Donnerstag, 23. Januar 2025

Braundrift

Weder Medien, noch Parteien, noch Wähler kennen ein Halten.

Alles marschiert nach rechts. Links bleibt nichts mehr übrig, bis auf ein paar mickrige, nahezu unhörbare Entwagenknechtete, die sich die 5%-Hürde von unten ansehen.

Es ist fast 20 Jahre her, als es die rechtsextreme Maximal-Schwurblerin Eva Herman mit ihrem „man darf ja nichts mehr sagen“-Gejammer so weit trieb, aus der laufenden Kerner-Sendung gebeten zu werden.

Ein Glücksfall für die Faschistin, die bis heute von dem Opfer-Narrativ lebt, seither nach Herzenslust publiziert, schreibt, diskutiert, deklamiert, eigene Formate bekommt. Jede Menge Bücher veröffentlicht. Sie redet und redet und redet darüber, daß sie nicht mehr reden dürfe.

[….] Der 9. Oktober 2007 ist ein denkwürdiger Tag in der deutschen TV-Geschichte. In der Talkshow von Johannes B. Kerner kommt es zum Eklat. Mit seinen Gästen Senta Berger, Margarethe Schreinemakers, Mario Barth und Eva Herman diskutiert der Moderator über das Thema "Geschlechterrollen". Die ehemalige "Tagesschau"-Sprecherin, die kurz zuvor über ihre kontroversen Aussagen zum nationalsozialistischen Familienbild in die Kritik geraten war, wiederholt ihre steilen Thesen. Bis Kerner handelt.  "Du hast dich beschwert über die gleichgeschaltete Presse. Das ist keine glückliche Wortwahl, weil auch dieses Wort kommt aus dem Dritten Reich", sagt der Moderator, der Herman duzt, zu Beginn des Gesprächs. Herman versucht sich zu wehren. Dieser Begriff sei auch in anderen Zusammenhängen benutzt worden. Als ein Historiker klarstellt, dass es eine nationalsozialistische Wortschöpfung ist, kommt es zu einem legendären Satz Hermans: "Es sind auch Autobahnen gebaut worden damals und wir fahren heute darauf."  Statt einzuschreiten, lässt Kerner weiter gewähren. Zum Erstaunen seiner Gäste. Erst Schreinemakers, dann Barth, dann Berger widersprechen Herman. "Es gibt so ein paar Sachen, die sind einfach problematisch, was heißt problematisch, die gehen nicht. Und Autobahn geht eben auch nicht. Autobahn geht halt nicht, finde ich", sagt Kerner. Doch statt zu erkennen, dass er mit Herman eine Unbelehrbare vor sich hat, bekommt sie noch einmal die Chance zu Erklärungsversuchen. [….]

(STERN, 06.08.2020)

Heute sind die Thesen der 2007ner Herman nahezu Mainstream. Wesentlich strammere Nazis bekommen in den deutschen Talkshows den roten Teppich ausgerollt, dürfen unwidersprochen widerliche Hetze verbreiten, lügen und für antidemokratische Ziele werben.

[….] Nach einer kurzen Runde durch die politische Großwetterlage [….] fragte Moderatorin Sandra Maischberger die beiden Spitzenkandidatinnen, wie sie auf die Amtseinführung von Donald Trump blickten. [….]  Alice Weidel angesprochen, die Trump einen „Friedenspräsidenten“ nannte [….] Schließlich war das erst der Auftakt des Gesprächs, in dessen weiterem Verlauf Alice Weidel eine bewusst platzierte Geschichtsfälschung noch einmal wiederholen durfte. [….] Jeder Hufeisen-Theoretiker durfte sich sodann bestätigt sehen, als beide Politikerinnen bald wieder über die Behauptung zusammenfanden, der sogenannte Meinungskorridor werde „immer enger“. [….] Schließlich hatte sich die Redaktion der Sendung dazu entschieden, Alice Weidel noch einmal zu ihrer geschichtsfälschenden Behauptung zu befragen, Adolf Hitler sei ein Kommunist gewesen. Als würde dabei eine Erklärung weiterhelfen. Man spielte gar den entsprechenden Ausschnitt aus ihrem Gespräch mit Elon Musk noch einmal ein. „Woran machen Sie das fest?“, fragte Maischberger Weidel. „Ich mache das daran fest, dass Adolf Hitler einen neuen Menschen schaffen wollte“, begann diese ihre Antwort und spätestens hier hatte die Sendung ein Problem. Denn dem, was Weidel daraufhin von sich gab, fehlt jede historische Basis.  Was Weidel davor auf dem privaten Netzwerk eines Tech-Milliardärs behauptet hatte, durfte sie nun im öffentlich-rechtlichen Fernsehen „erklären“. Es zu wiederholen, käme einer Normalisierung des Gesagten gleich. Hitler „war im Geiste ein Linker“, schloss sie ihren vor geschichtsfälschenden Aussagen strotzenden Versuch, den faschistischen Diktator des „Dritten Reichs “umzudeuten. [….]

