Sascha Lobos Kolumne von gestern, in der er die Berichterstattung über Trumps gefährliche Umtriebe scharf kritisiert, ist wichtig.
»Sagen, was ist« reicht allein nicht mehr. Es gilt auch, zu »werten, was gewertet werden muss«.
Die meisten Medien, auch die Seriösen, normalisieren ihn nämlich, indem sie seine Attacken in sachliche Termini überführen und nicht ausreichend einordnen. Indem sie das nicht tun, rechtfertigen sie ihn schleichend.
Man kann aber einen Verbrecher, welcher die Demokratie zerstört und offen die Gewaltenteilung in eine absolutistische Alleinherrschaft überführt, nicht normalisieren.
Jüngste Volte: Trump lässt missliebige Richter, die nicht so urteilen, wie er will, vom FBI verhaften.
Unglücklicherweise gibt es auf der Welt mit Wladimir Putin einen zweiten extrem mächtigen Verbrecher ohne moralische Skrupel, der zwar ökonomisch erheblich schwächer, dafür allerdings wesentlich intelligenter als Trump ist und ihn daher nach Belieben für seine Pläne ausnutzen kann.
[….] Alle Welt tut immer so, als sei Wladimir Putin ein Politiker. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass er ein politisches Amt bekleidet, das des Präsidenten der Russischen Föderation. In Wahrheit aber ist Wladimir Putin ein Gangster. Und zwar nicht nur irgendein hütchenspielender Kleinkrimineller oder Straßenschläger von der Ecke, sondern ein Verbrecher von globalen Dimensionen, noch dazu ein sehr erfolgreicher. [….] Offenbar steht der Kriegsherr im Kreml kurz davor, die Belohnung für seinen illegalen, brutalen, in jeder Hinsicht menschen- und völkerrechtswidrigen Raubzug in der Ukraine zu kassieren. Überreicht wird diese ihm in Form eines sogenannten Friedensplans, der von zwei New Yorker Immobilienkaufmännern zusammengestoppelt wurde – Donald Trump und Steve Witkoff –, die dummerweise derzeit als Präsident der Vereinigten Staaten respektive als dessen Ukraine-Verhandler tätig sind. Wobei „zusammengestoppelt“ vielleicht eine zu freundliche Charakterisierung ist – was bisher über den Inhalt bekannt ist, klingt eher so, als habe Putin Witkoff eine Liste von Forderungen diktiert, die Trump dann der Ukraine als „letztes Angebot“ der USA weitergeleitet hat. Demnach soll das Opfer der Aggression dem Aggressor de jure und/oder de facto große Teile der besetzten Gebiete überlassen, die USA sollen eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato für immer verhindern und die gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen aufheben.
Die Ukraine bekommt im Gegenzug für diese Zugeständnisse – eigentlich nichts. So funktioniert Weltpolitik, wenn ein erpresserischer Diktator, der Krieg, Mord und Vergewaltigung für legitime Mittel hält, und ein großmäuliger Narzisst sie machen, dessen geschäftliche und diplomatische „Deals“ in der Regel aus Insolvenzen und Kapitulationen bestehen.
Aber das ist die Welt, in der wir jetzt leben. So sehen Leute wie Putin und Trump die internationalen Beziehungen: Der Stärkere hat immer recht, und wenn der Schwächere sich nicht beizeiten unterwirft, ist eigentlich er daran schuld, wenn die Bomben fallen. [….]
Die globale mediale Weichspülung des trumpschen Treibens funktioniert erschreckend effektiv. Ganze Staaten, europäische Regierungschefs, mehrere deutsche Parteien, Publizisten kaufen inzwischen die verbrecherische Trumputinsche Pervertierung der Welt ab, reden ihnen nach dem Mund.
Dabei sind die „Argumente“ des US-Präsidenten an Perfidie nicht zu überbieten: Putin habe enorme Zugeständnisse an die Ukraine gemacht, indem er noch nicht die gesamte Nation überrollt; noch nicht alle Ukrainer massakriert, noch nicht alles zerstört habe. Nun müsse sich aus Dankbarkeit auch Selenskyj bewegen.
