Während ich über vier Jahre mit dem Ausländeramt in Hamburger verhandelte, weil ich nach über einem halben Jahrhundert in Deutschland, als in Deutschland, von einer deutschen Mutter in eine deutsche Familie Geborener, einen roten Pass haben wollte, lief mein US-Pass ab. Verdammt, ich hatte gehofft, rechtzeitig den deutschen Pass zu bekommen, um mich nicht mehr mit den inzwischen aus Hamburg weggezogenen US-Konsulatsdiensten um einen neuen US-Pass und, noch viel schlimmer, um eine neue unbefristete Aufenthaltsgenehmigung bei den deutschen Behörden bemühen zu müssen. Schließlich hatte das passenderweise bei der Behörde für Inneres UND SPORT angesiedelte Einbürgerungsamt, bereits jede erdenkliche Information und Dokumentation von mir erhalten. Der totale finanzielle und persönliche Striptease. Nicht, daß die Deutschen sich da einen neuen Landsmann in ihre Mitte holen, der jemals einen Cent Sozialleistungen bezogen hat, jemals einen Strafzettel bekam und nicht vollständig finanziell abgesichert ist.
Da war allerhand zu klären; beispielsweise die Hamburger
Adresse meiner Mutter vor 75 Jahren! Es gilt immer noch alle einwanderungswilligen Migranten
abzuwehren.
(…..) Meinen Antrag auf
Einbürgerung stellte ich Anfang 2019. Alle geforderten Unterlagen konnte ich
problemlos liefern. Ich wurde nie straffällig, habe nie Sozialleistungen
bezogen, lebe ich gesicherten finanziellen Verhältnissen. Allein, die
Einbürgerungsbehörde arbeitet kaum an meinem Fall.
Die letzte Mitteilung vom Amt für Migration Hamburg erhielt ich am 04.10.2021.
Um über meinen Einbürgerungsantrag „abschließend zu entscheiden“ müsse geklärt
werden, wo meine Mutter am 01.01.1950 (sic!) wohnhaft gewesen wäre. (…)
(Tiefsitzende europäische Xenophobie Teil II, 30.11.2022)
Mein Bruder, in der gleichen staatsbürgerrechtlichen Situation, hatte sich damals das jahrelange Theater mit dem Einbürgerungsamt erspart, musste aber natürlich auch den US-Pass erneuern, sich regelmäßig um Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis bemühen. 2022 lief es aber gut für ihn, da er einen systemrelevanten Beruf ausübt und für „die richtigen Ausländer“ inzwischen das „Hamburg Welcome Center for Professionals“ gegründet worden war. Dort bekam er schnell einen Termin, musste im Amt nicht warten und – ganz neu: Die Mitarbeiter waren extrem freundlich und angenehm! Ausgestattet mit den entsprechenden Papieren seines Arbeitgebers hatte er im Nu seine neue Aufenthaltsgenehmigung.
[….] Wir bieten Dienstleistungen im Bereich des Aufenthalts- und Melderechts an. Dazu gehören:
· Erteilung, Verlängerung und Übertragung von Aufenthaltstiteln
· An- und Ummeldung des Wohnsitzes
· Entgegennahme von Verpflichtungserklärungen nach § 68 Aufenthaltsgesetz
· Beantragung von Führungszeugnissen [….]
(HWC)
Unglücklicherweise bin ich systemisch irrelevant, so daß mir dieser Weg nicht offenstand. Schließlich rettete mich das neue Recht auf „Staatsbürgerschaft per Erklärung“, so daß mein Einbürgerungsverfahren nach Jahren doch noch abgekürzt wurde.
Anderenfalls würden sie vermutlich immer noch prüfen und daran knobeln, wie die Schuhgröße meiner Ururoma aus Ostfriesland war, oder nach dem Grundschulzeugnis Ururururgroßvater Wilhelm fahnden.
Immerhin bin ich nun ein erledigter Fall. Ich muss nie wieder in eigener Angelegenheit ins Auslandsamt; zumindest nicht, bis mir eine CDU-AfD-Koalition den deutschen Pass wieder entzieht.