(Timo Posselt, SZ, 23.01.2025)

Seit mindestens zehn Jahren wissen wir auch in Deutschland, was nicht nur, NICHT gegen Rechtsextremismus hilft, sondern im Gegenteil, die Nazis auch noch stärkt:

False Balancing, überproportionale Medienaufmerksamkeit für Nazi-Themen, „sie inhaltlich stellen“, ihre Forderungen übernehmen, gebetmühlenartig Nazi-Wähler als „keine Nazis“ bezeichnen. Seit Pegida prallen deutsche Parteien mit diesen Methoden gegen die braune Wand und machen die AfD nur stärker und radikaler.

„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“

(Nicht von Albert Einstein)

Die CSU präsentiert sich unter der Führung des garstigen Foodbloggers Markus S. als besonders erkenntnisresistent.

[…..] Die CSU hat schon mal den Versuch unternommen, die AfD durch Annäherung kleinzuhalten, 2018 bei der Landtagswahl. Am Ende verlor die Partei ihre absolute Mehrheit. CSU-Generalsekretär Markus Blume räumte danach Fehler im Umgang mit der AfD ein: „Du kannst ein Stinktier nicht überstinken.“  […..]

(Thomas Balbierer, 22.01.2025)

In der Folge dieses Wahnsinns verlangen die Grünen heute 3,5% BIP für die Bundeswehr, prahlt der sozialdemokratische Kanzler mit Abschiebungen, biedern sich die einstigen sogenannten „Liberalen“ bei den internationalen Faschisten Milei und Musk an. Die AfD, die man lange Zeit schockiert und eher hinter vorgehaltener Hand „faschistisch“ nannte, nachdem ein Gericht erlaubte, den intra-AfDesken Rechtsaußen Bernd Höcke als „Faschist“ zu bezeichnen, ist inzwischen auf NSDAP-Niveau angelangt; propagiert völkischen Rassismus.

Wenig verwunderlich, daß auch die nach allen aktuellen Umfragen größte Parteiengemeinschaft CDUCSU weit von der Mitte entfernt, im trübsten braunen Gewässern fischt. Merz, Linnemann und Spahn verlangen inzwischen in so schneller Folge verfassungsrechts- und europarechtswidrige Dinge, daß sich kaum noch jemand empört.

[….] Geflüchtete ohne Papiere nicht mehr ins Land lassen? Der Vorschlag von Friedrich Merz bricht Europarecht[….] Friedrich Merz schlägt jetzt vor, erst einmal gar keine irregulären Migranten mehr ins Land hineinzulassen, ein „faktisches Einreiseverbot“ für alle, die keine Einreisepapiere besitzen. Das bedeutet: Zurückweisungen an der Grenze. Das verhindert natürlich nicht, dass Menschen dennoch über die grüne Grenze kommen. Deutschland hat 3876 Kilometer Grenze, sie effektiv zu überwachen, wäre eine Illusion. Und weil der Plan von Merz gleichzeitig so offen im Widerspruch zu Deutschlands europarechtlichen Pflichten steht, wäre es auch nicht verwunderlich, wenn die Anrainerstaaten die Deutschen dann erst recht alleinlassen mit ihren Grenzproblemen. Wer die Kooperation aufkündigt, braucht sich nicht zu wundern. [….]

(Ronen Steinke, 23.01.2025)

Die Positionen der 2021 als faschistisch geltenden AfD, wurden inzwischen nicht nur vollständig von der CSU übernommen, teilweise sogar rechts überholt. Einholen ließen sich die Nazis freilich nicht, weil sie genauso schnell wie die CSU weiter gen NSDAP rückten.

