Natürlich war er schon vor dem 07.10.2023 als korrupter, krimineller, rechtsextremer Lügner und Trumpist bekannt. Schließlich setzte er mit seiner versuchten Abschaffung der Israelischen Demokratie das halbe Land in Flammen, provozierte Massendemonstrationen gegen ihn. Ganz wie sein orange-gesichtiges Vorbild in den USA, trachtete er danach, das Land in Chaos und bürgerkriegsähnliche Zustände zu führen, um damit seine Regierungsimmunität zu erhalten. Er will nicht in den Knast. Und der blüht nicht nur ihm, sondern auch seiner kriminellen Frau und seinem noch rechtsradikaleren Sohn.
Ich mutmaße, die meisten Netanyahu-Wählerstimmen stammen nicht von Menschen, die ihn ungeheuer sympathisch finden oder ihn als moralisch vorbildlich ansehen. Offenbar hielten sie ihn aber für den harten Hund, der am besten – nämlich skrupellos – Israels Sicherheit garantieren kann.
Diese Annahme kollabierte natürlich am schwarzen Schabbat vom 07.Oktober mit seinen 1.400 Toten. Noch schlimmer kam es für Bibi, als immer mehr Meldungen durchsickerten, nach denen die Israelische Armee keineswegs so überrascht war, wie es zunächst schien, sondern durchaus gewarnt war, aber damit bei der ignoranten rechtsradikalen Netanyahu-Regierung nicht durchdrang.
[….] Führende Personen in Israels Armee und Geheimdiensten sollen bereits über ein Jahr vor dem verheerenden Terrorangriff der Hamas gegen Israel über entsprechende Angriffspläne der Terrororganisation informiert gewesen sein. Das berichtet die »New York Times« unter Berufung auf ein 40-seitiges Dokument, in dem eine Invasion auf israelisches Gebiet sehr genau beschrieben wird.
Das Dokument trägt demnach den Codenamen »Jericho-Mauer« und soll bis ins Detail dem Angriff geähnelt haben, den Hamas-Terroristen am 7. Oktober aus dem Gazastreifen heraus ausführten. Das Szenario sei von israelischen Militär- und Geheimdienstmitarbeitern als zu anspruchsvoll und schwierig in der Ausführung abgetan worden. Zuletzt hatte bereits die »Financial Times« über frühere Warnungen innerhalb israelischer Sicherheitskreise berichtet, die jedoch von einem hochrangigen Offizier des israelischen Militärgeheimdienstes als »imaginäres Szenario« zurückgewiesen worden sein sollen. [….]
Während einige Generäle und auch der Verteidigungsminister Jo'aw Galan bereits persönliche Mitverantwortung für das Totalversagen übernahmen, denkt Bibi, ganz Trumpesk, nicht im Traum daran, eigene Fehler einzugestehen.
[….] Dass Geheimdienste und Armee in Israel versagt haben, war schon unmittelbar nach den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober klar. Aber nun wird das Ausmaß des Desasters deutlich, es ist ziemlich gut dokumentiert. [….] Die Verantwortlichen unterschätzten grob fahrlässig die Kapazitäten der Hamas, einen solch konzertierten Großangriff ausführen zu können. Dabei geschahen die Vorbereitungen dafür quasi vor ihren Augen. War es Ignoranz oder gar Hybris? [….] Auch eine Unteroffizierin der Cybereinheit 8200 der israelischen Armee schlug Alarm.
Aber all diese Warnungen wurden nicht ernst genommen. Vielleicht auch deshalb, weil sie von zumeist jüngeren Frauen kamen? Zumindest die Frage, ob Israels Armee ein Sexismusproblem hat, wird in Israel diskutiert. Über die politische Verantwortung für dieses Totalversagen nicht. Noch nicht. Das mag verwundern, entspricht aber dem israelischen Verständnis von Zusammenstehen, solange die Sicherheit des Landes bedroht ist. Und diesmal geht es um mehr - um die Existenz des Staates Israel. Es entspricht diesem Verständnis, dass gerade jetzt Armee, Geheimdienste und Politiker ihre Kräfte bündeln müssen. [….] Nur einer hat bisher nicht einmal Mitschuld eingeräumt: Benjamin Netanjahu. Der Premier versuchte sogar öffentlich, in einem Tweet Verantwortung abzuwälzen, indem er darauf hinwies, vorab nicht informiert worden zu sein. Das war sein Versuch, sich reinzuwaschen - auch wenn er später für diesen Tweet um Entschuldigung bat.
Umfragen zeigen jedoch: Drei Viertel der Israelis lasten ihm zumindest eine Mitschuld an diesem Totalversagen von Aufklärung und Abwehr an, was 1200 Menschen das Leben kostete. [….]
(Alexandra Föderl-Schmid, 01.12.2023)
Dieser Regierungschef ist auch zwei Monate nach Beginn des Krieges völlig planlos. Unfähig einen Ausweg zu weisen, denkt ausschließlich daran, sein Amt zu retten.
(…..) Es ist wirklich eine alptraumhafte Gefahrenlage, bei der die Jerusalemer Regierung unbedingt klare Zielvorgaben machen müsste, um der Welt zu erklären, was sie erreichen will. Wie die Zukunft des Volkes in Gaza und dem Westjordanland aussehen soll.
Aber auch an dieser Kernaufgabe scheitert der Langzeit-Regierungschef. Der Mann hat keinen Plan.
