Frauen sind deutlich langlebiger als Männer; sie haben eine
robustere Physiologie und auch eine stabilere Psyche.
Während Witwer verkümmern und hilflos sind, können Witwen
sich anpassen überleben.
In Deutschland ist dieses Phänomen besonders aus den beiden
Weltkriegen bekannt.
Religiös indoktrinierte geschlechtliche Rollenzuweisungen gaben
Frauen eine dienende und unselbstständige Position in der Gesellschaft. Wenn
aber durch Nationalismus und Größenwahn Millionen Männer an die Front geschickt
wurden, mussten Frauen aufgrund der außergewöhnlichen Umstände die Rollen ihrer
Ehemänner ausfüllen und konnten das so gut und so selbstständig, daß die
möglicherweise erst nach Jahren zurückkehrenden Männer verzweifelten. Sie
fühlten sich ihrer Großartigkeit und Unersetzlichkeit beraubt, wenn sie
feststellen mussten, wie gut es auch ohne sie ging und konnten sich anders als
ihre Eheweiber schlecht an die neuen Umstände anpassen.
Wir Männer haben schließlich nur ein Y-Chromosom, das zwar
eigenständig klingt, aber bloß ein verkümmertes, krüppeliges, amputiertes
X-Chromosom der Frauen ist.
Allerdings haben wir einen biologischen Vorteil; wir produzieren
ununterbrochen Fortpflanzungszellen und können daher verschwenderisch mit
Spermien um uns werfen. Hat man mal alle durch die Samenleiter gejagt, muss man
nur ein bißchen warten während man Frische nachproduziert.
Frauen können das nicht, sie werden schon mit ihrer Gesamtzahl an Eizellen geboren. Ein bis zwei Millionen Stück sind schon im Embryo vorhanden. Lächerlich wenige; ein Mann spült bei einer Ejakulation bis zu 300 Millionen Samenzellen raus.
Die Eizellen der Damenwelt sind also nicht nur irgendwann
endgültig alle – nach dem Klimakterium ist es vorbei mit der Fortpflanzung –
sondern sie werden auch noch alt.
Bekommt eine Frau mit 40 oder 45 Jahren ein Kind, ist die
Eizelle eben auch schon 40 oder 45 Jahre alt. Und besser werden menschliche
Zellen nun einmal nicht.
Daher kommt der Begriff „Risikoschwangerschaft“. Je älter
das Ei, desto höher die Wahrscheinlichkeit, daß es schon ein bißchen
angeditscht, schadhaft oder schwach ist.
[…..] Die
Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit dem Down-Syndrom (Trisomie 21) zu bekommen,
nimmt mit dem Alter der Mutter zu: von 0,006 Prozent bei 20- bis 24-jährigen
Müttern auf 0,5 Prozent bei 30-Jährigen und zwei Prozent bei 40-Jährigen.
Auch das Risiko für Fehlbildungen, Früh- und Fehlgeburten steigt mit
zunehmendem Alter der Mutter. Beispielsweise steigt die Rate an Fehlgeburten
von etwa neun Prozent im Alter von 20 bis 25 Jahren auf 20 Prozent aller
Schwangerschaften bei den 35-jährigen Frauen.
Abgesehen davon treten mit steigendem Alter der Mutter auch
Schwangerschaftskomplikationen häufiger auf. Das betrifft vor allem
schwangerschaftsbedingten Bluthochdruck, Eiweißausscheidung im Urin,
Schwangerschaftsdiabetes und Funktionsstörungen des Mutterkuchens mit
Unterversorgung des Kindes (Mangelgeburt). […..]
(TK)
Die moderne Medizin kann diese ganz natürlichen Risiken
manchmal abmildern und gelegentlich auch ganz beheben.
Noch einmal zur Erinnerung: Die menschliche Natur, die
Natürlichkeit ist nicht unbedingt das, was mit zivilisatorischen Werten und
Wünschen vereinbar ist. Unnatürlich ist gut!
(….) Natürlichkeit verträgt sich allerdings nicht mit Zivilisation. Es
wäre auch natürlich, daß Menschen ohne Zähne verhungern oder daß alte Menschen
sehr oft blind werden.
