Mittwoch, 15. Januar 2025

Das Merz-Missverständnis.

Die politische Großwetterlage ist so günstig für die CDU. Die Ampel am Boden, der Sozi-Kanzler historisch unbeliebt, die Grünen von weiten Teilen der Presse und den Faschisten zum General-Buhmann herabgewürdigt. Das Wachstum bleibt auch 2024 wieder aus. Das Volk sorgt sich um Migration und Wirtschaft - die angestammten Kernthemen der Christen-Union.

Ein überzeugender CDUCSU-Kanzlerkandidat sollte da eigentlich spielend eine absolute Mehrheit bekommen.

Da trifft es sich leider schlecht für die CDU, nicht über so einen Kandidaten zu verfügen, sondern stattdessen auf ein fast 70-Jäheriges Greenhorn zu setzen, das nicht nur über keine Regierungserfahrung verfügt und durch drastische ökonomische Unkenntnis auffällt, sondern zu allem Übel auch noch mit persönlichen Beliebtheitswerten von Fußpilz oder Mundfäule aufwartet.

Merz ist charakterlich zutiefst abstoßend und gibt sich große Mühe, diese Tatsache jeden Tag erneut unter Beweis zu stellen.

[….] Es gibt frische Umfragen von ARD und ZDF vor der Bundestagswahl – für Friedrich Merz sind die Zahlen allerdings höchst besorgniserregend. Zwar führt die Union weiter deutlich vor den anderen Parteien, doch besonders seine persönlichen Zustimmungsraten stürzen bedenklich ab. [….] Vor allem bei Infratest dimap für die ARD zeigt sich ein klarer Trend seit Oktober. Dabei waren noch 34 Prozent der Befragten mit Merz zufrieden, nun sind es nur noch 25 Prozent. Ein anderer Kanzlerkandidatin wird derweil immer beliebter.

Merz auf Laschet-Tiefpunkt – dabei hat Wahlkampf noch nicht richtig begonnen  Doch zunächst weiter zu Merz: Der Wert von 25 Prozent bei der ARD ist deckungsgleich mit den 25 Prozent, die Armin Laschet 2021 bekommen hat. Die Zufriedenheit ist also auf demselben Tiefpunkt wie beim damaligen Kanzlerkandidaten nach seinem Lacher-Eklat im Hochwassergebiet! Nun aber beginnt die heiße Wahlkampfphase erst und Merz ist bekannt dafür, in Fettnäpfchen zu treten. [….] Auch die ZDF-Zahlen zeigen, dass Merz immer unpopulärer wird. So verlor er in der ersten Januar-Umfrage zwei Prozentpunkte bei der Frage zur Kanzler-Direktwahl. Nur noch 27 Prozent würden ihn bei einer fiktiven Direktwahl wählen wollen. All das hat auch Auswirkungen auf die Zustimmung zur Union bei der Sonntagsfrage. Wäre nun Bundestagswahl würden CSU/CDU bei ARD und ZDF jeweils auf 31 Prozent kommen – bei beiden Sendern ein Minus von zwei Prozentpunkten. [….]

(Der Westen, 15.01.2025)

Als Sozialdemokrat hämisch über eine Partei, die bei 30% steht, zu lachen, wirkt zwar verzweifelt. Aber natürlich müsste Merz eigentlich viel besser dastehen. Er hat es so viel leichter als Scholz, musste noch nie Verantwortung übernehmen, sich nicht mit realen Problemen beschäftigen oder gar garstige Koalitionspartner dirigieren. Spätestens vor gut drei Jahren zu seinem Amtsantritt als CDU-Chef und CDUCSU-Fraktionschef, hätte er aber Strategien und Konzepte entwickeln müssen, um alternative Politik zur Ampel vorzustellen; Antworten auf die vielen Probleme zu haben.

Das versäumte er aber auch ganzer Linie, weil es gar nicht möglich ist, zu seiner modernitätsfeindlichen, wissenschaftlich widerlegten Trickledown-Ideologie der einseitigen finanziellen Bevorzugung der Superreichen ein realitätstaugliches Konzept zu erstellen. Auf einen 1.000-Milliarden-Investitionsstau und eklatanten Fachkräftemangel, mit nicht gegenfinanzierter 100 Mrd. Euro Steuersenkung für die Topverdiener, Schuldenbremse, Ausländer raus-Polemik, sowie der Kriminalisierung von Cannabis und Transsexualität zu antworten, kann in keinem Universum funktionieren. Daher drischt Merz nur auf Grüne und Rote ein, bleibt aber wirr und vage, wenn es um die eigene Programmatik geht.

[….] Im Sommer 2023 forderte die CDU ein Fünf-Punkte- Programm und Anfang 2024 ein Sofortprogramm, die vor allem eine Abschaffung der Erbschaftsteuer und Steuererleichterung für Unternehmen beinhalteten. Ein großer wirtschaftspolitischer Widerspruch für Merz besteht in seinem Ausschließen sowohl einer Veränderung der Schuldenbremse als auch von Steuererhöhungen. Er kritisiert den Bundeshaushalt 2025 und fordert weitere Einsparungen, vor allem bei den Sozialausgaben. Wissenschaft und Wirtschaft fordern ein großes Investitionsprogramm, um eine Deindustrialisierung zu vermeiden. Ein Kanzler Merz wird die öffentlichen Investitionen jedoch weiter kürzen oder seine eigenen Worte schlucken müssen und eine Kehrtwende bei Steuern und Schuldenbremse vollziehen müssen.