[….] Der US-Präsident und sein amtlich bestallter Kläffer J. D. Vance wollen „einen Deal“, der den Begriff Friedensabkommen ins Lächerliche, ja ins Absurde zieht. Trump möchte eine für die Ukraine eigentlich unannehmbare Vereinbarung erzwingen: eingefrorener Frontverlauf, völkerrechtlich verbindlicher Verzicht auf die Krim, dauerhaftes Nein zur Nato-Mitgliedschaft, keine belastbaren Sicherheitsgarantien. [….] De facto läuft sein Deal auf eine neue ukrainische Teilung hinaus: zwischen dem Aggressor Russland und dem Kriegsgewinnler USA. Denn Washington versucht, aus der gedemütigten Rumpf-Ukraine noch herauszuschlagen, was es kriegen kann. Die Bezahlung bereits gelieferter Waffen, Zugang zu Seltenen Erden, den Betrieb von Europas größtem Atomkraftwerk.
Das wären Reparationen, die das Opfer zahlt: Perverser lässt sich Frieden kaum gestalten. Selten hätte ein Angriffskrieg sich so sehr gelohnt. Wenn man die enorme Zahl gefallener Soldaten aufseiten Russlands außer Acht lässt – was Putin tut –, wäre der Ukrainekrieg für Moskau ein Bombengeschäft gewesen, im Wortsinne. Nach einem Friedensschluss à la Trump – samt einem Ende der Sanktionen gegen Moskau – könnte Putin seine Streitkräfte wieder aufrüsten, frische Truppen ausheben und sich in vier oder fünf Jahren den Rest der Ukraine holen. [….] Wer Krieg für einen politischen Betriebsunfall hält und nicht für ein grauenvolles historisches Kontinuum, sollte auf die professionell Berufenen hören. Carsten Breuer, Deutschlands oberster General, ist kein Säbelrassler. Er sagt: „Ich glaube, es war in den 40 Jahren, in denen ich Soldat bin, noch nie so bedrohlich wie jetzt gerade.“ [….]
(Thomas Avenarius, 24.04.2025)
Nicht nur Precht, Schwarzer und Wagenknecht, Berliner Zeitung und Emma, BSW und AfD, folgen der Putinschen Perversion. Nein, der Schlächter verfügt auch über viel Sympathie in der ostdeutschen CDU und allgemein bei den Ossis.
[….] Gedenken an Kriegsende in Torgau: Kretschmers Botschaft an Russlands Botschafter[….] Vor 80 Jahren trafen sich in Sachsen sowjetische und amerikanische Befreier. Zum Gedenken kam auch Russlands Botschafter. Nicht er wurde ausgebuht. [….] Applaus und empörte Buhrufe vermengen sich, als Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) den Höhepunkt seiner Rede erreicht und sich direkt an den russischen Botschafter wendet. Kretschmer steht am Freitagvormittag im sächsischen Torgau am Fuße des Monuments der Begegnung. Kyrillische Buchstaben über ihm ehren die Rote Armee und ihre Verbündeten für den Sieg über das faschistische Deutschland. [….] Jährlich gedenkt Torgau feierlich diesem Tag. [….] Krieg sei das Schlimmste, was es gibt, beschwört Kretschmer und wendet sich dann an den russischen Botschafter Sergej Netschajew, der inmitten der Menge vor dem Monument steht und lauscht.
Manche der Zuhörer:innen tragen wie der Botschafter das Sankt-Georgs-Band, das seit Beginn des russischen Angriffskriegs als Propagandazeichen gilt. [….] Unmittelbar vor Beginn des offiziellen Gedenkens kamen zudem Rocker des russisch-nationalistischen Motorradclubs „Nachtwölfe“ zum Denkmal. Sie legten Kränze und rote Nelken nieder. Vor den Motorrädern ritt eine Frau mit einer Russland-Fahne auf einem Pferd. [….] Kretschmer sagt, er habe eine Botschaft an Netschajew: „Es war Russland, das einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukrainer begonnen hat.“ Netschajew blickt unverändert auf Kretschmer. [….] Während der letzten Worte applaudieren einige der Anwesenden, andere buhen Kretschmer für diese Bemerkung aus. [….]
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