Sonntag, 12. Juli 2020

Von wem werden die Jusos eigentlich bezahlt?

Die Jusos in NRW, also der „Herzkammer der Sozialdemokratie“, dem Land, das so lange mit absoluter SPD-Mehrheit regiert wurde und dann durch besondere Doofheit an die CDU/FDP verloren ging, haben eine Handreichung erstellt wie man den derzeit beliebtesten Sozialdemokraten und mit Abstand erfolgreichsten Wahlkämpfer Olaf Scholz sabotiert und stattdessen einen vollkommen chancenlosen Spitzenkandidaten für die nächste Bundestagswahl installiert.

[……] Fakt 1:  Olaf Scholz setzte als Arbeitsminister (2007-2009) in der GroKo maßgeblich die Rente mit 67 um.
Fakt 2:  Olaf Scholz schlug 2003 als Generalsekretär vor, den Begriff des Demokratischen Sozialismus aus dem Grundsatzprogramm zu streichen:
„Ich denke, darüber werden wir uns auseinandersetzen müssen. Ich selbst sehe den Begriff des demokratischen Sozialismus in der SPD nicht als das an, wofür er von manchem herangezogen wird, nämlich als gesellschaftliches Ziel, das die SPD anstrebt. Es gibt keinen gesellschaftlichen Zustand mit diesem Namen, der auf unsere marktwirtschaftlich geprägte Demokratie folgen wird. Und deshalb sollten wir nicht solche Illusionen erzeugen. In meinem Verständnis ist die SPD eine Emanzipations- und keine Transformationsbewegung.“ […..]

Ein Vorschlag, den er vor 17 Jahren machte – und der auch noch goldrichtig war – soll nun also erneut dafür dienen ihn als Kanzlerkandidaten zu verhindern?

So sieht es aus, denn diese Juso-Liste findet sich auch heute wieder in SPD-Gruppen der sozialen Medien.


Natürlich darf da die Agendakeule als Todschlagargument nicht fehlen.

[…..] Olaf Scholz ist einer der Architekten und größten Verfechter der Agenda 2010-Reformen und verteidigte die Leistungskürzungen von Arbeitslosen. [….]

Die erfolgreichste und auch sehr populäre Reform der SPD  in den letzten 40 Jahren wird auch 15 Jahre später noch selbstzerstörerisch kritisiert, statt endlich mal stolz drauf zu sein.

Aber die Agenda 2010 ist eben mit dem Mann verbunden, der 41% bundesweit holte, Wahlen gewinnen konnte und zweimal eine rotgrüne Regierung auf Bundesebene zusammenbrachte, mit der es möglich wurde NS-Zwangsarbeiter zu entschädigen, Huren zu entkriminalisieren, die Homoehe einzuführen und Deutschland aus dem Irakkrieg herauszuhalten: Gerhard Schröder.
Und nichts hassen Jusos so sehr wie erfolgreiche Sozialdemokraten.

(…..) Wir haben allen Grund Schröder dankbar zu sein; er wird sicherlich eines Tages als großer Kanzler in die Geschichte eingehen.

Auch eine große Mehrheit der Deutschen hält diese Politik a posteriori für richtig.
Die Parteien, die Hartz IV unterstützen oder sogar verschärfen wollen, kommen regelmäßig auf 90% der Wahlergebnisse. Die einzige Partei, die Hartz abschaffen will, landet bundesweit betrachtet nie über 10%.

Nach dem Ausscheiden der hadernden SPD aus der Bundesregierung, gewannen die Neoliberalen Westerwelle-FDPler mit ihrer radikalen Steuersenkungsforderung ein Rekordergebnis von fast 15% und bildeten mit der ebenfalls starken CDU eine breite Mehrheit.

(….) In Folge der Agendapolitik stiegen die Sozialausgaben in Deutschland deutlich und kontinuierlich an.

2005 stiegen sie von erwarteten 14,6 Milliarden auf 25,6 Milliarden Euro, im Jahr 2006  auf 26,4 Milliarden.
2007   35,7 Milliarden
2008   34,8 Milliarden
2009   36 Milliarden
2010   36 Milliarden
2011   33 Milliarden
2012   40 Milliarden
2013   40,65 Milliarden

Heute zu behaupten, Hartz wäre eine Kürzungsorgie und habe nur Elend gebracht, ist völlig geschichtsblind und lässt außer Acht was für ein gelähmtes Land Deutschland im Jahr 1998 nach unendlichen Jahren Kohl-FDP-Merkel-Regierung war. Der kranke Mann Europas – Dank der Kohl-Merkel-Reformunwilligkeit.
Durchreguliert und wirtschaftlich abgehängt. (…..)

Viele Wahlen haben ganz eindeutig gezeigt, daß es keinesfalls den Wählerwillen gibt, die Agenda-Politik zurück zu nehmen.
Oder falls das doch der Fall sein sollte, ist das den Wählern offensichtlich nicht wichtig genug, um deswegen auch die eine Partei zu wählen, die es genauso sieht.