Die Zivilisation ist aber unnatürlich. Deswegen bekommen in
Hamburg Menschen mit Grauem Star eine Cataract-Operation. Wie am Fließband
werden in einem kleinen ambulanten Eingriff neue Linsen eingesetzt und dabei
auch gleich die Kurzsichtigkeit korrigiert.
Wir lassen der Natur eben nicht
ihren Lauf, sondern greifen ein. Wir implantieren Zähne, passen
Hochleistungshörgeräte und Cochlea-Implantate an, setzen Defibrillatoren und
Pacemaker in die Brusthöhle, entfernen Tumore aus Prostata und Dickdarm. All
das ist völlig unnatürlich und in der Geschichte der Menschheit sehr neu. Aber
der evolutionäre Humanismus verlangt solche technischen Korrekturen an der
natürlichen Biologie.
Dementsprechend wollen wir auch
Kindersterblichkeit in Deutschland möglichst nicht akzeptieren – auch wenn das
ein natürlicher Ausleseprozess wäre.
In vielen moralischen Aspekten
ist Unnatürlichkeit überlegen.
Das betrifft den Beginn genauso
wie das Ende des Lebens, welches wir mit Opiaten und Morphinen erheblich
angenehmer gestalten, als es natürlich wäre.
Es ist natürlich Kinder aus
Versehen zu zeugen, sie durch Verhütungsmittelfehlfunktionen zu generieren, sie
aufgrund einer Gewalttat zu erschaffen. Das geht ganz leicht. Zehnjährige
Mädchen werden ohne den Vorgang zu verstehen von ihrem elfjährigen Bruder
geschwängert, oder es ist jemand nach einer nächtlichen Sauftour schwanger,
ohne sich überhaupt zu erinnern Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. In vielen
Teilen der Welt gibt es Massenvergewaltigung im Zuge ethnischer Kriege.
Die Kombination von Ei und
Samenzelle zu einem neuen Leben funktioniert ohne Liebe, ohne Ethik, ohne
Religion, ohne Vertrag und ohne Vertrauen. (……)
Um festzustellen, ob bei einer Schwangerschaft
möglicherweise ein Fötus mit einer Trisomie gebildet wurde, gab es lange Zeit
nur die Fruchtwasseruntersuchung.
Das ist eine invasive Methode, die das Risiko einer
Fehlgeburt erhöht.
Neuer ist ein spezieller Gentest.
[….] Der nicht-invasive Pränataltest (NIPT) wird seit 2012 angeboten. Dabei
wird der Schwangeren eine Blutprobe aus der Armvene entnommen und im Labor
untersucht. Im Blut findet man DNA-Fragmente des Fötus, die herausgefiltert und
analysiert werden. Gesucht wird nach den häufigsten Chromosomen-Abweichungen
Trisomie 21 (Down-Syndrom), Trisomie 13 und Trisomie 18, die mit sehr hoher
Sicherheit festzustellen sind.
In Deutschland gibt es mittlerweile mehrere Anbieter solcher Bluttests.
Die Erkennungsrate für Trisomie 21 liegt bei diesen Tests bei mehr als 99
Prozent, die falsch positiven Befunde liegen im Bereich von 0,1 bis 0,2
Prozent. Für Trisomie 18 (Erkennungsrate von 98 bis 100 Prozent) und Trisomie
13 (Erkennungsrate von 80 bis mehr als 99 Prozent) gibt es ähnliche Werte. [….]
Der NIPT ist teuer und so gilt es
als kleine Sensation, daß gestern der nahezu allmächtige gemeinsame
Bundesausschuss gBA dafür stimmte unter genau definierten Bedingungen NIPT als
Kassenleistung einzustufen.
Kirchen und Behindertenverbände
laufen Sturm.
In meinen täglichen Zeitungen
lese ich empörte Kolumnen Down-Syndrom-Vätern, die ihre Kinder herabgesetzt
sehen und die große moralische Eugenik-Keule schwingen. Damit wolle man den
Wert ihrer Kinder „schmälern“.
