Für seine Herkunft kann er natürlich nichts.
Heribert Prantl wurde 1953 in Oberpfalz als Sohn des frommen Stadtkämmerers geboren. Prantl Senior war Kirchenpfleger und ehrenamtlicher Vorsitzender des Kolpingwerks in Nittenau, den seine Hochzeitsreise zum Wallfahrtsort Altötting verschlug.
Jener ultrafromme Ort, den Prantls auch in den Folgejahren mit den Kindern immer wieder besuchten. Der kleine Heribert begeisterte sich für den Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Die Religiotie saugte er mit der bayerischen Muttermilch auf.
Zufälligerweise erwies er sich aber zudem als äußerst intelligent, absolvierte im Rekordtempo ein Studium der Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie. Mit 27 Jahren legte er das zweite Juristische Staatsexamen ab. Seine Promotion zum Dr. jur. erfolgte magna cum laude und erhielt den Wissenschaftspreis der Universität Regensburg und des Hauses Thurn und Taxis. Parallel absolvierte er als Stipendiat des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses der katholischen Kirche seine journalistische Ausbildung. Er wurde mit 26 Jahren Rechtsanwalt, später Richter am Amtsgericht, Richter am Landgericht, Pressesprecher des Landgerichts Regensburg und schließlich Staatsanwalt, bevor er ab 1988 Leitartikler bei der Süddeutschen Zeitung wurde.
Dort entwickelte er sich zu einer gewichtigen Stimme des deutschen Liberalismus und wurde mit Preisen nur so überhäuft.
1983: Wissenschaftspreis der Universität Regensburg und des Hauses Thurn und Taxis für die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften
1989: Franz-Karl-Maier-Preis der Pressestiftung Der Tagesspiegel in Berlin für „hervorragende und parteiunabhängige Kommentierung“
1992: Pressepreis des Deutschen Anwaltvereins für sein „Plädoyer für die Stärkung des Grundgesetzes“
1994: Geschwister-Scholl-Preis für sein Buch „Deutschland, leicht entflammbar“
1996: Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik
1999: Siebenpfeiffer-Preis für Freiheit und demokratische Rechte
2001: Theodor-Wolff-Preis in der Kategorie „Essay“ für den Beitrag „Lob der Provinz“, Süddeutsche Zeitung am 1./2. April 2000
2004: Rhetorikpreis für die „Rede des Jahres 2004“, verliehen von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
2006: Erich-Fromm-Preis, gemeinsam mit Hans Leyendecker
2006: Arnold-Freymuth-Preis „für Verdienste um den demokratischen und sozialen Rechtsstaat“
2007: Roman-Herzog-Medienpreis des Konvents für Deutschland für seine Analysen und Kommentare zum Föderalismus
2007: Politikjournalist des Jahres durch das Medium Magazin
2008: Goldener Prometheus für politischen Journalismus verliehen vom Medienmagazin V.i.S.d.P.
2008: puk-Preis für Kulturjournalismus, verliehen vom Deutschen Kulturrat
2008: Ketteler-Preis der KAB-Stiftung 'Zukunft der Arbeit und der sozialen Sicherung' (ZASS)
2009: Medaille für Verdienste um die Bayerische Justiz
2010: Cicero-Rednerpreis
2011: Wilhelm-Hoegner-Preis der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag
2012: Brüder-Grimm-Preis der Philipps-Universität Marburg
2013: Publizistikpreis der Landeshauptstadt München
2015: Hildegard Hamm-Brücher Preis für Demokratie
2015: Bayerische Verfassungsmedaille in Silber
2016: Ehrendoktor des Fachbereichs Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
2019: Katholischer Medienpreis / Sonderpreis der Jury für die Leitartikel zu den Hochfesten der Kirche
2022: Verleihung des Memminger Freiheitspreises 1525
2024: Große Staufermedaille in Gold
Der Mann sieht sein Gesicht gern im Fernsehen, ist natürlich eitel und prahlt in seinen Kolumnen mit seiner Bildung, indem er prätentiöse Einleitungen schreibt. Aber da er tatsächlich gebildet ist und tatsächlich so gut schreiben kann, verzeiht man ihm das amüsiert.
