Sonntag, 11. Dezember 2016

Für Deppen klingt es gut



Die Forderung homöopathische Methoden ins Medizinstudium aufzunehmen, ist genauso sinnlos, wie der Vorschlag im Astrophysik-Studium auch Astrologie zu lehren.

Homöopathie ist reiner Unsinn. Sie mit einem seriösen Studium zu adeln ist also nicht nur unredlich, sondern fachlich unmöglich.
Homöopathie ist irrational und insofern prinzipiell nicht mit an Fakten orientierten wissenschaftlichen Methoden zu behandeln.

Ähnliches gibt es auch in der Theologie. Dort widersprechen viele Dogmen historischen Fakten.
Es müssen also Dinge geglaubt werden, die schlicht unwahr sind.
Wer also rein wissenschaftlich arbeitet, kann ein Theologiestudium nicht abschließen.

Natürlich kann man auch nicht das Erstellen von Horoskopen seriös lehren, weil das purer Humbug ist.
Dennoch gibt es in fast allen Zeitungen Horoskope.
Der Mensch ist nun mal dumm und will gern an Unsinniges glauben.
Selbst wenn man es sich nicht selbst eingestehen will, so etwas ernst zu nehmen, neigt man dazu doch mal ein Horoskop zu lesen. „Aus Spaß“.

Den Leichtgläubigen und Esoterikwilligen kann man es wie bei der Homöopathie leicht machen, indem man ihnen etwas ihren Erwartungen Entsprechendes suggeriert, oder eben beim Sternzeichenhoroskop in der BILD-Zeitung so vage formuliert, daß die Prognosen auf fast alle zutreffen.
Die Kommunikationswissenschaftlerin Katja Furthmann erklärt es.

[….] Da gibt es viele Tricks: Formulierungen wie "Eine Entscheidung, eine Veränderung steht an, Sie werden Vorteil erlangen" sind Rahmen, die alle Situationen abdecken können. Auch legt man sich nicht auf einen Bereich fest, man sagt also nicht: "Sie werden Glück in der Liebe haben", sondern besser "In Liebe, Beruf und Gesundheit geht es bergauf". In irgendeinem Bereich trifft das dann zu.
[….] Für den einen ist das nächste Woche, dem anderen passiert es im nächsten Jahr. Auch hier kann man nie das Gegenteil beweisen.
[….] Häufig werden auch Gegensätze formuliert: "Sie sollten weniger grübeln und mehr Tatendrang beweisen". Dadurch entstehen Skalen der Befindlichkeit, auf denen jeder Leser seine eigene Position findet. Auch Gegensätze werden gern verwendet, etwa der Rat, dass man Chancen und Karrieremöglichkeiten nutzen, aktiv sein, Vorgesetzten Forderungen stellen soll. Andererseits soll man Geduld haben, bei Konflikten abwarten, alles prüfen, Zurückhaltung zeigen. [….]
[….] Die sprachlichen Elemente besitzen ein Allgemeinheitspotenzial, die der Einzelne für sich interpretiert, das heißt: Es kommt auf den Leser an, wie weit ein Horoskop zutrifft. Psychologische Untersuchungen haben festgestellt, dass man sich in den Eigenschaften wiederfindet, wenn man daran glaubt. [….]

Eine intellektuelle Stufe höher gibt es ein ähnliches Phänomen in der Psychologie.
Liest man als interessierter Laie Definitionen psychischer Krankheitsbilder, ist man stets geneigt entweder sich selbst, oder doch einen Bekannten darin zu erkennen.
Ursächlich dafür sind die vielen allgemein geläufigen Begriffe wie „Neurose“ oder „Psychopath“, die man selbst verwendet, ohne aber wirklich die wissenschaftliche Definition dafür zu kennen.

Die Erfahrung machte ich das erste mal, als ich in der 11. Klasse Fritz Riemanns Psycho-Klassiker „Grundformen der Angst“ von 1961 lesen sollte.