[…..] Als
Vater eines mittlerweile fünfjährigen Jungen mit dieser genetischen
Besonderheit kann ich sagen: In dem Moment, als die Diagnose raus war, waren
wir voller Angst und Unsicherheit, unwissend, was da auf uns zukommt. […..]
Denn unsere Gesellschaft ist noch lange
nicht so weit, behindertes Leben als grundsätzlich lebenswert zu empfinden. Das
zeigt die Erfahrung meiner Familie in den vergangenen fünfeinhalb Jahren. […..]
Am Ende kann ich zwar nur unser Leben mit
unserem Sohn – er heißt Rick – beurteilen. Aber dieses Leben macht Spaß. So
einfach ist das. Na klar, Rick kann furchtbar nerven. Welches Kind kann das
nicht? Rick findet es auch – ganz Downsyndrom-typisch – furchtbar witzig,
einfach ohne erkennbares Ziel wegzurennen. Er ist bei Weitem noch nicht so
selbstständig wie seine „normale“ Zwillingsschwester. Und er verursacht
technokratischen und bürokratischen Stress, dem sich Familien mit „normalen“
Kindern nicht aussetzen müssen.
[…..] Schmälert all dies Ricks Wert als Mensch?
Ist es richtig, Menschen wie Rick die Chance zu nehmen, einfach so zu sein, wie
sie sind? […..] Überhaupt: Wie weit
wollen wir in die Prozesse der Natur eingreifen, nur weil wir es können? Rein
statistisch betrachtet hat schließlich jedes 800. Kind das Down-Syndrom. Es
läuft dabei also nichts schief-, sondern nur anders als bei der von uns
festgelegten Norm. Damit gehört das Down-Syndrom aber letztlich auch zur
Normalität. […..]
(RND/Mopo/ Dr. Sebastian Harfst 20.09.19)
An anderer Stelle wird auf Island
verwiesen; dort wird der NIPT schon lange von den Krankenkassen bezahlt mit der
Folge, daß so gut wie keine Kinder mit Down-Syndrom mehr geboren werden.
Das sei zutiefst amoralisch.
Dr. Harfst, das weise ich empört
zurück. Genau wie die Kirchen verwechselt er Kranke und Krankheit, Behinderung
und Behinderte.
Niemand hat etwas gegen
Behinderte, will den „Wert“ eines Menschen mit Trisomie 21 schmälern. Im
Gegenteil, ihnen gebührt Achtung wie jedem anderen auch.
Mit Behinderungen umzugehen,
indem man sie als eben nicht „unnormal“ behandelt, sondern sie inkludiert, also
in das gesellschaftliche Leben einbezieht, ohne sie zu diskriminieren, ist ein
zivilisatorischer Fortschritt.
Die längste Zeit in den letzten
2.000 Jahren wurden mit offensichtlichen Behinderungen geborene Babys gleich
ins Meer oder die Klärgrube geworfen, oder bestenfalls weggesperrt in
Irrenanstalten.
Das war der „christliche Weg“.
Kein Humanist würde das auch nur
annähernd befürworten.
Jeder Mensch mit einer
Krankheit/Behinderung ist schützenwert und hat die gleiche Würde wie jeder
andere.
Aber man bekämpft die Krankheit.
Es ist eine Unverschämtheit, wenn
ausgerechnet konservative Christen denjenigen, die sich um Linderung eines
Leidens bemühen niedere Motive unterstellen.
[….] Der Bundesverband Lebensrecht kritisiert den
Test, da er Menschen mit genetischen Besonderheiten wie etwa der Trisomie 21
"diskriminiert und selektiert". Die Evangelische Behindertenhilfe
warnt vor gesellschaftlichen Folgen bei einer Zulassung als Regeluntersuchung.
In diesem Falle müssten umfassende Beratungs- und Unterstützungsangebote für
Eltern und spezifische Hilfen für Familien mit einem Kind mit Behinderung
geschaffen werden. Sonst liefen sämtliche Bemühungen um Inklusion
ins Leere. [….]
(SZ, 20.09.19)
Christen und CDUler, die aus
ideologischer Verbohrung dafür kämpfen, daß mehr Menschen mit schweren
Behinderungen geboren werden, sollten sich schämen.