Heribert Prantl ist ein faszinierendes Beispiel für die Schmidt-Salomonische „Inselverarmung“. Ein hochintelligenter und hochintegrer Mann, der sozial und ethisch immer auf der richtigen Seite steht. Im Laufe der Jahrzehnte habe ich viele seiner Texte ausgeschnitten, bzw abgespeichert, weil die so gut und scharfsinnig sind.
Außer es geht um Religion. Dann fängt er pawlowsch an zu schwurbeln, idealisiert seine naiven Kinderglauben, verschließt die Augen vor der Realität.
Besonders klar sah man das beim „Beschneidungsurteil“ von 2012, als er diametral entgegengesetzt zu seinen humanistischen und rechtlichen Überzeugungen, die Position der Kirchen annahm und sich gegen die Kinderrechte aussprach.
Das war für seine Verhältnisse katastrophal unterkomplex. In diese Kategorie fallen auch seine latenten Sympathien für Covidiotie, die er glücklicherweise nicht weiter vertiefte.
Heute arbeitet Prantl nicht mehr als SZ-Chefredakteur, sondern beliefert Deutschlands beste überregionale Zeitung nach eigenem Gutdünken mit Kolumnen, die fast immer sehr lesenswert sind. Außer, es naht ein christlicher Feiertag. Dann biegt er unweigerlich falsch ab. Dann schaltet er in den Religiotie-Modus und wird besonders peinlich, weil er viel zu schlau ist, um tumb Kirchenpositionen nachzuplappern. Nein, er gibt sich, seiner Bildung entsprechend, als kritischer Geist, bleibt aber generell unfähig, seine eigene Inselverdummung zu bemerken. Zum Karfreitag geht es selbstverständlich wieder los:
[….] Der Karfreitag ist ein Feiertag, an dem es nichts zu feiern gibt. Es ist ein Tag, an dem Ostern viel weiter weg ist als zwei oder drei Kalendertage. [….] In den Kirchen verklingt die Orgel, die Bibel wird zugeschlagen, die Lichter gehen aus; es herrscht Stille, Todesstille; den Gläubigen wird abverlangt, dass sie das aushalten. Es ist dies das Gedenken an einen Justizmord, begangen an einem Jesus von Nazareth vor zweitausend Jahren. [….]
Der Karfreitag bringt eine schmerzhafte Erkenntnis: Da ist keine überirdische Allmacht, die von oben eingreift, die das Schlimme und das Schlimmste verhindert – die klassische religiöse Hoffnung wird enttäuscht. Im Karfreitagsevangelium schreit der Jesus am Kreuz, dass Gott ihn verlassen hat: „Eloi, Eloi, lema sabachtani“, übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Dieser Schrei eines Einzelnen ist der Schrei der Vielen. Karfreitag ist also der Tag der Gottabwesenheit und der Gottlosigkeit. An diesem Tag wird der angeblich Allmächtige nicht verteidigt, an diesem Tag ist die Abwesenheit Gottes anwesend. [….] Dieser Tag mit seinen Schrecknissen, seinen Ungeheuerlichkeiten und der völligen Abwesenheit Gottes wird bisweilen als eine Art Vorspiel für das österliche Happy End betrachtet; das aber ist eine Herabsetzung und Entwertung des Karfreitags. [….]
Der Glaube an Gott verlangt entweder ungeheure Naivität oder ein unglaubliches Ringen. Das Kreuz ist der Identifikationspunkt für Lebens- und Todeserfahrungen, die nicht auflösbar sind. Es ist der Ort für die Warum-Fragen, die unbedingt gestellt werden müssen, auch wenn sie keine letzte Antwort finden. Warum verrät einer seinen besten Freund? Warum wählen so viele Menschen ihre eigenen Zerstörer? Warum habe ich das bloß getan? Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Sollte man Fragen, die keine Lösung finden, besser gar nicht stellen? Im Gegenteil! Sie sind lebensnotwendig und darum österlich. Sie sind Leben. Nicht mehr zu fragen ist der Tod. [….] Auferstehung bedeutet, in den Glauben daran zu springen, dass es sie gibt. Sie ist nicht eine Wiederbelebung des Vergangenen; sie ist das Wunder neuer Hoffnung in den alten hoffnungslosen Situationen. Auferstehung ist, wenn man das Leben wieder spürt. [….](H.P., 16.04.2025)
Es tut mir wirklich weh. Einem durchschnittlich Gebildeten, einem Dorfpfarrer oder einem der üblichen generell Desinteressierten, gestehe ich diese intellektuelle Unterkomplexität gern zu. Aber doch nicht einem Denker, wie Prantl. Wieso begreift er nicht, wie sich all die Theozidee-Verwirrung auflöst, wenn er endlich einsieht, daß Religion eine Fiktion ist und es keinen Gott gibt?
