Montag, 23. Mai 2016

Bello Gracias.



Der häufigste Satz heute lautet:

„Ist ja gerade noch mal gut gegangen!“

Kein brauner FPÖ-Mann als österreichischer Staatspräsident.
Mit unfassbar knappen 50,3% konnte der Vernunftkandidat van der Bellen das Schlimmste verhindern.

Ja, immerhin wurde Hofer verhindert. Aber das war ja auch das absolute Minimalziel.
Einen Grund zur Beruhigung sehe ich nicht, wenn sich in Österreich fast jeder zweite Wähler bei zwei Alternativen – einem Menschenrechtler und einem Neofaschisten -   für letzteren entscheidet.

Felix Austria? Kein Grund zur Erleichterung!
Aufatmen, Erleichterung! Europas politische Elite seufzt vor Glück, dass dieser Kelch an ihr vorüber gegangen ist. Hauptsache kein Bundespräsident von Rechtsaußen. Keiner, der dem rechten Spuk in Europa weiter Auftrieb gibt.
Als seien fast 50% nur ein Menetekel für nationalistische Kleingeistigkeit - und nicht schon eine Katastrophe an sich. Das österreichische Wahlergebnis bedeutet schließlich vor allem dies: Mitten in Europa gelingt es völkischen Nationalisten Mehrheiten zu organisieren, die diesen Kontinent ideologisch in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts zurückschreien wollen. Die von Weltoffenheit und Weltbürgertum ungefähr so viel halten wie Islamisten von Frauenrechten. Und die mit ihrem Gegröle vom "Wir zuerst!" vor allem "Ihr zuletzt!" meinen. "Ihr", die Ihr von anderem Blut, Glauben oder Volk seid!
Wer immer noch meint, diese Bewegung sei mit "rechtspopulistisch" treffend beschrieben, ignoriert, dass hier ein völkischer Ungeist am Werk ist, der im Humanismus der Aufklärung sein wahres Feindbild entdeckt hat. Ein Humanismus, der eben keinen Unterschied macht zwischen "uns Volksgenossen" und "Euch Minderwertigeren".
50% hat die Freiheitliche Partei Österreichs hinter sich versammelt - eine Partei, die mit Freiheitlichkeit genauso wenig zu tun hat wie irgendeine der anderen Rechtsaußenparteien in Europa. Deshalb besteht kein Grund zur Erleichterung. Im Gegenteil: Diese Parteien müssen jetzt erst recht mit aller Entschlossenheit bekämpft werden: Weil sie uns allen unsere Freiheit nehmen wollen. Nämlich die Freiheit so zu sein, wie wir sind. Egal wo.

Völkisch-bräunlich moderig wird wieder quer durch Mitteleuropa gedacht.
Spanien ist die einzige rühmliche Ausnahme.

Unsere sogenannten christlich-jüdischen, abendländischen Werte sind das, was religiotische Werte eben sind:
Ein tiefverwurzeltes „Wir sind besser als die!“-Denken.
Wer auf irgendeine Art anders ist, weil er schwul, schwarz, muslimisch, arm, verfolgt oder behindert ist, wird geistig gnadenlos ausgegrenzt.

Die „europäischen Werte“ sind eine reine Schönwetterveranstaltung, die Kauder und Merkel gern einer Monstranz gleich vor sich hertragen, die aber wenn es ernst wird nichts gelten sollen.

Profit geht über Mitleid.
Gier über Teilen.
Homogenität über Vielfalt.
Konvention über Neugier.

Die schöne Michael Schmidt-Salomonsche Theorie des „evolutionären Humanismus“ ist einer Majorität immer noch fremd.

Menschen an sich sind missgünstig.
Auch wenn es sie persönlich gar nicht betrifft, frönen sie ihrer Bösartigkeit.

Der Durchschnittstoitone mit AfD-Faible will eben nicht, daß der Herr Nachbar einen Mann heiraten darf, daß die Jungs am Ende der Straße in eine Moschee gehen oder daß die Frau von gegenüber am Karfreitag tanzen geht.

Von Akzeptanz der Heterogenität sind wir weit entfernt und selbst die kleine Schwester der Akzeptanz, die Toleranz hat keine Chance in den Landstrichen, in denen täglich Asylunterkünfte angegriffen werden.

Dieser widerwärtige Aspekt der Deutschen wird kein bißchen besser dadurch, daß in Ungarn und Polen die angebräunten Intoleranten bereits die Regierung stellen, daß es in der Türkei und Russland eine breite Sehnsucht nach einem allmächtigen Führer gibt, daß in Amerika nicht ausgeschlossen werden kann ab Januar 2017 von einem rassistischen Orang regiert zu werden.

In Deutschland und Österreich muß gar nicht erst eine AFDFPÖ die Regierung übernehmen.
Die jeweiligen Grokos verlieren schon bei dem Gedanken an Petry und Strache die Kontrolle über ihre Peristaltik.
Ohne Not tut man das was rechte Demagogen, die bisweilen in der eigenen Koalition sitzen und mit Vornamen „Horst“ heißen, verlangen.

Die rot-schwarze Bundesregierung hat sich in den vergangenen Jahren von der FPÖ treiben lassen. Immer wieder hat Rot-Schwarz Forderungen der Rechtspopulisten übernommen - und doch an Zustimmung in der Bevölkerung verloren.
Gerade in der Flüchtlingspolitik ist Wien unter dem Anfang Mai zurückgetretenen Bundeskanzler Werner Faymann Zick-Zack gefahren, zuletzt nicht gerade europafreundlich. Alexander Van der Bellen hingegen hat sich stets klar positioniert, auch bei mutmaßlich unpopulären Themen wie Flüchtlingen und Europa.
Der Wahlausgang zeigt: Die Mehrheit der Österreicher ist weder europafeindlich noch ausländerfeindlich eingestellt. Und die meisten Bürger des Landes belohnten eine pro-europäische Linie. Die Grünen sollten sich trotzdem nicht zu viel auf Van der Bellens Sieg einbilden: Viele Bürger haben auch vor allem deshalb für ihn gestimmt haben, um einen FPÖ-Präsidenten zu verhindern.

Was sollen die Doofen und Ängstlichen, die AFDFPÖ anhängen anderes denken, als „wir haben eben doch recht!“, wenn die Altparteien ihre Überzeugungen über Bord werfen und den Willen der Rechten exekutieren?

Nein, der braune Kelch ist noch nicht an uns vorüber gegangen.
Die Le Pens, Petrys und Straches sind gestärkter als je zuvor.