Samstag, 27. Oktober 2012

Bremen




Moderne Menschen zeichnen sich dadurch aus, daß sie ihre Nachbarn hassen. Sie sind besessen davon besser als ihre Nächsten sein zu wollen.
Studien haben ergeben, daß Angestellte lieber auf eine Gehaltserhöhung verzichten, wenn dafür ihre Kollegen noch etwas weniger verdienen, anstatt daß alle viel mehr; aber gleich viel, bekämen.
Eine halbe Million Gerichtsverhandlungen wegen Nachbarschaftsstreitereien sind in deutschen Gerichten anhängig.
Wenn man die Perspektive vergrößert, bleibt das Verhaltensmuster gleich.
Es ist einem wichtig in dem schöneren/besseren/reicheren Stadtteil als der Nachbarstadtteil zu leben.
Und die eigene Stadt ist natürlich möglichst besser als die anderen Städte. Ebenso ist das eigene Bundesland das Beste, während die anderen doof sind und auf nationaler Ebene gilt das erst recht.

Natürlich mache ich dieses Spielchen mit einem Augenzwinkern mit und finde auch andere Städte doofer als Hamburg. Wenn man das mit einem ironischen Unterton sagt, kann das Gegenüber glücklicherweise nie einschätzen, ob da nicht ein Funken Ernst dabei ist.

Konkurrenz macht ja auch Spaß. 
Bei Konkurrenz unter Städten vergleicht man dabei praktischerweise Dinge, die nicht vergleichbar sind.
In der Rivalität zwischen Hamburg und Berlin beispielsweise kann sich jede Partei die Rosinen rauspicken, weil die Unterschiede gewaltig sind.

Als Hamburger mag man aber Berlin nicht, weil es arm, dreckig und proletig ist.

Noch weniger mag man München, weil München auch sehr reich ist, aber den Reichtum so gerne zeigt. Die Bayerische Bussi-Gesellschaft mit all den teuren Labels und Luxuskarossen missfällt den auf Understatement bedachten Hamburgern.

Zu Köln haben Hamburger ein Nicht-Verhältnis, weil wir einfach damit überfordert sind überhaupt Vergleichbares zu finden. Rheinische Frohnatur, Karneval, Kölsch, Comedy, Feierlaune und Katholizismus sind die diametralen Gegenteile des Hanseaten, der sich als nüchtern, protestantisch und unterkühlt versteht.
 Ein Indiz dafür ist, daß ich tatsächlich noch nie im Leben in Köln war.

Dann gibt es noch Hannover, welches Hamburg schon viel ähnlicher ist, aber so unauffällig ist, daß es an der Alster gar nicht richtig wahrgenommen wird.

Bremen fällt aus dem Rahmen, denn soweit ich es beurteilen kann, mag jeder Hamburger Bremen. 

Immer mal wieder trifft man jemanden, der ganz beglückt erzählt, er wäre gerade einen Tag in Bremen gewesen und es sei ja „so nett“ da.
Man blickt wohlwollend auf Bremen, benutzt zum Beispiel den Namen als Passwort und fühlt sich verstanden.

Ein Freund von mir hat in Bremen studiert, wohnte dort in einem Studentenwohnheim, behielt aber die ganze Zeit auch seine Wohnung in Hamburg.
Natürlich war das ein Luxus für jemanden, der sein ganzes Studium selbst finanzierte und jeden Nachmittag Geld verdienen mußte.
Auf Dauer nervte auch die Pendelei am Wochenende. 
Er könne sich wirklich inzwischen vorstellen die Hamburger Wohnung aufzulösen und ganz in Bremen zu leben, er fühle sich dort wirklich wohl; sinnierte er eines Abends bei einer Flasche Wein in meinem Wohnzimmer.
„Bremen ist aber auch wirklich nett“ fiel ich sofort ein. 
Bremen habe von allen Bundesländern grundsätzlich die sympathischsten Regierungschefs (Koschnik, Scherf, Böhrnsen,..) und fiele bundespolitisch nie durch Peinlichkeiten auf. Es sei doch erstaunlich, daß zwischen Hamburg und Bremen gar nicht die übliche Konkurrenz und Missgunst herrsche, befand ich weiterhin.
 Da lachte mein Freund! „Das denkst Du! Weil Du in Hamburg lebst! Bremer können Hamburger nicht ausstehen.“ Das sei ein echtes Manko für ihn, weil ihm als Hamburger dort immer mit Vorurteilen begegnet würde.
Ich war ja platt. Huch? Wieso das denn? 
Wir haben doch eine ganz ähnliche Kultur als reiche, unabhängige Handels- und Hansestädte mit enormen Maritimen Touch. Beides Stadtstaaten.
Deswegen fühle sich ein „Hamburger Pfeffersack“ ja auch gleich heimisch, wenn er mal in Bremen weile. Ich empfände Bremen gar nicht als Konkurrenten!
Wieder lachte mein Freund. „Eben! Weil Bremen auch keine Konkurrenz ist.“
 (Hamburg ist in allen erdenklichen wirtschaftlichen Kennzahlen meilenweit überlegen.)  
 Die Bremer empfänden Hamburg aber als enorme Konkurrenz und litten darunter immer nur auf den Plätzen zu landen. Daher stieße ihnen das Hamburger Wohlwollen ganz besonders sauer auf. Schließlich belege dies doch nur, daß Hamburg Bremen in keiner Weise auf Augenhöhe wahrnehme. Das verletze und würde zu übermäßigen Jubel führen, wenn Bremen in irgendeinem Aspekt doch mal besser als Hamburg abschneide - und sei es ein gewonnenes Werder-Spiel gegen den HSV.