[….] Denn das eigentliche Dilemma des israelischen Gegenschlags liegt ja in der Schwammigkeit der Operation. Die Hamas soll vernichtet werden - ein so umfassendes wie unkonkretes Ziel. Wie genau soll das erreicht werden? Wann exakt gilt die Hamas als vernichtet? Und welche Perspektive haben dann die Hunderttausenden, die in diesem Krieg zwischen den Fronten stecken?
Die israelische Seite liefert beklagenswert wenig Ideen, was die Zukunft der Palästinenser im Gazastreifen und in der Westbank angeht. Die radikalen Vorschläge der israelischen Kabinetts-Extremisten - Vertreibung der Palästinenser aus Gaza oder Einsatz einer Nuklearwaffe - wurden als Einzelmeinung kassiert und mit dem Ausschluss von Kabinettssitzungen bestraft. Das behebt aber noch immer nicht das politische Defizit, das Premier Benjamin Netanjahu verantwortet. Selbst wenn die Zweiteilung einem schlüssigen militärischen Plan folgt (die Einschnürung und Isolation der Hamas), so muss eine Militärkampagne dieser Dimension immer auch einer politischen Idee gehorchen. Die Vernichtung der Hamas ist aber keine politische Idee, sie ist erst mal nur Beweis von militärischer Überlegenheit - und von Ratlosigkeit. [….]
(Stefan Kornelius, SZ, 06.11.2023)
Als ob die Situation für Israel nicht schlimm genug wäre. Fatal erschwerend kommt eine absolute Fehlbesetzung als Regierungschef hinzu. (….)
(Was plant Jerusalem, 06.11.2023)
Zwei Monate nach dem schwarzen Schabbat, scheint Bibi mehr denn je entschlossen, den perfiden Hamas-Plan zu erfüllen: Ein solche Flut von Horrorbildern ziviler Opfer, verletzter und getöteter Kinder, staubiger Gestalten mit weinenden Augen zu erzeugen, daß sich die weltweite Öffentlichkeit immer stärker gegen Israel wendet. Die Palästinensische Autonomiebehörde nannte gestern die Zahl von mindestens 15.000 zivilen Opfern – darunter über die Hälfte gekillte Kinder.
Ursache und Wirkung verschwimmen, Hamas und Palästina werden zusammengerührt. Das Schlimmste steht Gaza offenbar noch bevor, denn im Süden warten 20 000 Hamas-Kämpfer - inmitten von zwei Millionen verängstigten Menschen – und die Israelische Offensive beginnt erst jetzt.
Zu allem Übel leistet des Israelische Regierungschef – wieder – massive Wahlhilfe für Donald Trump, indem er der US-amerikanischen Öffentlichkeit signalisiert, weder Biden, noch Harris, noch Blinken, noch Austin ernst zu nehmen, wenn sie immer eindringlicher Besonnenheit Israels anmahnen.
Für den wahlkämpfenden Biden ist der Israel-Krieg eine NoWin-Situation, da die Bibi-phoben US-Amerikaner (Studenten, Junge, Muslime, Intellektuelle, Gebildete) weit überproportional Demokraten wählen und somit besonders mit der US-Unterstützung für Israel hadern. Trumps evangelikale Wähler hingegen sind erstens generell amoralischer und zweitens so islamophob, daß sie sich weniger an den Horrorbildern aus Gaza stören. Biden – für Deseskalation und Zweistaatenlösung – und Bibi – für Eskalation und gegen einen Palästinensischen Staat – mögen sich nicht. Weder persönlich, noch politisch.
[….] Nach dem Zusammenbruch der Waffenruhe aber tragen die beiden ihren Streit zunehmend öffentlich aus. Das Weiße Haus warnte Israel am Samstag vor einer "strategischen Niederlage"; Netanjahu schoss zurück, er fälle die Entscheidungen selbst. Erschwert wird ein gemeinsames Vorgehen, weil beide um ihre politische Zukunft und ihr Vermächtnis ringen. Netanjahu regiert nur dank der Hilfe rechtsextremer Parteien, denen er oft weit entgegenkommt. Seit klar ist, dass die israelischen Geheimdienste Hinweise auf den Hamas-Terroranschlag verschliefen, äußert er sich noch kompromissloser, um von eigenen Fehlern abzulenken.
Biden wiederum verliert zunehmend die Unterstützung muslimischer Amerikaner und linker Aktivisten, weil er sich klar hinter Israel stellte. Nun, da Biden seine Israel-Politik neu ausrichtet, öffnet er eine Flanke für Kritik von rechts. Innenpolitisch kann er sich beides gerade nicht leisten, weil er im nächsten Jahr zur Wiederwahl antritt, bedrängt vom republikanischen Rivalen Donald Trump, einem Freund Netanjahus. Ihm leistet Netanjahu Wahlhilfe, indem er gerade öffentlich vorführt, dass er sich von Joe Biden, seinem Waffenfreund wider Willen, kein bisschen lenken lässt. […..]
Trump und Bibi eint es, Interesse an Chaos und Eskalation zu haben. Eine friedlichere Lösung in Gaza wäre ein Erfolg für Biden, den die GOP unbedingt verhindern will. Frieden wäre auch der Beginn höchst unangenehmer Fragen aus der Israelischen Wählerschaft an Netanyahu, die er unbedingt verhindern will.
Trump und Netanyahu wollen nicht ins Gefängnis.
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