Wer in den 80er Jahren erwachsen wurde, erlebte die Welt nicht mehr so unerträglich konservativ verkrustet, wie seine Elterngeneration und machte sich berechtigte Hoffnungen auf kontinuierliche gesellschaftliche und politische Verbesserungen. Die Demokratie war eindeutig weltweit auf dem Vormarsch. Grenzen fielen. Diskriminierung gegenüber Frauen, Schwulen, Schwarzen ließ immer mehr nach. Die neue Grüne Partei war etwas Gutes. Und nicht an allem Schuld. Besonders augenfällige Grausamkeiten oder technische Irrwege bekämpfte man gemeinsam, wurde aktiv und zwar nicht, indem mal bloß ein entsprechendes Meme likte. Das Engagement war durchaus fruchtbar. Landminen wurden geächtet, das grausame Todprügeln von Robbenbabys beendet, die Dünnsäureverklappung in der Nordsee verboten. Wir setzten bleifreies Benzin und Katalysatorpflicht, ebenso wie das totale Verbot von FCKWs gegen den erbitterten Widerstand von Industrie und CDU durch, die das für unmöglich hielten.
Es ging immer voran. Wurde besser. Der Moskauer Kreml und die Warschauer Solidarność brachten neue Hoffnungsträger. Natürlich ging auch die technische Entwicklung voran. Da traf es sich für die digital immigrants, wie mich perfekt, daß genau dann, als wir unsere Jugend, Ausgehphase, den Peak der Promiskuität langsam hinter uns ließen und gern mal auch einen Abend in Ruhe verbrachten, das Internet hervorkroch. Peu à peu konnten wir unsere bereits bestehenden Kontakte ins Netz verlegen, die coolen Hits aus der nachtaktiven Twen-Zeit noch mal gemütlich auf YouTube ansehen und uns beim Lachen über FAIL-Compilations zusätzlich freuen, weil unsere eigenen betrunkenen Peinlichkeiten nie gefilmt worden sind. Es besteht keinerlei Gefahr, unrühmliche Episoden aus meiner Jugend heute im Netz auftauchen zu sehen, weil damals niemand ein Klugtelefon hatte.
Der Optimismus wurde uns mit Social Media allerdings ausgetrieben. Ganz offensichtlich verblöden die Digital Natives massiv und wenden sich durch eine Flut von Bots und Fehlinformationen, die sie nicht von seriösen Informationen zu unterscheiden gelernt haben, immer mehr rechten Autokraten zu.
Die Hoffnung im Osten starb schon längst. Nun kommen von dort Orbán, Putin und PiS. An Demokratien wird massiv gerüttelt. Pressefreiheit und unabhängige Justiz fallen. Oder sind gefallen. Polen, Ungarn, USA, Russland, Türkei, Israel, Österreich.
[….] Weltweit hat sich die Lage der Demokratie laut einer Bertelsmann-Studie massiv verschlechtert: Die Zahl der Demokratien unter den Entwicklungs- und Schwellenländern sank demnach auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren. [….] Die Demokratie gerät einer Studie zufolge weltweit zunehmend unter Druck. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle "Transformationsindex" der Bertelsmann Stiftung mit Blick auf 137 untersuchte Entwicklungs- und Schwellenländer von Algerien bis zur Zentralafrikanischen Republik.
"Zu keinem Zeitpunkt wurden in den vergangenen 20 Jahren so wenige Staaten demokratisch regiert wie heute", lautet das ernüchternde Urteil der Studie. 63 Demokratien stehen zurzeit einer Mehrheit von 74 Autokratien gegenüber. Zugleich attestierten die Autoren vielen Staaten ökonomische Ungleichheit und eine verfehlte Wirtschaftspolitik. In 83 der 137 Länder herrsche eine massive soziale Ausgrenzung. […]
Insbesondere killt uns aber der Klimawandel, der bisher schon viel zu wenig bekämpft wurde und der von den neuen Faschisten teilweise noch nicht mal als Tatsache anerkannt wird.
Von Trump über Putin bis Lindner und Merz, ist da nichts zu erwarten und so werden wir als Homo Sapiens garantiert in den nächsten hundert Jahren untergehen.
Bisher tröstete ich mit meinem günstigen Lebensalter, der günstigen geographischen Lage und meiner Kinderlosigkeit. In Nordeuropa wird es auch ungemütlicher, aber man kann noch länger überleben, als in vielen anderen Teilen der Welt.
Möglicherweise kann man es sich irgendwo in Schleswig Holstein noch bis zum Rentenalter und ein paar Jahre drüber hinaus gemütlich machen, bis alles zusammenbricht. Mit ungefähr 70 sollte ich aber final abreisen. Schon allein, weil es nicht möglich sein wird, dann noch adäquat gepflegt zu werden, sofern man nicht über enorme finanzielle Mittel verfügt. Das ist in Ordnung. Ich hatte ohnehin nicht vor, länger auf dieser Affenkugel zu weilen, als meine physische Autarkie anhält.
Seit etwa 2022 verschärft sich aber das Tempo des Niedergangs. Kickl ante portas, Fritze Merz schreitet mit Siebenmeilenstiefeln auf die AfD zu. Mag die Brandmauer diesen Februar so eben noch halten; bei der Bundestagswahl von 2029 ist sie obsolet. Europa wird dann von vielen Faschisten regiert, die nach Zuckerbergs und Musks Pfeife tanzen.
Die Autokraten nehmen sich, was sie wollen.
Trump sagt heute, er schließe nicht aus, sich Grönland und Panama auch mit militärischer Gewalt einzuverleiben. Den Golf von Mexico benennt er in „Golf von Amerika“ um. Er will das 2%-Ziel der NATO auf 5% erhöhen – viel Spaß Bundeskanzler Merz mit der Schuldenbremse.
Das werden wohl doch keine 15-20 Jahre mehr bis zum Untergang der Menschheit. Es könnte erheblich schneller gehen.
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