Ich habe ihn mal in einem ausführlichen Leserbrief freundlich auf seinen blinden Fleck hingewiesen und bekam auch prompt eine extrem unfreundliche Antwort, die ihm keinesfalls würdig war. Offensichtlich hatte ich da etwas getriggert.
Ich vermute, tief im Unterbewusstsein weiß er, daß er beim „Lieben Gott“ auf einem unredlichen Irrweg wandelt. Aber er kann sich irgendwie nicht davon lösen und dieses Gaga-Gebäude zum Einsturz bringen.
Ich halte das letztlich für ein psychologisches Problem. Oder vielleicht kann die Hirnforschung da weiter helfen.
Solange nämlich
Religioten das Sagen auf unserem Planeten haben - und das haben sie leider,
Mensch sei’s geklagt, in vielen Teilen der Welt -, sind alle Versuche, das
Zusammenleben der Menschen vernünftiger, freier, gerechter zu gestalten,
notwendigerweise zum Scheitern verurteilt. (Denken Sie nur an die muslimischen
Extremisten in Somalia, die 2011 dringend benötigte internationale Hilfe für
die hungernde Bevölkerung nicht zuließen.) Versuchen wir also angesichts der
Bedeutung dieses Phänomens eine kurze Definition des religiotischen Syndroms:
Religiotie ist eine selten diagnostizierte (wenn auch häufig auftretende) Form
der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination
vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird. Sie führt zu deutlich
unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungen sowie zu unangemessenen
emotionalen Reaktionen, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht.
Bemerkenswert ist, dass sich Religiotie nicht notwendigerweise in einem generell reduzierten IQ niederschlägt: Religioten sind zwar weltanschaulich zu stark behindert, um die offensichtlichen Absurditäten ihres Glaubens zu erkennen, auf technischem oder strategischem Gebiet können sie jedoch (siehe Osama bin Laden) hochintelligent sein. Wie es „Inselbegabungen“ gibt (geistig behinderte oder autistische Menschen mit überwältigenden mathematischen oder künstlerischen Fähigkeiten), so gibt es offensichtlich auch „Inselverarmungen“ (normal oder gar hochintelligente Menschen, die in weltanschaulicher Hinsicht völlig debil sind).
Religiotie sollte daher als „partielle Entwicklungsstörung“ verstanden werden – ein Begriff, den der Entwicklungspsychologe Franz Buggle schon vor Jahren vorgeschlagen hat, um die spezifischen Denkhemmungen religiöser Fundamentalisten zu erfassen.
(Keine Macht den Doofen, s.42f)
Zumal solchen Fälle nicht immer so enden. Ich erinnere an Helmut Schmidt, der als erwachsener intellektueller Mann „so wahr mir Gott helfe“ bei seiner Vereidigung zum Kanzler schwor und noch an die wichtige ordnende Kraft Gottes glaubte, als er schon im Rentenalter war, aber dann doch im Laufe seines weiteren Lernens und Lesens zu der Erkenntnis kam, daß es keinen Gott gibt und er sich selbst als Atheist bezeichnete.
Viele Intellektuelle der Generation wußten das schon seit ihrer Jugend; Marcel Reich-Ranicki zum Beispiel, oder Rudolf Augstein.
Geistig flexibel zu bleiben und diese kulturell aufoktroyierte Religiosität durch intellektuelle Kraft abzuwenden, erscheint mir als die größere Leistung.
Ich kann da gar nicht mitreden, weil meine beiden Eltern schon Atheisten waren, die mich zwar sehr tolerant auf meinen eigenen Wunsch hin zum Konfirmandenunterricht gehen ließen, aber es war für mich kein großer geistiger Kraftakt, das Pfaffengeschwurbel als Unsinn zu detektieren, da ich von zu Hause keinerlei religiöse Rituale kannte und mir keine Ehrfurcht anerzogen war.
Prantl hat es da insofern schwerer, aber er ist ja auch keine 13, wie ich damals.
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