik die Zustimmung der AfD und eine faktische Zusammenarbeit mit dieser in weiten Teilen rechtsextremen Partei in Kauf nimmt.   Dieser Pakt mit der AfD bedeutet einen historischen Tabubruch. Menschen Asyl zu gewähren, ist ein in der Verfassung verankertes Grundrecht und darin auch eine der zentralen Lehren aus den Verbrechen des Nationalsozialismus. Die Union ist bereit, diese Rechte mit den ideologischen Erben der Täter zu beschließen und mit dem historischen Konsens des “Nie wieder” zu brechen. In der Woche des Holocaustgedenktages.

Sie, die Adressaten dieses Briefes von Union, FDP und BSW, Sie alle haben so oft gesagt: “Nie wieder ist jetzt!” So oft haben Sie gesagt: “Die Brandmauer steht.” Doch nein, Sie sind es nicht, die sie stützen, Sie destabilisieren Sie auf dramatische Weise und wir stellen fest: Wir, die Zivilgesellschaft dieses Landes, müssen nun diese Brandmauer sein und Sie an Ihre Versprechen erinnern. Sie drohen, Grundrechte mithilfe von Rechtsextremen auszuhöhlen und verhelfen der AfD so zu Einfluss und Macht - sogar auf gesetzgeberischer Ebene, sollte auch am Freitag bei der nächsten Abstimmung gemeinsame Sache mit ihr gemacht werden.

Wir, die Unterzeichnenden dieses offenen Briefes aus Kunst, Kultur, Medien und öffentlichem Leben, fordern die Abgeordneten von Union, FDP und BSW auf, von ihren verfassungswidrigen Plänen und jeglicher Art der gemeinsamen Sache mit der AfD umgehend Abstand zu nehmen. Stimmen Sie gegen den Entwurf oder bleiben Sie der Abstimmung fern.  Wir verurteilen zudem die Form der Spaltung und Hetze, die durch den aktuellen rassistischen, antisemitischen, diversitäts- und klimafeindlichen Diskurs geschürt wird und einem Abdriften der Gesellschaft ins rechte Spektrum zuspielt. Geschichte wiederholt sich und wir schauen dieses Mal nicht weg.  [….]

(Vogue, 30.01.2025)

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