Dienstag, 27. August 2013

Merkel in der Patsche




Alles wird immer konservativer.
Der einstmals durchaus liberale Bertelsmann-Konzern geht unter Führung von Merkel-Freundin Liz Mohn auf strikten CDU-Kurs.
Der früher mal von dem Sozialdemokraten Erich Brost  geleitete WAZ-Konzern ist inzwischen vollständig in die Hände der konservativen Funke-Familie übergegangen.
Die liberale ZEIT-Verlagsgruppe gehört seit 2009 den von Holtzbrincks. Die stramm konservative FAZ übernahm im Februar 2013 die linke Frankfurter Rundschau.
Selbst die gesunde, unabhängige linksliberale Süddeutsche Zeitung wurde 2007 an die viel rechtere Südwestdeutsche Medien Holding verkauft.
Und der neue Chefredakteur des SPIEGEL, Wolfgang Büchner, holt sich zum Entsetzen der Ressortleiter den Vizechef der BILD, Nikolaus Blome, als SPIEGEL-Vizechef.
Kein Wunder, daß in dieser Presselandschaft die debakulierende schwarzgelbe Koalition leichtes Spiel hat.
Bizarrerweise ist es aber so, daß die gesamte Presselandschaft so weit nach rechts gerutscht ist, daß sich ausgerechnet die besonders Bürgerlichen in einer Art Kreisbewegung auf einmal bei den Linken wiederfinden.
Während SPD und Grüne sich im Wahlkampf dümmlich von der „Alles-ist-gut-Merkel“ einlullen lassen, fangen die Rechten das Grübeln an. Vereinzelt traten schon immer gebildete Konservative aus der CDU aus.

Peter Voß, 68, bärtiger und konservativer TV-Journalist ist dem deutschen Polit-interessierten Fernsehkonsumenten seit vielen Dekaden bekannt.
Er arbeitete beim rechten BR-Magazin „Report München“, moderierte das ZDF-„Heute-Journal“, war lange Zeit SWR-Vorsitzender und moderierte unter anderem auch einige Jahre lang den „Presseclub“.
Obwohl das schwarze TV-Urgestein ein gebürtiger Fischkopp ist, assoziiert man ihn immer mit Süddeutschland, da er im Parteienproporzsystem stets den CDU-Kandidaten gab.
Das geschah nicht ohne Grund, denn Voß trat bereits 1974 in die CDU ein - man fragt sich wie ein gebildeter Mann in der Ära Brandt/Schmidt mitten während der Ostpolitik auf die Idee verfallen konnte.
[….]  Aber immerhin ist jetzt Schluß damit, denn Peter Voß gab sein CDU-Parteibuch aus Protest gegen die Koch-Stoiber-Merkelschen Anti-Brender-Machenschaften zurück.
Im Interview mit der Welt erklärt der Ex-Intendant seine Beweggründe:

„Unter anderem, dass die Partei bis in die Bundesführung hinein einen Anschlag auf die Rundfunkfreiheit begangen hat, indem sie einen Chefredakteur eben nicht wegen irgendwelcher Fehlleistungen, sondern wegen seiner Unabhängigkeit abservierte…….. Bisher haben die Parteien eben nicht die Sender beherrschen können. Sie haben eine Mitsprachemöglichkeit, sind aber in den meisten Gremien in der Minderheitenposition, sodass es immer argumentativ und sachlich zuging – jedenfalls dort, wo ich beteiligt war. Das war hier aufgrund einiger Bestimmungen des ZDF-Staatsvertrags, die meines Erachtens nicht verfassungskonform sind, anders. Man braucht 60 Prozent Zustimmung für einen Vorschlag des Intendanten. Das führt dann zu so einer absurden Erklärung wie: Der Intendant hat unser Vertrauen, und demselben Intendant traut man nicht zu, zu beurteilen, ob sein Chefredakteur qualifiziert ist.

Richtig so, Herr Voß.

Besser spät, als nie.

Es folgte der Herausgeber der stramm konservativen F.A.Z. Frank Schirrmacher.

Bürgerliche Werte: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“
Im bürgerlichen Lager werden die Zweifel immer größer, ob man richtig gelegen hat, ein ganzes Leben lang. Gerade zeigt sich in Echtzeit, dass die Annahmen der größten Gegner zuzutreffen scheinen.

Das zutiefst bürgerliche Manager-Magazin empört sich in der aktuellen Ausgabe über die totale Denkfaulheit und intellektuelle Unterbesetzung des Merkel’schen Kanzleramtes.