Ich weiß nicht wie weit man diese Ansicht zu verallgemeinern ist. 

Aber für mich gilt weiterhin: Ich mag Bremen.

Vielleicht wirklich, weil Bremen so vertraut ist, obwohl, oder vielleicht gerade weil ich ganz selten da bin.

Ein Aspekt Bremens wirkt besonders bekannt auf mich.
 Das ist die völlig verlotterte Landes-CDU.
Die Hamburger CDU hatte sich hier nach der Wahl von 2011 vollkommen zerlegt.

Da muß ich eine Anekdote erzählen:
Vor drei Wochen erlebte ich den schönsten Tag meines Lebens!
Da war ich bei Toom, Groceryshopping. Alle Kassen mit langen Schlangen. Und wer steht genau vor mir, so daß ich 20 Minuten mit ihnen Frottage machen konnte?
Charlotte, Christoph und Fila!
Die Ahlhausens! Wie schön. Fila sieht vom Nahen echt genauso aus wie Betty Wulff und Christoph hat genau wie Christian Wulff total abgenommen und ist ergraut. Das scheint diese CDU-Regierungschefs irgendwie zu schocken, wenn sie plötzlich abgewählt, bzw abgesetzt werden. Dann fallen sie gleich vom Fleisch.
Obwohl die Ahlausens ja im Gegensatz zu den Wulffs ordentlich Kohle haben, war im Einkaufswagen nichts Dolles. Hauptsächlich Windeln für Charlotte und weitere Babykram wie Stilleinlagen und so. Interessant fand ich eher, daß Fila total aufgebrezelt war, das Balg im Arm hielt und ihren Gatten ignorierte. Er mußte alles ein- und ausräumen und bezahlen natürlich. Und wie immer war sein Anzug natürlich unmöglich. Schlechter Schnitt, miese Qualität. Sie hingegen in in ganz kurzem Kostüm mit schwarzen Strümpfen und gefährlichen schwarzen Lack-Pumps.
Begeisternd ist ja in Hamburg - und das fällt mir öfter auf - daß auch solche „Berühmtheiten“, wie der Ex-Regierungschef, total ignoriert werden. In dem Menschenandrang in dem enormen Kassenraum nahm keiner Notiz vom Ex-Bürgermeister.
Naja, jedenfalls, nachdem ich mir mal die Ahlhaus-Blase so ganz in Ruhe von ganz ganz nah ansehen konnte, war ich ja so froh und glücklich geradezu, daß stattdessen nun Scholz regiert! Wie schön!
Nachdem Ahlhaus die Wahl mit 21 Prozentpunkten Verlust in noch nie dagewesener Weise vergeigt hatte, begann auch die Landespartei sich aufzulösen. 
Schließlich verkrachte er sich vollständig mit der Restpartei und wollte nicht mehr in der Hamburger CDU mitmachen.


Die Brandenburgische CDU-Landes- und Fraktions-Vorsitzende Saskia Ludwig, 44, breitete in der rechten „Jungen Freiheit“ exklusiv in zwei Essays ihre CDU-Zukunftsversionen aus.
Die seit 2009 amtierende CDU-Chefin war auf knallharten konservativen Kampfkurs gegangen und führte ihre Partei bei den letzten Landtagswahlen auf nur noch 19,8% und somit Platz 3 hinter SPD und Linken.
Im braunen Nebelraum zwischen Kreuznet, JF und CDU verhedderte sie sich so sehr, daß Ludwigs Kopf am 11.09.2012 rollte. 14 der 19 CDU-Landtagsabgeordneten entzogen ihr das Vertrauen und drohten sie abwählen zu lassen. Damit ist die CDU-Karriere erst mal zu Ende und sie trat von sich aus zurück. Ihre Parteiämter ist sie los.
Am meisten bedauert das natürlich die JF, der ein wichtiges missing link zu den Etablierten verloren geht.

