Samstag, 17. April 2021

Ey, Anne Will!

Journalismus macht Spaß im Moment. Ich empfinde die großen ausführlichen Wochenendgeschichten der großen Periodika zum Thema „Laschet vs Söder“ sehr erhellend und kurzweilig.

Insbesondere, wenn man bedenkt, daß die CDUCSU inzwischen über keinerlei erkennbare Programmatik verfügen, sondern einzig als devote Lobby-Erfüllungsgehilfen agieren.

Ist es nicht ausgesprochen kurios, wie sich ausgerechnet Corona-Versager Markus Söder vom Urnenpöbel als besonders Pandemie-Kompetent eingeschätzt wird?
Bayerns aktuelle Inzidenz liegt bei 182, die drei konservativen Freistaaten Sachsen, Bayern und Thüringen haben die schlechtesten Pandemie-Zahlen aller 16 Bundesländer, obwohl die dicht bevölkerten Staatstaaten erheblich schwierigere Bedingungen aufweisen.

Die Intensivstationen in den Freistaaten sind schon so überlastet, daß Corona-Patienten beispielsweise nach Hamburg geflogen werden müssen.

Der CSU-Chef gilt den Deutschen als Kanzler-tauglich, weil sie seine klare Linie schätzen. Ausgerechnet!

[….] "Wir wollen die dritte Startbahn, weil Bayern ohne sie langfristig große Nachteile bekommen wird." (2017)

"Da ist es aus meiner Sicht völlig illusorisch zu glauben, dass jetzt eine dritte Startbahn benötigt würde, noch, dass das in den nächsten acht bis zehn Jahren stattfinden kann." (2020) [….]

"Wir brauchen zunächst eine Art Bestandsschutzklausel für Länderkompetenzen. Es darf keinen weiteren Eingriff in Länderkompetenzen durch den Bund geben. (...) Der Föderalismus wird ausgehöhlt, und das belastet das Miteinander."  (2019)

"Ich hätte mir mehr Kompetenzen des Bundes über das Infektionsschutzgesetz vorstellen können, das die Länder auch zu klaren Regeln zwingt. Ich bin da sehr dafür und offen." (2021) [….]

(Markus Söder)

Kein Politiker ist so opportunistisch/populistisch wie Söder. Der Mann hat gar kein Rückgrat und vertrat zu allen von ihm behaupteten Thesen genauso vehement auch das Gegenteil dessen.

[…..] Söder hat noch vor Kurzem Kreuze an Behörden-Wände nageln lassen, weil er sich als Leitkultur-Hengst etablieren und gegen den Islam positionieren wollte. Populistisch und schädlich war das, in einem Land, in dem Religion und Verwaltung nichts miteinander zu tun haben dürfen. Er sprach im überaus hässlichen AfD-Slang von „Asyltourismus“, ganz so, als sei Flucht eine Variante von TUI-All-Inclusive, weil er meinte, ganz rechts seien wichtige Stimmen zu holen. Söder, so hat es die Autorin einer Söder-Biografie im „Spiegel“ sehr deutlich zusammengefasst, sei prinzipienlos, überehrgeizig, unsympathisch und ein Opportunist. Und die Leute lieben ihn zurzeit. […]   Das liegt wahrscheinlich daran, [….] daß Söder, der Erfinder der „Bavaria One“, einer bayerischen Weltraummission mit seiner Visage als Logo (!), sein gewaltiges Ego im vergangenen Jahr in eine für ihn perfekt passende Form gießen konnte: die des [….] Pandemie-Managers. [….]

(Mopo Chefredakteur Maik Koltermann, 17.04.2021)

Fünf Mal lud ihn die konservative Anne-Will-Redaktion 2020 in die wichtigste Talkshow, um an seinem Image zu feilen.

Nun ist Söder trotz seiner nicht vorhandenen Glaubwürdigkeit ein mächtiger Mann. Als Ministerpräsident und Chef einer der drei Groko-Parteien, redet er ein Wörtchen mit.

Man kann also argumentieren, daß er zwar im Gegensatz zu Karl Lauterbach über kein Fachwissen verfügt und daher nichts Erhellendes zur Pandemie beitragen kann, aber er ist ein bedeutender politischer Entscheidungsträger.

Schlechter Journalismus bleibt es dennoch, wenn man so einem Dampfplauderer immer wieder zur besten Sonntags-Abend-Sendezeit den Roten Teppich ausrollt, um sich zu inszenieren.

