Dienstag, 10. Mai 2016

Positive Vorurteile



Als kleiner Junge wollte ich natürlich schon gerne zu den richtig coolen Kindern gehören.
In Grundschulklassen gibt es immer diese allseits beliebten Gören, mit denen jeder befreundet sein will.

In meinem Fall gelang das „Dazugehören“ nur bedingt.
Zwar konnte ich mit dem großen Garten meiner Oma punkten, in dem auch ein Swimmingpool war, aber andererseits war ich auch immer mit diesen beiden richtig, richtig unbeliebten Jungs zusammen – der eine hatte einen nervigen Sprachfehler und der andere war extrem arm, hatte immer uralte Klamotten an, die nicht richtig passten.
Da steckte irgendwie in mir, daß ich mich immer hinter die Ausgegrenzten und Minderbemittelten stellte, die bei den richtig coolen Jungs nicht mitspielen durften.

Und nein, ich glaube nicht als Kind so gewesen zu sein, weil ich ein besserer Mensch als andere bin, sondern offensichtlich hat das etwas mit dem Elternhaus zu tun, in das ich reingeboren wurde.
Binationale Ehe, Vater Künstler mit dem entsprechenden Freundeskreis aus „Verrückten“.
Ich war von Anfang an gewöhnt, daß zu Hause Leute unterschiedlicher Hautfarben, Schwule und Typen, die sich in anderen Sprachen unterhielten, rumliefen. Kurz gesagt, rein zufällig waren meine Eltern nicht spießig.

Ziemlich unsinnig erscheinen mir diese Hochglanz-Werbekampagnen mit den kleinen bunten Kindern, die sich glücklich an den Händen halten zu dem Slogan „Niemand wird als Rassist geboren!“
Das gilt in der Tat für Neugeborene, aber der philanthropische Ansatz, alle Kinder sind gut, ist absurd.
Ich glaube, eher ist das Gegenteil der Fall.
Da bin ich bei William Golding und dem Herrn der Fliegen.
Schon Grundschulkinder sind ausgesprochen brutal, grenzen gnadenlos aus, urteilen radikal egoistisch. Beliebt ist, wer die besten Spielzeuge hat. Behinderte, Schwarze, Dicke, Pickelige usw werden niedergemacht.
Deswegen hasse ich auch immer noch Grönemeyers Superhit „Kinder an die Macht“. So ein Schwachsinn, der sich an die Political Correctness, man müsse Kinder lieben, anschleimt.
Kindern mangelt es an Abstraktionsvermögen. Ihnen muß erst noch beigebracht werden nicht mit Fingern auf andere zu zeigen und „Da ein Neger!“ zu brüllen.
Sie müssen noch lernen sich in andere Menschen hineinzuversetzen und ein Gefühl dafür entwickeln wie verletzend sie selbst sein können.
Vermutlich ein natürlicher Prozess. Kleinkinder schreien eben wie am Spieß, wenn ihnen etwas nicht gefällt, oder sie etwas brauchen. Im Treppenhaus trampeln so laut sie können und jede schlammige Pfütze muß auch besprungen werden.
Es dauert Jahre zu begreifen, daß lautes Schreien Oma auf die Nerven geht, daß Getrampel im Treppenhaus eine Zumutung für die Nachbarn ist und daß die schlammigen Klamotten nach dem Pfützensprung von Mutter/Vater auch wieder saubergemacht werden müssen.
Seinen eigenen Geräuschpegel zu drosseln lernen die allermeisten Kinder im Laufe ihres Erwachsenwerdens.
Daß man Rollstuhlfahrer, Obdachlose, Türken oder Schwule nicht auslacht und diskriminiert, lernen einige leider nie, weil sie nicht das entsprechende Umfeld haben.
Ich erinnere an den CDU-Politiker und ehemaligen Berliner Bürgermeisterkandidat Frank Steffel, der scheinbar erst 30 oder 40 werden mußte, um zu begreifen welche Wortwahl angemessen ist.

