Freitag, 6. August 2021

Sehenden Auges.

In Hamburg gelten immer noch strengere Corona-Regeln als in den Wahlkampf-bedingten lockeren Pandemie-Bundesländern wie Schleswig-Holstein.

Dennoch schlägt auch hier die Impfmüdigkeit zu.

Der Senat lässt sich einiges einfallen; heute wird beispielsweise „die lange Nacht des Impfens“ im zentralen Impfzentrum in den Messehallen veranstaltet. Das Partyvolk kann unkompliziert ohne Termin kommen und sich eine Spritze abholen.

Mobile Impfteams fahren in die ärmeren prekären Stadtteile, damit es die Impflinge leichter haben. Schon vor über einem Monat gab es solche Aktionen für die 110.000 in Hamburg Studierenden – ohne Termin bitte einfach kommen und Biontech in den Arm bekommen. Eine Woche Impfen rund um die Uhr gegen Vorlage des Studierendenausweises oder der Immatrikulationsbescheinigung. Es kamen 400. Von 110.000.

Die Menschen sind einfach zu doof. Insbesondere unter den Teens und Twens scheint sich der fatale Irrglaube breit zu machen, die Pandemie sei vorbei, es wären doch genug Ältere geimpft und Corona könne ihnen nichts anhaben.

Nach einem Coronafall während einer Partynacht mit mindestens 500 Gästen in der Cocktailbar „Sands“ ohne Masken, ohne Abstand, aber viel Alkohol, gab es Schwierigkeiten bei der Kontaktrückverfolgung. Zu viele Gäste hatten Phantasienamen angegeben.

[…..] Erst zwei Bars in St. Georg, kurz danach ein Musikclub auf St. Pauli: Immer wieder müssen Hamburger in Quarantäne, weil unerkannt Infizierte Bars besuchten. In diesen Fällen ging es noch glimpflich aus, die Corona-Regeln wirkten. Doch nun könnten sich in der Bar „Sands“ Hunderte Personen angesteckt haben. Die anschließend angeordnete Reihentestung wurde von vielen Besuchern offenbar geschwänzt. […..]  Schon wenige Tage nach der Feier meldeten sich dutzende Betroffene mit Symptomen bei der Behörde. […..]  Am Donnerstag sollte ein Reihentest das Ausmaß des Ausbruchs klären, 165 Personen waren dafür angemeldet – aber nur 39 von ihnen kamen! 16 weitere Besucher erschienen spontan, […..]

(Mopo, 27.09.2021)

Die vom Hamburger Senat angesetzten Regeln sind gut und sinnvoll. Die Befolgung der Maßnahmen wird auch offensichtlich kontrolliert.

Wenn aber die jugendlichen Feierbiester willentlich betrügen und tatsächlich in der ganz großen Mehrheit – 445 von 500 – noch nicht mal zur Testung (die auch noch kostenlos ist!) erscheinen, passiert das, was das RKI derzeit beobachtet: Die Corona-Fälle nehmen schneller zu als bei der ersten und zweiten Welle.

 […..] Zurzeit liegt die Anzahl der Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner bei 44,9 Neuinfektionen (06.08.2021). […..]

(Hamburg.de)

In Hamburg, da kann ich von Glück reden, gibt es einen kompetenten und durchsetzungsfähigen Bürgermeister.

Peter Tschentscher wird also mutmaßlich in den nächsten Wochen das tun, was die Ungeimpften gar nicht wollen:
Erst werden mehr und mehr Veranstaltungen für Ungeimpfte verboten – Gastronomen, Hoteliers, Konzertveranstalter drängen ohnehin schon darauf, weil sie selbst das größte Interesse daran haben, ihre Geschäfte geöffnet zu behalten und daher die Seuchenfreunde nicht bei sich haben möchten.

Wenn das alles nicht ausreichend wirkt, kommen wieder die bekannten verschiedenen Stufen des Lockdowns.

Für mich ist es nach wie vor ausgesprochen skandalös, daß Bundesregierung, Kanzlerin, Spahn und die Länderchefs nicht viel massiver für das Impfen werben.

Selbstverständlich muss es außer dem Yogeshwar-Zuckerbrot auch die Peitsche geben.

Keine Test-Kostenübernahme für Impf-Unwillige. Wer ein Lebensmittelgeschäft oder eine Pizzeria betreibt und sich nicht impfen lassen möchte, muss sich zwar nicht impfen lassen, aber in dem Fall den Laden schließen.

Keine Toleranz für Virenschleudern in Gesundheitswesen. Altenpfleger, Kosmetikerinnen, Krankenschwestern oder Physiotherapeuten ohne Corona-Schutzimpfungen können direkt in den unbezahlten Urlaub gehen, bis sie immunisiert sind.

