Angeblich verfolgt Trump gar keine Agenda. Es gibt keine Strategie. Er ist nur getrieben von Hass und Egoismus. Süchtig nach Lob, teilt er die Welt ein, in Menschen, die ihm den Arsch küssen und diejenigen, die das verweigern. Es gibt keine außenpolitischen oder ökonomischen Überzeugungen. Er plappert lediglich das nach, was er zuletzt in seiner rechtsextremen Verschwörungstheoretiker-Blase hörte. Biden half der Ukraine, er hasst Biden, also ist er auch gegen die Ukraine. Tagtäglich versprach Trump im Wahlkampf, den Ukrainekrieg binnen 24 Stunden zu beenden – um Biden zu demütigen und dessen Unfähigkeit herauszustellen. Ein zurechnungsfähiger Kandidat, dem so ein hanebüchenes Versprechen entfleucht, würde sich nun intensiv Gedanken machen, wie er das umsetzen soll. Aber erstens ist Trump es gewohnt, ständig zu lügen, ohne über die Konsequenzen nachzudenken und zweitens ist er viel zu borniert und ungebildet, um die Kompliziertheit der Lage zu verstehen.
Er weiß nicht was „Sicherheitsgarantien für die Ukraine“ bedeuten und wie man sie umsetzen sollte. Einfach ein paarmal telefonieren, vielleicht ein bißchen rumbrüllen und dann wird das schon.
Ich war nicht dabei, als das Oval Office mit dem Kreml verbunden wurde, aber die Berichte erscheinen mir plausibel. Trump rief zunächst Putin an, weil er Wolodymyr Selenskyj schon in seiner ersten Amtszeit nicht leiden konnte, während er Putin grenzenlos für seine Machtfülle und Männlichkeit bewundert. Offenbar telefonierte er sogar oft mit Putin, der sich aber keinen Millimeter bewegte. Erst da fiel Trump auf, so ein Schnellfriedensschluss könnte doch komplizierter werden. Um nicht schwach dazustehen, konzentrierte er den gesamten Druck der amerikanischen Macht auf Selenskyj, der klein beigeben muss, um Trump als erfolgreichen Friedensstifter herauszustellen.
So kam es zu dem ikonischen Freitags-Eklat im Oval Office.
Sonntagmorgen, im Presseclub, den ich wegen des Themas ansah, obwohl mit Ronzheimer (BILD) und Brost (FOCUS) gleich zwei rechte Typen dabei waren, herrschte aber Einigkeit. Man empörte sich über die USA und überlegte, wie Europa reagieren könne. Die langjährige Moskau-Korrespondentin Ina Ruck berichtete ausführlich, wie perfekt es für Putin liefe, daß Moskau völlig entspannt und freudig, „wie im Kino“ dem Kollaps seiner Feinde zusehe. Ellen Ehni fragte, was eigentlich passiere, wenn Trump auch noch die Hilfen für die Ukraine ganz streiche. Das konnte sich in der Runde niemand vorstellen. Sicherheitsexpertin Nana Brink („Internationale Politik“ und „Table.Media“) wies das zurück. Aber es dauerte nur 24 Stunden bis auch der Hammerschlag kam.
[….] Die Ukraine wird vorerst keine weitere Militärhilfe der Vereinigten Staaten erhalten. Zahlreiche Medien melden unter Berufung auf ungenannte Vertreter des Weißen Hauses, Präsident Donald Trump habe angeordnet, die noch unter der Vorgängerregierung von Joe Biden bewilligten Lieferungen auszusetzen. "Wir unterbrechen und überprüfen unsere Hilfe, um sicherzustellen, dass sie zur Lösungsfindung beiträgt", sagte ein Mitarbeiter, der anonym bleiben wollte, der Nachrichtenagentur AFP. [….]
Trumps zartes Ego ist verletzt, er will Selenskyj betteln sehen. Das wird insbesondere bitter für die Ukrainische Zivilbevölkerung. Trumps best Buddy Putin lässt Drohnenangriffe auf die Städte fliegen, die sich nur mit dem US-Raketenschirm „patriot“ abfangen lassen. Dafür wird aber jetzt die Munition schnell ausgehen. Es wird also viel mehr tote Frauen und Kinder geben. Verursacht durch Trump, dem Helden der Christen und Lebensschützer.
Und nun? Die EU ist gelähmt durch ihr elendes Einstimmigkeitsprinzip. Putins Agenten Orbán und Fico verhindern effektive Hilfe für die Ukraine und stützen damit auch Trump. Zudem ist die EU notorisch lahm und bürokratisch. Jetzt Aufrüstung und eine EU-Armee zu beschließen, wäre absolut richtig. Sie könnte aber frühestens in zehn Jahren einsatzbereit sein und käme viel zu spät für die Ukraine.