Zunächst war ich nicht sehr interessiert an dem Thema; einer Aufteilung der Menschen in vier Charaktertypen, die jeweils durch eine Grundangst definiert wurden.
Schizoide, depressive, zwanghafte oder hysterische Persönlichkeiten:

Die schizoiden Persönlichkeiten
Die Hauptangst des Schizoiden ist die Angst vor der Selbsthingabe und dem Ich-Verlust (im Sinne eines Charakterverlustes). Er ist ichbezogen, strebt nach Individuation und meidet zu starke Nähe und Bindung. Sein Gegensatz ist der Depressive.

Die depressiven Persönlichkeiten
Die Hauptangst des Depressiven ist die Angst vor Selbstwerdung, Eigenständigkeit und der daraus resultierenden Einsamkeit. Er sucht die Abhängigkeit von anderen und meidet Selbstständigkeit. Er ist der Gegentyp zum Schizoiden.

Die zwanghaften Persönlichkeiten
Die Hauptangst des Zwanghaften ist die Angst vor Wandlung, Risiko und Vergänglichkeit. Er ist ausgerichtet auf Wahrung von Tradition und Sitten, strebt nach Beständigkeit und Dauer und ist somit der Gegentyp zum Hysterischen.

Die hysterischen Persönlichkeiten
Die Hauptangst des Hysterischen ist die Angst vor Notwendigkeit, Endgültigkeit und begrenzter Freiheit. Dieser Typ strebt nach Freiheit, Wandel und Risiko und ist der Gegensatz zur zwanghaften Persönlichkeit.
(Wiki)

Nach dem Lesen des ersten Kapitels war ich Feuer und Flamme.
Die Beschreibung der schizoiden Persönlichkeit entsprach zu 100% mir.
Noch nie hatte ich eine so treffende Definition meiner eigenen Psyche gelesen.
Ich war also schizoid.

Es erschien mir völlig überflüssig noch weiter zu lesen, da ich schon so gut getroffen war. Wieso also noch den „depressiven Typen“ lesen, der laut Definition das diametrale Gegenteil des Schizioden war?

Meine Lehrerin verlangte aber das ganze Buch zu lesen und dann kam auch erst die eigentliche Überraschung des Buches:
Riemanns Depressiver Typ, also das Gegenteil von mir, war erneut eine 100%ige Beschreibung meiner selbst.

Als 15-Jähriger bog ich mir die Bedeutungen der Begriffe „schizoid“ und „depressiv“ offenbar so zurecht, daß sie immer genau passten.

So ist das mit der Psychologie als Wissenschaft: Man überlasse sie nicht Laien zur Selbstdiagnose.

Aber es klingt eben immer so gut.

Prof Otto Kernberg, 88, der vermutlich weltweit größte Experte für Narzisstische Persönlichkeitsstörungen spricht nicht über Patienten, die er nicht persönlich untersucht hat.
Und hat er jemand untersucht, spricht er schon wegen der Schweigepflicht nicht mehr über ihn.
Kernberg spricht also öffentlich über gar keine lebenden Menschen psychoanalytische Urteile.
Sehr seriös.
Aber wenn es um Tote und theoretische Definitionen geht, drängt sich Donald Trump so extrem auf, daß man als Laie einfach nicht widerstehen kann.
Das trifft so gut. Trump muss genau diese Art Störung haben.

[….] Über die Psyche toter Politiker spricht Kernberg. Hitler habe, genau wie Stalin, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung gehabt, und zwar eine bösartige, maligner Narzissmus ist der Fachbegriff. Bei ihnen paare sich das Gefühl der eigenen Großartigkeit mit schwerer Aggression, einer paranoiden Grundeinstellung und antisozialem Verhalten; Personen mit dieser Kombination wollten nicht nur geliebt werden, sondern auch die totale Unterwerfung. Das stelle die Grenze des Therapierbaren dar, sagt Kernberg, es sei gerade noch behandelbar. Ganz kurz der Gedanke, was alles hätte verhindert werden können, hätte Hitler nur einen guten Therapeuten gehabt. [….]

Donald Trump und „maligner Narzissmus“ – das passt wie die Faust auf’s Auge!