Großbritannien und Israel zeigen, daß selbst mit massiven Impfkampagnen das Infektionsgeschehen wieder explodieren kann.

Grund dafür sind die Delta- und Lambda-Varianten, die sich in Ruhe in den armen Regionen der Welt entwickeln konnten, denen wir reichen Egoisten-Länder den Impfstoff vorenthalten.

Die Pandemie ist also mitnichten vorbei.

[….] Englische Gesundheitsbehörde: Viruslast von Geimpften genauso hoch wie von Ungeimpften. Daten aus den USA deuteten bereits darauf hin: Nun hat auch England beobachtet, dass Geimpfte, die sich mit Delta infizieren, genauso ansteckend sein könnten wie Ungeimpfte. [….]

(Spon, 06.08.2021)

[….] Lambda-Variante: Sieben Tote nach Corona-Ausbruch in Belgien – alle waren vollständig geimpft! [….]

(BK, 06.08.2021)

Die schöne alte Prä-Pandemiezeit, als man abküsste, Hände schüttelte und keine Masken trug, wird also nicht zurückkommen.

FFP und AHA bleiben uns erhalten.  Schlau, wie wir sind, können wir dann auch alle bereits gemachten Fehler wiederholen, so daß wir noch einmal die drastischen Konsequenzen genießen dürfen.

Nach dem totalen Lockdown im Frühjahr 2020, kümmerte sich niemand um den späteren Schulbetrieb, weil man allgemein annahm, nach den Sommerferien wäre der Spuk vorbei.

Dann kamen die Kinder wieder in die Schule und es gab natürlich keine fertigen Pläne für Wechselunterricht, keine Digital-Strategie, keine ausreichenden Wasch- und Testmöglichkeiten und keine Luftfilter.

Fast Forward zum Sommer 2021, wieder gehen die Sommerferien zu Ende und wieder hat man es versäumt für alle Klassenräume Luftfilteranlagen anzuschaffen. Wer konnte denn auch ahnen, daß nach den Ferien schon wieder Schule stattfinden würde?

Bei der Maskenverfügbarkeit wollte man nach dem Spahn-CDU-Chaos von 2020 nie mehr vollständig auf Lieferungen aus China angewiesen sein.

Deutschland sollte sich selbst mit diesen überlebenswichtigen Hygienemitteln versorgen können.

Leider versäumten die hoffnungslos überforderten Debakel-Minister Spahn und Altmaier sich um das Problem zu kümmern. Auch die Masken-Fehler wiederholen wir, weil es so schön war.

[…..] Deutsche Maskenhersteller geben wieder auf.

Mit Entsetzen erkannte Deutschland 2020, dass es sich nicht selbst mit Schutzkleidung versorgen kann. Heute produzieren hier 180 Firmen Masken – doch die meisten dürften ihr Geschäft bald einstellen. Was lief schief? […..]

(Martin U. Müller, 06.08.2021)

Es gibt also dringenden politischen Handlungsbedarf, aber es passiert nichts, weil sich die Kanzlerin bekanntlich grundsätzlich nicht um politische Angelegenheiten kümmert und wie so oft vollständig abgetaucht ist. CDU-Chef Laschet ist natürlich ohnehin viel zu doof, um das Heft des Handelns zu ergreifen.

Es bliebe noch das Parlament, der Bundestag, der handeln könnte.

 Aber auch da heißt es „keinen Bock“.

[…..] Es ist immer wieder erstaunlich, wie klein sich der Bundestag selbst macht. In Deutschland steigen die Corona-Zahlen. Und im ganzen Land wird darüber diskutiert, was jetzt zu tun ist: Wie soll mit Menschen umgangen werden, die sich nicht impfen lassen wollen? Was muss geschehen, damit der Unterricht im neuen Schuljahr funktioniert? Sollen auch Jugendliche geimpft werden? Alles wichtige Fragen - doch im Bundestag herrscht Stille.  Auch die schlimmste Flutkatastrophe seit mehr als einem halben Jahrhundert hat daran nichts geändert. In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind mehr als 170 Menschen ums Leben gekommen. Viele Orte sind großflächig zerstört, Zigtausende bangen um ihre ökonomische Existenz. Die Katastrophe hat auch die Auseinandersetzung über den Klimaschutz verschärft. Doch der Bundestag ist seit dem 25. Juni in der Sommerpause - und bisher machen die Abgeordneten keine Anstalten, diese zu unterbrechen. Die nächste Sitzung ist derzeit erst für den 7. September terminiert. […..]

(SZ, 06.08.2021)

Na, dann, also sehenden Auges in die vierte Pandemiewelle und neue Lockdowns. Wir haben es nicht anders verdient.

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