Auch die Bremer CDU wird von einer Frau geführt. 
Frauen dürfen in der CDU immer ran, wenn ein konservativer, männlicher Vorgänger den Verein so richtig gegen die Wand gefahren hat (Siehe Kohl -> Merkel oder Althaus -> Lieberknecht).

Rita Mohr-Lüllmann, geb 1957, Apothekerin, katholisch, zwei Söhne, Mitglied der Bremischen Bürgerschaft seit 6. Juni 2003, CDU-Chefin seit 2011 hatte es bei der letzten Bremer Wahl am 22.05.2011 auf 20,4 % gebracht und sich damit den Ergebnissen im Norden angepasst. 

Landtagswahl Berlin 18.09.2011 CDU = 23,4%, Hamburg 20.02.2011 CDU = 21,9%, Brandenburg 27.09.2009 CDU = 19,8%.

Ein halbes Jahr nach der vergeigten Wahl erkämpfte sich Mohr-Lüllmann auch den Landesvorsitz und verdrängte mit Thomas Röwekamp den Mann, der sie zur Spitzenkandidatin gemacht hatte.  Im März 2012 wurde sie auf dem Landesparteitag zur Chefin gewählt und sieben Monate später versuchen mindestens 2/3 des Landesvorstandes sie wieder loszuwerden.

 Und das nur weil sie dem Bremerhavener Teil der CDU unterstellt hatte kriminell zu sein.
 Was soll daran falsch sein? 
Als die Hamburger CDU regierte gab es fast ein Dutzend CDU-Parlamentarier, die angeklagt wurde. Gegenwärtig steht der ehemalige CDU-Finanzsenator Carsten Frigge wegen versuchten Betruges vor Gericht. Business as usual in der CDU.
Immer mehr hochrangige CDU-Politiker in Bremen fordern den Rücktritt von Parteichefin Rita Mohr-Lüllmann. Sie solle die persönlichen Konsequenzen ziehen, um weiteren Schaden von der Partei fernzuhalten, heißt es in einer Erklärung, die Radio Bremen vorliegt. Am Dienstagabend hatte bereits der Kreisvorstand der Bremerhavener CDU Mohr-Lüllmann aufgefordert, den Posten zu räumen.
17 Unterschriften hat das Papier, darunter sind viele Mitglieder aus dem Landesvorstand der Partei. "Wir machen uns große Sorgen um den sich dramatisch verschlechternden Zustand unseres Landesverbandes", heißt es in dem Schreiben. Der andauernde Streit und die Verleumdungen beschädigten das öffentliche Bild der Bremer CDU. "Das Bild, das die Bürger von der Bremer CDU wahrnehmen müssen, ist das schlechteste seit ihrer Gründung." In dem Schreiben an den Landesvorstand ist auch davon die Rede, dass Mohr-Lüllmann es nicht hinbekommen habe, die tiefen Gräben in ihrer Partei zuzuschütten. Stattdessen sei sie Teil des Problems geworden und müsse gehen, so die Unterzeichner.
Norddeutsche CDU-Chefs haben es drauf ihre Parteien fertig zu machen.
Im Moment werfen sich Mohr-Lüllmann und ihr parteiinterner Konkurrent um die Bundestagskandidatur, der Bremerhavener Kreisvorsitzende Michael Teiser gegenseitig vor zu lügen. Er will gehört haben, von ihr der „kriminellen Machenschaften“ bezichtigt worden zu sein und scheint inzwischen eine große Mehrheit des Landesvorstandes auf seiner Seite zu haben.
Mohr-Lüllmann bestreitet die Äußerung. Sie habe diese "weder gemacht noch gedacht, gleichzeitig entspricht sie nicht meinem Sprachgebrauch", betonte die CDU-Politikerin, die Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der letzten Bürgerschaftswahl war. Sie rief die CDU dazu auf, "zu einer solidarischen Gemeinschaft zurückzukehren". Die Bremerhavener teilten dagegen mit, es gebe keinen Anlass an der Aussage der Zeugin zu zweifeln.
Das gefällt mir.



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