Mittwoch, 23. April 2014

Das ewige Rätsel.



Daß ich Kinder und Viecher nicht ausstehen kann, hatte ich vermutlich schon gelegentlich an dieser Stelle erwähnt. Aber vielleicht habe ich mich noch nicht ganz deutlich als Gerontophiler geoutet.
Ich bin insbesondere von den sogenannten „Hochbetagten“ fasziniert und lese immer wieder Bücher zu dem Thema.
Zuletzt staunte ich über die 107-Jährige Syrerin Sabria Khalaf, die letzten Monat ob einer Initiative der LINKEn Bundestagsabgeordneten Anette Groth nach Deutschland vor dem Bürgerkrieg fliehen konnte und in Düsseldorf von ihrer Familie in Empfang genommen wurde.
Da sage noch mal einer, LINKE hätten keinen Sinn in der Politik! Ginge es nach der CDU würde man solche Menschen an den Grenzen abweisen.
Nun sind nicht alle 107-Jährigen weise – mit Grausen denke ich an die Freakshows, die mit Johannes Heesters veranstaltet wurden – aber bei Menschen, die mehr als ein Jahrhundert auf dem Buckel haben, entsteht fast zwangsläufig eine gewisse Lebensintelligenz.
Ich neige sogar dazu zu glauben, daß sehr dumme Menschen gar nicht so alt werden, weil die sich langweilen und die Lebensgeister nicht so lange wach halten können.

Gestern Abend hatte Sandra Maischberger eine Greisenrunde zum Thema „Unser Rat der Weisen: Was zählt im Leben?“ zusammengestellt. Eigentlich boykottiere ich diese Art Quasselrunden auf ARD und ZDF, aber angesichts des Durchschnittsalters konnte ich es mir nicht verkneifen, zumindest in der nächtlichen Wiederholung ein bißchen hinein zu zappen.
Joachim Fuchsberger, 87, („Altwerden ist scheiße."), Hildegard Hamm-Brücher (93), Hans-Jochen Vogel (88) und Barbara Rütting (86).
Eine durchaus heterogene Gruppe. Rütting, geradezu unheimlich fit für ihr Alter, ist für meinen Geschmack etwas zu sehr angeökt und Fuchsberger war schon immer ein intellektuelles Leichtgewicht. Im Alter wird so etwas auch selten besser.
Ganz anders aber die Parteipolitiker, die beide zu meinen ganz großen Lieblingen zählen.
Hamm-Brücher ist ohnehin schon lange eine politische Ikone, aber die verdient den Titel auch. Obwohl und gerade weil sie so lange (54 Jahre) in einer FDP durchgehalten hat, die zuletzt jahrelang von Möllemännern und Westerwelles dominiert wurde.
Vogel hatte hingegen immer das Image als langweiliger Aktenfresser, der durch ungeheuren Fleiß Respekt verdient, aber nie wirklich geliebt wurde. Das ist falsch, denn Vogel ist ganz im Gegensatz zu seinem jovialen CDU-Bruder Bernhard ein wahrhaft integerer Intellektueller, der zwar Bundesminister, SPD-Parteichef und Fraktionsvorsitzender, sowie Regierungschef von München und Berlin war, dem aber ungerechterweise der Durchbruch zum Bundeskanzleramt verwehrt blieb. Darin saß dann sein Konkurrent Helmut Kohl, der mit Sicherheit weniger geeignet war.

Wie immer, wenn in solchen Talkrunden interessante und weniger interessante Gäste sind, bemühen sich die Moderatoren ausschließlich die Doofen zu Wort kommen zu lassen, während sie sofort das Wort abschneiden, wenn ein Kluger einen spannenden Gedanken entwickelt.
So auch hier. Jedes Mal, wenn ich hinein zappte, sagte Maischberger gerade „aber dazu will ich lieber mal Blacky befragen“ oder bemühte sich die Rüttingsche ins Gespräch einzubinden. Die sagte dann Dinge wie „im Bayerischen Parlament habe ich oft geweint, wenn ich mit meinen wunderbaren Tierschutzinitiativen in die Ausschusssitzungen ging und doch wieder alles abgeschmettert wurde“.
Ja, Rütting, Du bist zweifellos ein guter Mensch. Aber daß im Bayerischen Landtag mit einer 2/3-Mehrheit der CSU nicht die Vorschläge einer Grünen eins zu eins umgesetzt werden, ist nicht die größte Überraschung der Welt.
Da muß man schon etwass klüger und geschickter agieren, wenn man etwas bewirken will. Hamm-Brücher hat dass in ungleich schwierigeren Zeiten als linke Querulantin im schwarzen Bayern vorgemacht.
Einfach nach einem ganz anderen Beruf mit über 70 in die CSU-geprägte Bayern-Politik zu gehen und dann zu hoffen sich mit bestimmten Anliegen durchsetzen zu können, weil dies nun einmal richtige Anliegen wären, ist nicht eben schlau.

Als es zum Schluß über das nahende Lebensende und den Tod ging, blieb ich doch konzentriert auf dem Sender, weil mich die zu erwartenden Weisheiten interessierten.

Und dann das:

Die beiden WIRKLICH Klugen, Hans-Jochen Vogel (überzeugter Katholik) und Hildegard Hamm-Brücher (1974–1988 war sie Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages) betonten, der Glaube wäre ihnen immer wichtig gewesen und werde zunehmende wichtiger.

Die beiden deutlich weniger Belichteten outeten sich als Ungläubige.
Rütting sagte, sie habe sich Jahrzehnte bemüht zu glauben und beneide Religiöse; aber sie könne einfach nicht.