Ich wüßte aber gern, was wohl mit den Bergen von Papieren geschehen ist, die bei meiner Einbürgerung auf dem Tisch lagen. Informationen, die ich von anderen Ämtern – beispielsweise Polizei, Finanzamt und dem Grundbuchamt - mühsam über Jahre zusammengetragen, kopiert und beglaubigen lassen hatte. Informationen, die zwar „der Stadt“ alle bereits vorlagen, aber da die Behörden untereinander in dieser Steinzeitnation nicht vernetzt sind, musste ich sie, wie bei dem Gigathema Grundsteuerbescheid, ausgedruckt bei einer weiteren Behörde einreichen. Die Ausländerbehörde ist ebenfalls noch nicht digitalisiert. Die neugeschaffene Abteilung für die Fälle der Staatsbürgerschaft per Erklärung ist Empfängerin der Aktenberge – (in meinem Fall etwa ein großer Schuhkarton voll), hat aber keine Lagerräume, so daß die freundliche städtische Angestellte mein Leben, inklusive aller Zeugnisse seit der ersten Klasse, einfach auf und unter ihrem Schreibtisch stapelte.
Man kann Einwanderungs- und arbeitswilligen Fachkräften nur wünschen, so wichtig zu sein, direkt an das wesentlich besser organisierte „Welcome Center“ geschickt zu werden.
Dachte ich zumindest.
Aber das Welcome Center, das extra für die DRINGEND BENÖTIGTEN FACHKRÄFTE da ist, funktioniert auch nicht mehr. Man muss mindestens ein halbes Jahr warten bis Emails beantwortet werden, weil auch da DRINGEND FACHKRÄFTE BENÖTIGT werden. Aber der gesamte Bundestagswahlkampf dreht sich darum, wie wir Ausländer LOSWERDEN können und möglichst schnell möglichst viele abschieben!
Wir leben in Schilda!
[…] Monatelange Wartezeiten im Hamburg Welcome Center
In einer Hamburger Behörde für ausländische Fachkräfte gibt es lange Wartezeiten. Im Durchschnitt warten Ausländerinnen und Ausländer 144 Tage auf einen Termin im Hamburg Welcome Center zur erstmaligen Beantragung eines Aufenthaltstitels oder zur Verlängerung des Titels, wie der Senat nach einer Anfrage der Fraktion der Linken mitteilte. In der für die Aufenthaltstitel zuständigen Abteilung seien derzeit rund 8.100 E-Mails unbearbeitet. Erfahrungsgemäß sei jedoch ein Teil der Anfragen bereits erledigt, teilte der Senat mit. Die Linke fordert den Senat auf, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Welcome Center einzustellen. [….]
Wir kennen das schon aus anderen Bundesländern – dringend benötigte Fachkräfte, die deutsch gelernt haben, hochqualifiziert sind und feste Arbeitsverträge in Krankenhäusern oder Pflegeheimen haben, werden trotz aller verzweifelten Bemühungen ihrer Arbeitgeber, wieder aus Deutschland vergrault, weil die Länder schlicht unfähig sind, die Bürokratie zu bewältigen. Selbst das reiche Stuttgart bringt Fachkräfte zum Heulen und resigniert dazu die Flucht aus Deutschland zu ergreifen.
(…..) Christiane Krämer, die Leiterin des Seniorenzentrums Martha-Maria in Stuttgart kriegt alle Krisen. Sie schämt sich öffentlich für ihr Land und ihre Stadt, weil alle zwei Wochen eine Fachkraft aufhöre zu arbeiten, nur weil die Ausländerbehörde nicht hinterherkommt, die richtigen Fiktionsbescheinigungen zu erteilen und somit den Aufenthaltsgenehmigung erlischt.