Wie die Merkel-Regierung Politik simuliert
Strategische Fragen werden geräuschlos verwaltet - bestenfalls. Der Euro? Eine Großbaustelle ohne Bauplan. Die Energiewende? Ein Projekt mit desaströsem Vollzugsdefizit. Die drohende Vergreisung der Gesellschaft? Die alles umwälzende Digitalisierung der Wirtschaft? Themen für "Gipfel" genannte Konferenzen, mit denen die Merkel-Regierung Politik zu simulieren pflegt - schöne Bilder, keine Folgen.
[….]   Im Kern plagen das Kanzleramt zwei Defizite: ein personelles und ein strukturelles. Zum einen mangelt es an straffer Leitung; dem Amt fehlt Führung an der Spitze, auch wichtige Abteilungen waren schon stärker besetzt.
Zum anderen ist die Organisation der Regierung überholt: Nach wie vor dominiert das Ressortprinzip. Gemäß Grundgesetz ist die Regierungsgewalt geteilt zwischen den Ministerien. Das Kanzleramt soll kontrollieren und koordinieren. Doch in einer Zeit, in der viele Probleme Ressortgrenzen sprengen, steigt zwangsläufig die Bedeutung der Zentrale.
So erscheint das Merkel-Amt als real existierendes Paradoxon: An der Spitze steht eine Kanzlerin mit Richtlinienkompetenz, die aber, wenn irgend möglich, keine Richtlinien vorgibt. Ihr assistiert ein Kanzleramtschef, der Konflikte ausräumen und Entscheidungen beschleunigen soll, stattdessen aber Streit schürt und Beschlüsse ausbremst.
[…]    Der eigentliche Hebel einer Kanzlerschaft besteht in der Deutungshoheit. Wirkmächtig agieren kann der Regierungschef, wenn er Strategien formuliert - indem er Volk und Welt eine Idee davon vermittelt, wohin man gemeinsam will, und diese Idee dann konkretisiert. Verfassungsrechtler nennen das Richtlinienkompetenz.
Im Zentrum der Macht herrscht inhaltliche Leere
Ideen? Konzepte? Strategien? All das ist Merkels Sache nicht. Im Zentrum der Macht herrscht eine bedrückende inhaltliche Leere.
Das beklagen auch Topentscheider des Regierungsapparats selbst, die die Stiftung Neue Verantwortung kürzlich befragen ließ. Um in einem immer unsichereren Umfeld managen zu können und den Ereignissen seltener hinterherzurennen - "vor die Lage" zu kommen, wie Ministeriale das nennen -, wünschen sich die meisten Befragten mehr strategisches Denken und mehr Koordination.

Der bürgerlich-Intellektuelle CICERO beklagt währenddessen den Jubeljournalismus, der unkritische Merkelbelobigungen abliefert.


Ausgerechnet auf die bürgerlich-medialen Stützen kann sich Angela Merkel nun nicht mehr verlassen, wenn die Syrien-Problematik das Unmögliche von der Kanzlerin verlangt: Eine schnelle und deutliche Entscheidung.
Vier Wochen vor einer Bundestagswahl dem Wahlvolk zu erklären, daß man sich an einem Krieg beteiligen werde, der mit einiger Wahrscheinlichkeit einen Flächenbrand auslösen könnte, ist das letzte, das Merkel will.
Ein Kriegseintritt Deutschlands im Nahost-Konflikt ist bei den Wählern aller Couleur ungefähr so beliebt wie Fußpilz und Mundfäule auf einmal.
Das Verhältnis zu unserem wichtigsten Energielieferanten Russland würde vollständig zerstört, Israel droht in den Konflikt hineingezogen zu werden und auch der präatomare Iran droht unverhohlen mit schwersten militärischen Konsequenzen.
Dabei ist die Syrische Armee selbst noch gar nicht einkalkuliert. Anders als Saddams marode Truppen-Attrappen im Jahr 2003, dürfte Assad über schlagkräftige Einheiten und zweifellos Massenvernichtungswaffen verfügen.
Und was für ein Dilemma für die Christlich-aktiven Kauder und Merkel: Ausgerechnet die bedrohten Christen, für die sich CDU-Politiker einzusetzen behaupten, stehen an der Seite Assads und warnen dringend vor Militärschlägen.

Bischof: Militärschlag in Syrien würde Weltkrieg auslösen
Der chaldäisch-katholische Bischof von Aleppo, Antoine Audo, warnt eindringlich vor einem militärischen Eingreifen der internationalen Gemeinschaft in Syrien. Dies würde einen «Weltkrieg» heraufbeschwören, sagte Audo am Montag dem Sender Radio Vatikan. Der Konflikt lasse sich nicht einfach durch einen Militärschlag beilegen. Stattdessen solle die Staatengemeinschaft ihre Anstrengungen für einen Dialog zwischen den Konfliktparteien verstärken.