Merz lehnt eine Stärkung Europas bei der Wirtschaftspolitik vehement ab. So attackierte er kürzlich die Vorschläge von Ex-EZB-Chef Mario Draghi für eine gemeinsame Industriepolitik und mehr europäische Investitionen. Deutschland soll von Europa profitieren, mehr gemeinsame Verantwortung lehnt er jedoch ab – auch dies ist ein Widerspruch, den er auflösen muss.

Bei der Arbeitsmarktpolitik will Merz zusätzliche Beschäftigte durch die Steuerbefreiung von Überstunden und eine Reform des Bürgergelds schaffen. Wissenschaftliche Studien legen nahe, dass keine dieser beiden Maßnahmen mehr Menschen in Arbeit bringen wird. Das große Potenzial bei der Erwerbstätigkeit von Frauen und Geflüchteten dagegen sieht er kritisch. Viele Maßnahmen zur schnelleren Integration von Ausländern –wie eine klare Bleibeperspektive – lehnt er genauso ab wie Reformen von Minijobs, Ehegattensplitting und Mitversicherung. [….]

(DIW-Präsident Marcel Fratzscher, 20.09.2024)

Grüne und Sozis werfen Merz oft vor, als Blackrocker einseitig die Interessen der Reichsten zu vertreten. Das ist insofern richtig, als Merz tatsächlich nur an die Wohlhabenden und nicht an die Gesamtgesellschaft denkt.

Aber es ist insofern unrichtig, als Merz automatisch zugestanden wird, über ökonomische Kompetenz zu verfügen, weil er bei Blackrock war.

Sicher haben Unternehmer, insbesondere Familienunternehmer, die aus der Praxis kommen und automatisch langfristig denken, weil sie Arbeitsplätze und die Substanz für ihre Nachfahren erhalten wollen, eine gewisse Kompetenz, weil Wirtschaft nun einmal ihr Metier ist. Das betrifft aber offenkundig nicht Risikomanager; beispielsweise in der Autoindustrie, die Milliarden verschieben, ohne irgendwelche persönliche Haftung zu übernehmen und an ihre Jobs gekommen sind, weil sie auf den entsprechenden Elite-Einrichtungen waren und gelernt haben, sich bei den Mächtigen einzuschmeicheln. Deutschlands Wirtschaft krankt ganz wesentlich am Totalversagen der Manager der Großindustrie. Blackrocker Merz wurde aber nicht in dieser Szene reich, weil er auf internationalen Business-Schools war oder Erfahrungen hätte, Firmen zu leiten. Nein, er ist bloß ein Provinz-Jurist als Brilon, der in der Bonner-Republik zum CDU-Fraktionsvorsitzenden der Opposition wurde und anschließend sein Adressbuch versilberte. Blackrock wollte ihn haben, weil er die Kontakte in Ministerien und den deutschen Beamtenapparat hatte. Er wurde als Kontakt-Dummerle benutzt und nicht für seine ökonomische Expertise bezahlt.

Selbstverständlich hofieren die Wirtschaftslobbyisten Friedrich Merz und freuen sich, wenn ihr Useful Idiot Multimilliarden Steuergeschenke ankündigt, weil diese in ihre Taschen fließen.

Ganz anders sieht es aber aus, wenn Merz über allgemeines „Umverteilen von unten nach oben“ hinaus, seine ökonomischen Ansichten ausplaudert.

In dem Fall sind diejenigen in der Wirtschaft, die etwas von Wirtschaft verstehen, stets entsetzt.

[…..] CDU-Kandidat fordert Steuervorteile: Ökonomen kritisieren Merz' Aktien-Vorstoß.  Friedrich Merz - Chefaufseher beim Milliarden-Investor Blackrock - will Aktienkäufer steuerlich begünstigen. Das soll die Altersvorsorge der Deutschen stabilisieren. Wirtschaftswissenschaftler widersprechen. [….]

(SPON, 03.12.2018)

[….] Merz würde mit seinem Sofortprogramm der Konjunktur mehr schaden als nützen. Denn was für das einzelne Unternehmen und ihre Eigentümer*in gut ist, muss nicht unbedingt förderlich für die ganze Volkswirtschaft sein. Denn zu ihr gehören auch die Beschäftigten. Und die würden unter den Maßnahmen sicherlich leiden. Deshalb sollte Merz nie die Chance bekommen, Kanzler zu werden.  [….]