[…..] Im Seniorenzentrum Martha-Maria arbeiten 170 Pflegerinnen und Pfleger, rund 60 Prozent kommen aus Drittstaaten, aus Madagaskar, aus Syrien, aus Thailand. "Wir brauchen diese Leute dingend", sagt Krämer. Und am Ende sei es doch so: Wenn weniger Pflegekräfte arbeiten dürfen, müssen die verbliebenen mehr leisten. Das bedeutet: mehr Stress, mehr Krankheitsfälle, mehr Burn-outs. Die ganze Situation sei, vorsichtig formuliert, nicht gerade Werbung für den Standort Deutschland. Das werde sich herumsprechen. "Wir müssen um jede gute Fachkraft kämpfen, wir holen sie ins Land - und dann behandeln wir sie so." […..]
Die Stuttgarter Ausländerbehörde ist telefonisch und per Email nicht zu erreichen. In ihrer Not stellen sich ausgebildete Pfleger, die fest in einem Stuttgarter Pflegeheim angestellt sind, immer wieder im Morgengrauen mit einem Klappstuhl vor die Ausländerbehörde, warten viele Stunden, nur mit der vagen Hoffnung, überhaupt eine der begehrten Wartenummern zu ergattern.
[…..] [Der aus Madagaskar stammende, ausgebildete und fest angestellte Pfleger] Edmond weiß inzwischen ziemlich genau, wie es in der Schlange so läuft. Erst wartet man stundenlang, Profis erkennt man an den Klappstühlen. Wenn er es bis zum Türsteher schafft, weist ihn dieser mit dem freundlichen Hinweis ab, dass er für die Änderung des Arbeitgebers und seines Status einen Termin braucht. Nur: Wenn er in der Ausländerbehörde anruft, um einen Termin zu vereinbaren wie auf der Internetseite gefordert, hebt keiner ab. Wenn er eine E-Mail schreibt, bekommt er keine Antwort. "Was soll ich tun?", fragt er, und wie er so in der Schlange steht und von seinen Versuchen erzählt, mit den deutschen Behörden in Kontakt zu treten, die Tür zum Ausländeramt im Blick, muss man kurz an Kafkas Schloss denken. Das Ziel so nah, und doch unerreichbar.
Der Sprecher der Stadt schreibt: "Die Darstellungen treffen zu. Leider."
Edmond sagt, dass er gerne wüsste, wie sich die Stadt das vorstellt. Wie soll er ohne Gehalt seine Miete bezahlen, 1200 Euro für sich und seine Frau? Wovon sollen sie leben? […..]
Ich kann und will keine
Erklärungen mehr dafür finden, weswegen in einem so reichen Land wie
Deutschland und ausdrücklich in so einer besonders reichen Gegend, wie
Stuttgart, diese extreme politische Unfähigkeit grassiert. Als ob der Notstand
in der Pflege ein neues Problem wäre!
(….)
(Stuttgart, 27.07.2023)
Der hausgemachte Fachkräftemangel ist einer der Hauptgründe für die deutsche Wirtschaftsschrumpfung und es wird weiter rapide bergab gehen, wenn erst die xenophobe Linnemann-Spahn-Merz-CDU den Ton vorgibt. Dann ist es endgültig vorbei mit jeder Willkommenskultur.
(…..) Es ist müßig, Branchen aufzuzählen, die unter massiven Fachkräftemangel leiden. Welche Firma hat denn keine Personalprobleme? Seit Jahren diagnostizieren Ökonomen aller Couleur landauf landab eine enorme Wirtschaftsbremse, weil es in allen Unternehmen an Personal fehlt. Restaurants schließen früher, Geschäfte halbieren ihre Öffnungszeiten, Auslandsämter stehen mit Myriaden Emails in Rückstand, können keine Bescheide erteilen, Hinterbliebene warten Jahre auf Testamentseröffnungen, weil die Amtsgerichte personell verwaist sind. Hotels können kein Essen anbieten. Überall müssen die Kapazitäten künstlich gedrosselt werden.
Der einzige Ausweg ist massive Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt. Wir brauchen netto eine halbe Millionen mehr Menschen im Jahr in Deutschland.
Das sind 1,5 Millionen Einwanderer nach Deutschland brutto jedes Jahr, erklärt die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. (….)
(Hausgemachte Problemverschärfung, 09.11.2023)
Mit der deutschen Xenophobie schießen wir uns selbst ins ökonomische Aus.
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