Vollkommen unsinnig hingegen ist Anne Wills Vorliebe für den AFDP-Chef Lindner, der ebenfalls in schöner Regelmäßigkeit bei ihr seinen opportunistischen Senf dazu gibt.

Christian Lindner hat in seinem politischen Leben, das immerhin auch schon 20 Jahre währt, noch bei jeder Prognose und Personalentscheidung vollkommen danebengelegen.

Sein Davonlaufen als FDP-Generalsekretär, nachdem er den total ungeeigneten Außenminister Westerwelle gepuscht hatte, der Rückzug von Jamaika, Linda Teuteberg, Kemmerich, die Feststellung FFF solle den Klimawandel Fachleuten wie ihm überlassen – es ist schon fast ein Gesetz: Wenn Lindner etwas ankündigt, wird das diametrale Gegenteil passieren.

Er ist aber nicht nur ein eitler Mensch ohne politische Urteilskraft; denn damit wäre er bloß ein schlechter, aber irrelevanter Politiker; sondern er ist gefährlich.

Lindner sucht immer wieder den Schulterschluss zu den Covidioten, stimmt zusammen mit der AfD ab, übernimmt rechtspopulistische Rhetorik.

Zur Freude Gaulands und Weidels übernahm er in der vergangene Woche deren Drohung gegen die von Merkels „Notbremsenplan“ vorgesehenen Ausgangssperren sofort zum Bundesverfassungsgericht zu rennen.

[….]  Merkel nannte den Plan zur gesetzlichen Notbremse verhältnismäßig und notwendig. Die Opposition widersprach aus unterschiedlichen Gründen. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel nannte die Mittel der Regierung primitiv und bezweifelte die Aussagekraft von Corona-Tests.  [….]   FDP-Chef Christian Lindner kündigte vorsorglich eine Verfassungsbeschwerde gegen mögliche Ausgangssperren an. [….]  (Tagesschau, 16.04.2021)

Die Bundesnotbremse, die laut einhelliger Meinung fast aller Virologen und Krankenhausärzte zu schwach und zu spät kommt, will Lindner Hand in Hand mit den hysterisch völkischen AfD-Extremisten aufhalten.  Lindner schert sich nicht um die Opfer der Pandemie, um die überfüllten Intensivstationen, um die Myriaden Ärzte, Schwestern und Pfleger, die in die grauenhafte Triage-Falle gejagt werden.

Lindner profitiert vom Corona-Chaos, von Frust und Tod, da er daraus sein populistisches FDP-Süppchen kocht.

Durchaus erfolgreich: Die FDP liegt bei der Sonntagsfrage wieder um die 11%

Christian Lindner betätigt sich inzwischen als geschulter Demagoge, streut gezielt Falschinformationen.

[….] Christian Lindner kritisiert wieder und wieder die geplante Notbremse der Bundesregierung. Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD, nutzt die Chance im Bundestag und macht dem FDP-Chef eine klare Ansage.

 

  Lauterbach hat genug von Lindners ewigem Protest – und macht das im Bundestag mehr als deutlich: „Mit dieser Haltung, das wir uns hier gegenseitig kompliziert erklären, was alles in Deutschland nicht funktioniere, was aber im Ausland funktioniert hat – mit dieser Debatte kommen wir nicht weiter“, sagt der SPD-Politiker an Lindner gerichtet.  Er appelliert an die FDP, genau wie an alle anderen Parteien: „Wir brauchen Pragmatismus und keine Gegenseitige Aufklärerei, was alles nicht funktioniert.“ Er bitte darum, dass man in der Ausgangssperre eine „notwendige, aber nicht hinreichende Maßnahme“ sehe. Es brauche auch zusätzliche Maßnahmen.  „In keinem Land ist es gelungen, eine Welle mit einer B.1.1.7.- Mutation noch mal in den Griff zu bekommen, ohne dass man nicht auch das Instrument der Ausgangsbeschränkungen genutzt hätte“, sagt Lauterbach. [….]

(MoPo, 16.04.2021)

Und Anne Will?
Sie geht morgen wieder auf Sendung und lädt zum Thema „Bundesnotbremse“ Peter Altmaier und Christian Lindner ein.

Altmaier ist auch nicht viel kompetenter, aber Mitglied der Bundesregierung und Wirtschaftsminister. Seine Stimme hat qua Amt Gewicht.

Lindner hingegen ist rein destruktiv und überflüssig.

Der Mann hat sich bekanntlich zickig der letzten Bundesregierungsbildung verweigert und sitzt nun machtlos in der Opposition.

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