Abgesehen davon, daß es sie
grundsätzlich gar nichts angeht, wie eine Frau mit ihrem eigenen Uterus umgeht
und sich schon daher alle Verbote verbieten, sind ihre Vorwürfe perfide.
Natürlich wünscht man sich seinem
Kind eine Krankheit zu ersparen.
Das hat aber rein gar nichts
damit zu tun, daß man sein Kind weniger lieben oder weniger unterstützen würde,
wenn es doch eine Krankheit/Behinderung oder einen sonstigen Makel bekäme.
Auch das ist nämlich eher die
Spezialität evangelikaler Christen, die ihre eigenen Kinder verstoßen und auf
die Straße werfen, wenn beispielsweise nicht ihrem heterosexuellen Leitbild
entsprechen.
Diese Debatte gibt es immer
wieder, wie zum Beispiel zur Verleihung des „Ethik-Preises der
Giordano-Bruno-Stiftung“ an denen Philosoph Peter Singer im Jahre 2011.
Aber Christlich-Konservative sind
erkenntnisresistent.
[…..] In dem maßgeblichen Buch zu dieser Thematik
„Muss dieses Kind am Leben bleiben? – Das Problem schwerstgeschädigter
Neugeborener“ (Helga Kuhse/Peter Singer, Harald Fischer Verlag 1993) heißt es
dazu: „Wir meinen (…), dass die reichen Nationen sehr viel mehr tun sollten, um
behinderten Menschen ein erfülltes, lebenswertes Leben zu ermöglichen und sie
in die Lage zu versetzen, das ihnen innewohnende Potential wirklich
auszuschöpfen. Wir sollten alles tun, um die oft beklagenswert schlechte
institutionelle Betreuung zu verbessern und die Dienstleistungen
bereitzustellen, die behinderten Menschen ein Leben außerhalb von Institutionen
und innerhalb der Gemeinschaft ermöglichen“ (S.26). […..] Angesichts „des Leids, das der Status quo
für die schwergeschädigten und kranken Kinder und ihre Familien bedeutet“,
stellten Kuhse/Singer, wie zuvor schon Hoerster, zwei Forderungen auf:
a) „Eltern eines schwerstgeschädigten Kindes
[müssen] zu jedem Zeitpunkt und unabhängig vom Alter des Kindes die Möglichkeit
haben, das Kind ohne eigene Kosten in einer staatlichen Institution
unterzubringen (Wir gehen natürlich davon aus, dass diese Institutionen über
genügend Mittel verfügen, um einen hohen Betreuungsstandard zu garantieren.)“
b) „Aktive und passive Euthanasie sollte
immer dann erlaubt sein, wenn jemand unter einer unheilbaren Krankheit so sehr
leidet, dass ein Weiterleben nicht in seinem oder ihrem Interesse ist. (…) Die
erste Bedingung befreit die Familie von der Belastung, ein schwerstbehindertes
Kind aufziehen zu müssen – wenn sie denn davon befreit werden will. Die zweite
Bedingung stellt sicher, dass ein Kind dasselbe Lebensrecht besitzt wie wir
alle, aber nicht, wie zur Zeit noch, gezwungen werden kann, ein elendes Leben
weiterzuleben“ (S.252).
Man könnte diese Position etwa auf den
folgenden Nenner bringen:
1.
Jeder Mensch hat ab der Geburt ein Lebensrecht, aber keine Lebenspflicht.
(Manchmal ist das Leben leider mit solchen Qualen verbunden, dass es unethisch
wäre, es unbedingt aufrechterhalten zu müssen.)
2.
Kranke und Behinderte sollten mit allen Mitteln gefördert werden – Krankheit
und Behinderung jedoch nicht! Ich
halte diese Differenzierung nicht für „behindertenfeindlich“, sondern, ganz im
Gegenteil, für „behindertenfreundlich“. […..]
Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn muss der gBA-Entscheidung der NIPT-Kostenübernahme übrigens noch zustimmen.
Angesichts des letzten unverantwortlichen Spahn-Desasters zur Homöopathie
sind alle Befürchtungen angemessen.
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