Die Partei, die an Schröders Seite intensiv für HartzIV stritt, sogar noch weiter gehen wollte, die Grünen, sonnen sich in einem  demoskopischen Hoch, kratzen in vielen Bundesländern an der 20%-Marke.

Diejenigen, die immer noch der Prä-Agenda-Ära hinterherweinen haben die Vergangenheit stark romantisiert und offensichtlich lange vergessen, wie unangenehm es ist Sach- statt Geldleistungen zu bekommen.

(….) Die Hartz-Reformen haben zweifellos zu mehr Arbeitsplätzen und einer gesünderen Wirtschaft geführt.
Dabei gab es aber zweifellos auch Ungerechtigkeiten. Das ist bei so einem Mammut-Werk gar nicht anders möglich und Gerd Schröder selbst betonte immer wieder, die Hartz-Gesetze sollten nicht in Stein gemeißelt, sondern immer wieder angepasst werden.

Der politische Preis für die Reformen war definitiv ungerecht.
Die glühenden Agenda-2010-Befürworter aus CDU und Grünen stiegen nach 2003 in ungeahnte Höhen und allein die SPD wurde vom Wähler grausam abgestraft.
[……]  Soll es wieder das Ämterhopping zwischen Wohnungsamt, Sozialamt und Arbeitsamt eingeführt werden und soziale Leistungen als Sachleistungen einzeln beantragt werden? [….]

Kein vernünftiger Mensch bestreitet heute, daß es auch Unnützes, Kompliziertes, Ungerechtes und zu Hartes in den Agenda-Gesetzen gibt. (…..)

Es ist die Frage, ob man als Genosse einen Spitzenkandidaten möchte, der wie Olaf Scholz in Hamburg

-bei der Wahl zur Bürgerschaft 2011 mit 48,4% die absolute Mehrheit holte,
-bei Wahl zur Bürgerschaft 2015 mit 45,7% fast die absolute Mehrheit holte und dann als Regierungschef das größte soziale Wohnungsbauprogramm (pro Kopf) aller Bundesländer und kostenfreie Kitas, sowie eine drastische Reduzierung der Arbeitslosigkeit und den größten ökonomischen Boom eines Bundeslandes erreichte und heute der beliebteste Bundespolitiker der SPD ist,

ODER will man sich lieber an Kühnert und Esken orientieren, die in ihren Bundesländern effektiv bewiesen haben wie man Wähler abschreckt, ganz hinten im Beliebtheitsranking liegen und als SPD-BW, Eskens Landesverband (Landtagswahl am 13.03.2016 SPD = 12%) eine frustrierende Existenz in der Einstelligkeit, Opposition und Bedeutungslosigkeit führen will, in der man ABSOLUT GAR NICHTS für das SPD-Klientel tun kann.
Oder gar wie in der einstigen SPD-Hochburg Berlin, wo man noch Regierungspartei ist wie Kühnerts Landesverband hinter CDU, Grünen und Linke auf Platz Vier wegrutscht und vermutlich auch in die Opposition steuert?

Dabei fand Olaf Scholz 2011 in Hamburg schweres Terrain vor.
Die CDU hat in Hamburg nach drei Wahlen in Folge von 2001 bis 2011 den Bürgermeister gestellt, regierte zwischendurch gar mit absoluter Mehrheit, nachdem sie 2004 bei den Landtagswahlen 47,2% bekam.

2011 kam Scholz, drehte die Landschaft komplett um, holte für die SPD die absolute Mehrheit, machte das sogar zu einem dauerhaften Erfolg.

In Hamburg holte Scholz-Nachfolger Tschentscher am 23.02.2020 39,2% mit einer klaren Ansage: Nowabo und Esken und Kühnert dürfen an keiner einzigen Wahlkampfveranstaltung teilnehmen. So sehen die Mehrheitsverhältnisse in der aktuellen Bürgerschaft aus:

(…..) SPD und Grüne verfügen über 87 von 123 Sitzen. Das ist eine 70,7%-Mehrheit.

Sogar SPD und Linke hätten mit 67 Sitzen eine absolute Mehrheit von 54,5% der Mandate im Parlament.

Den linken Durchmarsch zeigt eindrucksvoll die Addition von SPD, Grünen und Linken, die zusammen auf 100 von 123 Mandaten kommen. Das entspricht 81,3 % der Sitze.

Es ist eine Wonne sich durch die interaktive Karte der Wahlkreise zu klicken. Alles rot bis auf die beiden grünen Gewinner „Altona“ und „Harvestehude-Rotherbaum-Eimsbüttel Ost“. (…..)

Aber das ist der neue/alte Signature-Move der Jusos:
Die SPD soll unbedingt verlieren und daher müssen die unbeliebtesten Kandidaten mit den schlechtesten Wahlchancen aufgestellt werden.

SPD-Landespolitiker, die in ihren Verbänden wie BW, NRW die SPD aus der Regierung in die Opposition gewirtschaftet haben, sie in die Einstelligkeit führen (wie BW) oder aus der Regierung raus (wie Kühnert in Berlin), sollten etwas weniger aufbrausen, wenn sie den mit weitem Abstand erfolgreichsten Wahlkämpfer der SPD kritisieren.

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