Noch besser Wackelkopp Fuchsberger, der trocken feststellte schon als ganz junger Mann, im Krieg, habe er beim Feldgottesdienst, wenn die Geistlichen dringend zur Ermordung des Kriegsgegners aufriefen festgestellt, daß ein Gott, dessen Vertreter auf beiden Seiten der Front dazu aufforderten den jeweils anderen zu töten, nichts für ihn sei.
Später habe er erfahren, daß es immer wenn der Spruch „nun liegt alles in Gottes Hand“ fiel, besonders übel ausgegangen wäre.

Wie kann das sein, daß so kluge Menschen religiös sind und die Deppen den Durchblick haben?
Vogel, der Humanist, sprach sich sogar ganz im Sinne der Katholischen Kirche gegen Sterbehilfe aus. Ja, man dürfe das STERBEN verkürzen und müsse nicht alles unternehmen, um den Sterbeprozess künstlich zu verlängern, aber mit dem Gedanken das Leben zu verkürzen habe er Probleme.

Tod und Verlust: „Der Tod ist ein selbstverständlicher Bestandteil des Lebens“ – diese Erkenntnis gewinnt mit zunehmendem Alter an Bedeutung, genauso wie der religiöse Aspekt, sagt Katholik Hans-Jochen Vogel. Das sehen die anderen Diskutanten ähnlich – bis auf die Gretchenfrage: Barbara Rütting, sonst eher spirituell, hat mit Religion nichts am Hut. Und Joachim Fuchsberger nach den Feldgottesdiensten an der Ostfront auch nicht.
Beide plädieren für Sterbehilfe: „Wenn ich dement werde, würde ich mir helfen lassen. Das halte ich nicht aus, dann mache ich Schluss“, sagt die Schauspielerin. „Wenn ich nicht sanfter in die andere Dimension komme, würde ich Sterbehilfe in Anspruch nehmen“, sagt die 86-Jährige.
„Ich bin auf der Seite von Barbara“, pflichtet Blacky ihr bei. „Ich blicke dem Tod außerordentlich gelassen entgegen.“ Ohne seine Frau zu leben, allein zu sein, das sei für ihn unvorstellbar. Dann würde er „versuchen, diesem Zustand möglichst schnell ein Ende zu bereiten. Ich bin sicher: Da fällt mir was ein.“
Das Leben zu verkürzen, das kommt für Vogel nicht in Frage. Und Hildegard Hamm-Brücher schweigt zur Sterbehilfe. Sie sagt nur: „Ich will nicht ins Heim. Die Idee: ,Wo kann ich mich nützlich machen?’ stirbt ja, wenn einem alles abgenommen wird.“

Es gibt eindeutig Korrelationen zwischen Bildung und IQ einerseits und Spiritualität und Religiotie andererseits.
Unzählige Umfragen zeigen, daß die Religiosität mit höherer Bildung abnimmt.
Typischerweise sind die amerikanischen Eliteunis Hochburgen des Atheismus, während die Highschool-Dropouts im Biblebelt, die auch glauben in Brasilien spreche man brasilianisch und der Kanzler von Deutschland hieße Hitler, jedes Wort der Bibel ernst nehmen.

Unter Intellektuellen gibt es die höchste Atheistenquote.
Aber genauso wie einige Atheisten dennoch Idioten sein können, gibt es auch Hochgebildete, die trotzdem sehr überzeugte Christen/Juden/Moslems sind.

Warum bloß?

Die einzige Erklärung, die ich bisher für dieses scheinbare Paradox habe ist die gewissermaßen neurologische Argumentation Michael Schmidt-Salomons. Stichwort „Inselverarmung“

Solange nämlich Religioten das Sagen auf unserem Planeten haben - und das haben sie leider, Mensch sei’s geklagt, in vielen Teilen der Welt -, sind alle Versuche, das Zusammenleben der Menschen vernünftiger, freier, gerechter zu gestalten, notwendigerweise zum Scheitern verurteilt. (Denken Sie nur an die muslimischen Extremisten in Somalia, die 2011 dringend benötigte internationale Hilfe für die hungernde Bevölkerung nicht zuließen.) Versuchen wir also angesichts der Bedeutung dieses Phänomens eine kurze Definition des religiotischen Syndroms:
Religiotie ist eine selten diagnostizierte (wenn auch häufig auftretende) Form der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird. Sie führt zu deutlich unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungen sowie zu unangemessenen emotionalen Reaktionen, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht.
 Bemerkenswert ist, dass sich Religiotie nicht notwendigerweise in einem generell reduzierten IQ niederschlägt: Religioten sind zwar weltanschaulich zu stark behindert, um die offensichtlichen Absurditäten ihres Glaubens zu erkennen, auf technischem oder strategischem Gebiet können sie jedoch (siehe Osama bin Laden) hochintelligent sein. Wie es „Inselbegabungen“ gibt (geistig behinderte oder autistische Menschen mit überwältigenden mathematischen oder künstlerischen Fähigkeiten), so gibt es offensichtlich auch „Inselverarmungen“ (normal oder gar hochintelligente Menschen, die in weltanschaulicher Hinsicht völlig debil sind).
Religiotie sollte daher als „partielle Entwicklungsstörung“ verstanden werden – ein Begriff, den der Entwicklungspsychologe Franz Buggle schon vor Jahren vorgeschlagen hat, um die spezifischen Denkhemmungen religiöser Fundamentalisten zu erfassen.

Es widerstrebt mir und erschüttert mich regelrecht einen Mann, den ich wie Vogel fast adoriere als partiell debil zu bezeichnen.

Aber wie soll man es besser ausdrücken?

Daß er überzeugter Katholik ist und demnach an all die sadistisch-paradoxen Sätze der Bibel, die grundgesetzwidrigen Regeln, die antihumanistischen Traditionen und die kriminelle Mutter Kirche glaubt, IST debil.

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