Frank Steffel, Jahrgang 1966, ist ein wandelndes Klischee.
Keiner verkörpert den Westberliner kleinbürgerlichen Spießer-Klüngel besser als der CDU-Vielfach-Funktionär, der schon mit 16 in die Partei Diepgens und Landowskys eintrat.

Von Papi erbte er eine Teppichverleger-Firma und fühlte sich allein dadurch seinen Mitbürgern überlegen.
Linke, Migranten, Künstler - kurzum die ganze Berliner alternative Szene hasste er schon immer wie die Pest und drückte dies auch in seiner eigenen Sprache aus:

Die Süddeutschen Zeitung vom 23. August 2001 berichtete als Erste darüber, er habe in seiner Zeit bei der Jungen Union Schwarze „Bimbos“ und Türken „Kanaken“ genannt.
Behinderte waren für ihn „Mongos“ und eine Lehrerin, die diese Ausdrücke bemängelte, bezeichnete Jung-Steffel als „Kommunistenschlampe“.

Die Kritik an seinen Manieren konnte er nicht verstehen und erklärte Michel Friedman:
„Einem Jugendlichen rutscht sowas schon mal raus!“

Im Intrigantengestrüpp der Berliner CDU hangelte er sich 2001 zum Bürgermeisterkandidat empor und forderte Klaus Wowereit heraus.

In was für einem Umfeld der nahezu gleichaltrige Steffel aufwuchs kann ich mir nur vorstellen.
Meins war offenbar genau das Gegenteil.
Ich fand immer alle Unangepassten gut.
Nicht ausstehen kann ich hingegen die Steffels meiner Alterskohorte.

Ausländer, Dunkelhäutige, Schwule und Lesben besonders zu mögen ist in dieser Gesellschaft partiell gerechtfertigt.
Denn jemand, der zufällig als Angehöriger einer Minderheit aufwächst, wird frühzeitig sensibilisiert.
Schwule sind also auch toleranter gegenüber anderen Minderheiten, weil sie ja selbst erlebt haben wie sich Diskriminierung anfühlt.

Soweit die Theorie.

Pauschalisieren kann man das nicht.
Offenbar gibt es gerade bei Minderheiten, die als „unbeliebt“ gelten einen psychologischen Impuls eine andere Menschengruppe noch weiter herabzusetzen, so daß man relativ gesehen etwas höher steht.
Laut Umfragen sind in Amerika Schwarze homophober als der Durchschnitt und Latinos verachten Atheisten mehr als gewöhnlich.

Man kann einer Minderheit angehören und trotzdem ein Arschloch sein.

Das sieht man an dem schwulen Theologen David Berger, der sich einst gegen seinen Verein auflehnte und nun in der rechtsradikalen Ecke steckt und gegen Linke und Muslime hetzt.
Ernst Röhm, Michael Kühnen.

Es gibt sogar eine politische Gruppe, die sich „Homosexuelle in der AfD“ nennt und dort Storch und Höcke bejubelt.

Mirko Welsch, der schwule AfD-Sprecher, balanciert auf Pegida-Kurs.

Aus dem US-Fernsehen kenne ich diese nach meinem Geschmack wunderschöne Amy M. Holmes, Jahrgang 1973.
Sie wurde in Lusaka, Zambia geboren, ging aber später in Seattle zur Schule und machte einen Bachelor of Arts.
Später kam sie als Moderatorin zu Glenn Becks TheBlaze TV, verdiente sich weitere Sporen bei FOX.
Inzwischen tritt sie bei Bill Maher und CNN auf und macht massiv Werbung für Donald Trump, den sie über alle Maßen bewundert.
Ja, auch wenn man a) schwarz und b) eine Frau ist, bewahrt einen das nicht davor ein Arschloch zu sein und sich einen Präsidenten Trump zu wünschen.