[….] Markus Söder hat [….] eine Reihe von Positionen übernommen, die 2021 noch im AfD-Programm standen. [….] Als die CSU am Montag ihre Bayern-Agenda vorstellte, sprach Spitzenkandidat Alexander Dobrindt von einem „Knallhart-Plan“. Und tatsächlich: Legt man das Papier neben das AfD-Programm zur Bundestagswahl 2021, kann man erkennen, wie die CSU in Richtung AfD gewandert ist – während die AfD ihrerseits noch radikalere Positionen eingenommen hat. So hat sich der politische Diskurs nach rechts verschoben. [….] Migration

Zur Bundestagswahl 2021 betonte die CSU in ihrem Programm „Humanität und Ordnung“ als Leitidee ihrer Migrationspolitik. „Wir ordnen und begrenzen Migration“, hieß es damals. Das Wortpaar „Humanität und Ordnung“ ist im CSU-Programm nicht mehr zu finden. Das Migrationskapitel steht nun unter der Überschrift „Stopp der illegalen Migration“.

Den Terminus „illegale Migration“ hatte die AfD in ihrem Bundestagswahlprogramm 2021 mehrmals verwendet. Damals forderte sie zum Beispiel eine „Bekämpfung illegaler Migration“ [….] Eine Überschneidung zwischen alten AfD-Positionen und aktuellen CSU-Forderungen gibt es bei auch bei der Frage, ob Menschen aus Krisenregionen im Rahmen von humanitären Programmen nach Deutschland geholt werden sollen – und ob in Deutschland anerkannte Flüchtlinge Familienmitglieder nachholen dürfen. Die AfD hatte das 2021 abgelehnt: „Humanitäre Aufnahme nur für vom Bundestag ausgewählte, besonders schutzbedürftige Personen […] Ablehnung jeglichen Familiennachzuges für Flüchtlinge.“

Vier Jahre später klingt die CSU ähnlich restriktiv: „Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte und Beendigung aller freiwilligen Aufnahmeprogramme.“ [….] Klimaschutz und Energie

Anders als heute war der Klimawandel im Wahlkampf 2021 eines der bestimmenden Themen. In Bayern rief Ministerpräsident Söder einen „Klimaruck“ aus und verpasste dem Freistaat das ehrgeizige Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2040. „Klimaschutz ist ein urkonservatives Anliegen“, war damals im CSU-Bundestagsprogramm zu lesen.

Heute ist davon nicht viel übrig. Sein Klimaziel hat Söder gerade für gescheitert erklärt. Auch im aktuellen CSU-Programm spielt das Thema eine Statistenrolle. Stattdessen fordert die CSU unter anderem eine Rücknahme des Verkaufsverbots für klimaschädliche Verbrennerautos, das von 2035 an in der EU gelten soll: „[…] Abschaffung des Verbrenner-Verbots […]“

So ähnlich positionierte sich die AfD bereits in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2021: „Gerade der für den Großteil der Arbeitsplätze zuständige Mittelstand […] ist abhängig vom Fortbestand des Verbrennungsmotors.“

[….] Auch beim Reizthema Atomkraft hat die CSU eine 180-Grad-Drehung vorgenommen. Der von ihr 2011 mit beschlossene und von der Ampel-Regierung nach heftigem Streit umgesetzte Ausstieg aus der Kernenergie soll rückgängig gemacht werden: „Der überstürzte Ausstieg aus der Kernkraft war ein großer Fehler – gerade auch mit Blick auf den Klimaschutz.“

Vor vier Jahren kam das Wort Atomkraft in den Wahlprogrammen der Union gar nicht erst vor. Doch mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und den Folgen für die deutsche Energieversorgung haben CSU und CDU ihre Haltung geändert. Sie wollen abgeschaltete Reaktoren – wenn möglich – reaktivieren und neue AKWs bauen. Das hatte auch die AfD im letzten Bundestagswahlkampf gefordert: „Die AfD tritt ein für die Neueinrichtung von sicheren Kernkraftwerken.“

Gesellschaftspolitik[….] Umso überraschender ist, was die CSU 2021 zum Thema Gendern in ihr Wahlprogramm schrieb: „Wer gendern mag, soll gendern, aber niemand soll dazu gezwungen werden.“ Eine liberale Haltung. Diese ist aus der Bayern-Agenda verschwunden: „Nein zum Gendern: Ablehnung der Gendersprache im öffentlichen Raum – an Schulen und Universitäten, im Rundfunk und der Verwaltung.“

In Bayern hat CSU-Chef Söder schon im vergangenen Jahr ein Genderverbot in Behörden und Schulen verhängt, nun tritt er auch auf Bundesebene dafür ein. Ganz so weit ging die AfD 2021 nicht: „Die sogenannte ‚gendergerechte Sprache‘ ist eine groteske Verunstaltung der deutschen Sprache. […] Wir sprechen uns gegen jegliche Verpflichtung aus, sie verwenden zu müssen.“ [….]

(Thomas Balbierer, 22.01.2025)

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