Aber offenbar haben nun sogar Typen wie Merz den Schuß gehört, vollführen eine 180°-Wende und wollen nun genau das tun, was sie die letzten Jahre vehement bekämpften: Gewaltige Schulden aufnehmen! So viel Dreistigkeit haut die Grünen Parteichefs aus den Socken. Den gesamten Wahlkampf mit Grünen-Bashing bestreiten und dann genau das tun, was die Grünen wollten!
Aber es ist richtig. Außerdem begreifen die Großen und die Willigen, daß es nicht über Brüssel funktioniert. Sie bilden eine neue informelle Entente – zusammen mit Nationen, die nicht zur EU gehören; Kanada und dem Vereinigten Königreich.
In diesem Macron/Starmer-Club kann viel schneller gehandelt werden, als im Europäischen Rat.
Trump, in all seiner Doofheit, spielt dieser Entwicklung in die Karten, indem er die Kanadier beleidigt und vergrätzt.
Premier Trudeau will nicht mehr zur Wahl antreten, seine liberale Partei schien erledigt. Aber der rasende Hass aus Washington macht ihn wieder stark. Die Trump-freundlichen kanadischen Konservativen stürzen ab. Die frankophonen und anglophonen Provinzen schließen die Reihen hinter ihrem Regierungschef.
Selbst Separatisten stellen ihre Anliegen zurück und konzentrieren sich auf die Abwehr US-amerikanischer Angriffe.
[….] Sie hielt es für einen geistreichen Witz, aber für die, die dabei waren, war es eine schwere Beleidigung. Als Donald Trumps Grenzschutzministerin Ende Januar die Grenze im Norden besuchte, stellte sie ein Bein in die USA. „Greatest country in the world“, rief Kristi Noem. Das andere Bein streckte die Ministerin des besten Lands der Welt hinüber nach Kanada, auf das Territorium des Nachbarn. „51. Staat“, rief Noem, in olivgrüner Grenzschutz-Kluft. Sie lachte, ihre Mitarbeiter lachten. Sie wiederholte es einige Male.
[….] Ein Regierungsmitglied, das Witze darüber reißt, sich ein souveränes Nachbarland einzuverleiben, eine Idee, die Trump unvermittelt aufgeworfen hatte. Den kanadischen Premierminister Justin Trudeau nennt er nur noch „Gouverneur“. [….] „Kanada entwickelt gerade eine nationalistische Identität, die ich nie zuvor gesehen habe“, sagt Brochu. Im Supermarkt überprüfen Kunden die Ketchup-Flasche auf die Herkunft der Zutaten. Smartphone-Apps sind entstanden, die in Kanada verarbeitete Esswaren aus US-Rohstoffen enttarnen. Bourbon-Whiskeys aus Kentucky und Pinot Noir aus Oregon bleiben im Regal stehen, „proudly Canadian“ und „fièrement Canadien“ sind angesagt.
Louisda Brochu hat entschieden, seine Ferienwohnung in West Palm Beach zu verkaufen. „Die Sonne scheint nicht nur in Florida“, sagt er. Statt sein Geld in den USA auszugeben, will er nach Frankreich reisen, nach Italien. Viele Kanadier denken so wie Brochu, sagt er, sie schrieben ihre Zweitwohnungen so zahlreich zum Verkauf aus, dass die Immobilienpreise eine Delle erhielten. [….] Unfreiwillig trägt der US-Präsident dazu bei, dass Mitte-Links an der Macht bleiben dürfte. In den nächsten Tagen wählt die Partei eine neue Spitze für die Wahlen, die spätestens im Oktober stattfinden. Bei einer Fernsehdebatte – typisch kanadisch, am einen Abend auf Französisch, am nächsten auf Englisch – war Trump Gesprächsthema Nummer 1.
Mark Carney, der Favorit für den Posten des Parteichefs und damit des Premierministers, will die USA mit gezielten Strafzöllen belegen. Vorbereitet sind Abgaben auf Orangen aus Florida, Hähnchenfleisch aus Georgia, Waschmaschinen aus Ohio, es soll die Trump-Wähler treffen. Die Gegenmaßnahmen verhinderten nicht, dass die Angriffe Kanada schwer zusetzen, warnte Carney. Das Land müsse sich stärker mit der Europäischen Union und Großbritannien zusammenspannen, ebenso mit dem Pazifikraum, Australien, Japan. [….]
Früher nannte man es „Europa der zwei Geschwindigkeiten“. Wie beim Euro, sollte nicht gewartet werden, bis JEDER mitmachen will oder mitmachen kann.
Das muss jetzt auch für die Geopolitik gelten. Wir brauchen eine neue demokratische Allianz, die sich für internationales Recht und die Unverletzlichkeit der Grenzen einsetzt. Neben den großen EU-Kernstaaten, gehören dazu Kanada und England, aber eben auch alle anderen Willigen, die sich nicht der russischen, US-amerikanischen und chinesischen Autokratie unterwerfen wollen. Australien, Neuseeland, Japan, Brasilien, Südafrika, Mexiko – wir alle müssen nun zusammenhalten.
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