(Simon Poelchau, 12.02.2024)

[….] Ich vermute, dass sowohl Merz als auch die Partei einem Trugschluss unterliegen und annehmen, dass seine Tätigkeit in Aufsichtsräten ihm wirtschaftspolitische Kompetenz verleiht. Er ist Jurist, er hat keine ökonomische Ausbildung. Das alleine spricht jemandem zwar nicht die Kompetenz ab. Doch in den vergangenen Monaten hat Merz einige Äußerungen gemacht, bei denen man den Eindruck gewinnen konnte, er habe grundlegende ökonomische Zusammenhänge nicht verstanden - etwa beim Begriff der Liquiditätsfalle. Ein anderes Beispiel: Merz sagt, die Zinsen seien zu niedrig. Zugleich lehnt er neue Schulden ab. Wenn er - warum auch immer - höhere Zinsen will, müsste er aber eigentlich für mehr Staatsschulden sein. Es gibt einfache Marktgesetze, die den Zins nach oben treiben. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Zinshöhe und Fiskalpolitik. Das Verständnis dafür scheint mir bei Merz etwas unterentwickelt zu sein.  [….]

(Ökonom Rüdiger Bachmann, 13.09.2024)

[….]  Aus der Wirtschaft kommen bereits die ersten kritischen Stimmen zum frisch gebackenen Kanzlerkandidaten. Eine davon gehört Marcel Fratzscher, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaft.

DIW-Präsident kritisiert Friedrich Merz – „massiver und nicht zu behebender Schaden“  Laut dem DIW-Präsidenten Marcel Fratzscher wäre ein etwaiger Kanzler Merz eher ein Hindernis für eine wiedererstarkende Wirtschaft. Fratzscher zufolge sind Merz‘ Vorwürfe, Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ampel-Koalition seien an der schwachen Konjunktur schuld, schlichtweg unglaubwürdig – und die Pläne, die die CDU bereits vorgelegt hat, seien „aus der Hüfte geschossen.“

Mehr noch: Der deutschen Wirtschaft würde es „vermutlich schlechter gehen“, wenn Merz schon Kanzler wäre, zitierte die Neue Osnabrücker Zeitung den DIW-Präsidenten. Als Beispiel zog Fratzscher eine Drosselung vom Tempo der Transformation heran, die Merz versprochen hatte – dies würde die Deindustrialisierungsgefahr steigern und einen „massiven und nicht wieder zu behebenden Schaden“ anrichten. Kurz gesagt: „Aus volkswirtschaftlicher Perspektive stimmen mich Merz‘ Positionen daher sehr besorgt.“ […..]

(FR, 23.09.2024)

[….] Unternehmen kritisieren CDU-Ankündigungen zum Heizungsgesetz

Die Unionspolitiker Friedrich Merz und Jens Spahn wollen das Heizungsgesetz zurücknehmen. Die Branche reagiert mit massiver Kritik – und fürchtet Verunsicherung bei allen Beteiligten. [….]

(Handelsblatt, Catiana Krapp, 21.12.2024)

[….] »Populistische Rhetorik« Mittelstand kritisiert Merz’ Ausbürgerungsidee.

Im Wahlkampf will Friedrich Merz mit Wirtschaftskompetenz punkten. Doch mit seinem Vorschlag, straffällig gewordenen Doppelstaatlern die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, verärgert der CDU-Mann nun Unternehmer.  [….]

(SPON, 09.01.2025)

[….] Ein Auftritt von Friedrich Merz in Bochum hat Streit im Wahlkampf ausgelöst. Der CDU-Chef zweifelte die Pläne für einen raschen Umbau der Stahlindustrie auf eine klimafreundliche Wasserstoffwirtschaft an. "Ich glaube persönlich nicht daran, dass der schnelle Wechsel hin zum Wasserstoff-betriebenen Stahlwerk erfolgreich sein wird", so der Kanzlerkandidat am Montagabend bei einer Betriebsrätekonferenz der CDU-Arbeitnehmerschaft CDA. [….] Die IG Metall reagierte ebenfalls. "Ich lade den CDU-Vorsitzenden ein, ihm die Bedeutung grünen Stahls für Industrie und Arbeitsplätze vor Ort in einem Stahlwerk zu erläutern", sagte Gewerkschafts-Vize Jürgen Kerner. An der Frage, "ob es gelingt, grünen Stahl in Deutschland zu produzieren, hängen Zehntausende Arbeitsplätze". ThyssenKrupp bekräftigte, an der grünen Transformation festzuhalten. Zugleich räumte das Unternehmen "an diversen Stellen Verzögerungen beim Aufbau von Infrastruktur und Produktionskapazitäten für eine zuverlässige Wasserstoffversorgung" ein.  [….]

(Tagesschau, 14.01.2025)

1 Kommentar:

  1. ALLE von dir vorgebrachten Argumente haben nur dann Gewicht, wenn Deutschland im Fokus der Interessen steht. Das verkennt fundamental, wie Reiche ticken. Die sehen allein ihren persönlichen Vorteil und scheißen auf das Land oder ihre Mitmenschen. Darum sind sie überhaupt erfolgreich. Ihnen fehlen Empathie und Vernunft, es sind Soziopathen. Sie sehen sich in einer globalisierten Welt von jeder Verantwortung befreit. Für genau diese Charaktere machen Wirtschaftsliberale Politik.

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