 Merkel, die schon bei kleinsten ökonomischen Stellschrauben extrem ungern ihre Meinung sagt, würde angesichts des sich abzeichnenden Syrien-Desasters sicher zu gerne lavieren und abwarten.
Ihre Konservativen Feuilletonfreunde werden das allerdings nicht gern sehen, wenn in der Nachbarschaft Israels Giftgas eingesetzt wird und die deutsche Regierung dazu keine klare Antwort hat. Die Kombination „Juden“ und „Gas“ ist ein hochreaktiver Trigger für die deutsche Politik. Da kann man nicht so tun, als ob es einen nichts anginge.
Unglücklicherweise ist Merkels ausgerechnet bei ihrer historischen Rede vor der Knesset im Jahr 2008 eine konkrete Ansage rausgerutscht, die man nicht mehr wegdiskutieren kann.
Sie machte damit klar, daß ein Deutschland unter ihre Führung militärisch an Israels Seite stünde.
Es gibt aber weitere massive Hindernisse auf Merkels Weg des Schweigens und Abwartens.
Da sind zuerst Obama, Holland und Cameron zu nennen, die Westerwelles Totalausfall und Deutschlands peinliche Enthaltung in der Libyenfrage nicht vergessen haben. Daß sich Deutschland im UN-Sicherheitsrat an die Seite der Bremser China und Russland stellte, hat der deutschen Außenpolitik schweren Schaden zugefügt. Insbesondere, weil sich ausgerechnet bei dem Militäreinsatz quasi ein „Erfolg“ eingestellt hat. Das kommt selten vor.
In der Schublade mit Assads Schutzpatron Putin will Merkel aber keinesfalls sitzen.
Die Regierungschefs der anderen Atommächte werden sich außerdem kaum wie der einfältige deutsche Urnenpöbel hinhalten lassen, sondern wollen ein Ja oder Nein aus Berlin, wenn es um einen Kampfeinsatz gegen Syrien geht.
Ob Merkel eine klare Haltung bis nach dem 22.09.13 rausschieben kann, ist angesichts der Drucks, den Amerika aufbaut, kaum vorstellbar.

Washington und die Verbündeten bereiten die Intervention offenbar mit großer Kraftanstrengung vor. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel sagte dem Sender BBC, die amerikanischen Streitkräfte stünden bereit. Raketenangriffe auf Ziele in Syrien könnten schon an diesem Donnerstag beginnen, berichtete der US-Sender NBC. Das hätten namentlich nicht genannte ranghohe Regierungsbeamte in Washington mitgeteilt.
Die Angriffe würden sich über drei Tage erstrecken und seien in ihrem Umfang begrenzt. Dagegen sprach die "Washington Post" von einem maximal zweitägigen Einsatz. Demzufolge würde das US-Militär Marschflugkörper von Kriegsschiffen abfeuern, die jetzt schon im Mittelmeer kreuzen, oder Langstreckenbomber einsetzen. Im Visier seien militärische Ziele, die aber nicht direkt zum syrischen Chemiewaffenprogramm gehörten.
Hagel sagte im Interview mit der britischen BBC, dass die US-Streitkräfte sofort losschlagen könnten. "Wir sind vorbereitet", sagte Hagel, der sich derzeit auf einer Asienreise befindet. "Wir haben Kräfte in Stellung gebracht, um jedwede Option umzusetzen, die der Präsident in Anspruch nehmen möchte."

Tatsächlich gibt es auch gute Gründe dafür Assad eine Lektion zu erteilen. Was gäbe die Weltgemeinschaft auch für ein Bild ab, wenn man dauernd mit einer nicht zu überschreitenden roten Linie droht und es dann achselzuckend hinnimmt, wenn ein skrupelloser Diktator ungeniert über genau diese Linie geht?
MUSS Merkel sich jetzt nicht an die Seite Englands und Amerikas stellen?
Wenn sie das tut, können allerdings Grüne, Linke und SPD genüßlich all die massiven Bedenken GEGEN ein deutsches Syrien-Engagement ausbreiten.
Daß solche Militärschläge katastrophale Folgen hätten, scheint mir geradezu sicher zu sein.
Die Türen zum Iran und Russland – den beiden Nationen also, die man UNBEDINGT als Partner bei einer Lösung für Syrien bräuchte, wären jedenfalls zugeschlagen.
In dieser Situation bräuchte es einen fähigen, integren, deutschen Außenminister, der zwischen Moskau, Washington und Damaskus vermittelt.
Unglücklicherweise haben wir aber so jemanden nicht mehr, sondern nur noch den Tölpel Westerwelle, den der Urnenpöbel lieber haben wollte.

Der Union kommt die Eskalation in Syrien so kurz vor der Wahl besonders ungelegen - auch wenn es sich angesichts des Leides der Opfer eigentlich verbietet, in solchen Kategorien zu denken. Merkel weiß, wie unpopulär militärische Abenteuer beim Volk sind. 69 Prozent der Wähler lehnen in einer aktuellen "Forsa"-Umfrage eine Intervention des Westens ab.
Es mag unwahrscheinlich sein, dass sich die Bundeswehr direkt an einem Militärschlag, also mit dem Finger am Abzug, beteiligen würde. Aber Deutschland steht bei den Bündnispartnern in der Pflicht, vor allem nach der Enthaltung beim Libyen-Luftkrieg. Das ist das Dilemma der Kanzlerin. Also verschärft sie die Tonlage, stellt sich an die Seite der Verbündeten und fordert Konsequenzen aus der mutmaßlichen Giftgasattacke - ohne zu sagen welche. Deutliche Warnungen vor einer Intervention und ihren unabsehbaren Folgen überlässt sie ihren Parteifreunden aus der Fraktion. Einstweilen kann die Union wohl nur darauf hoffen, dass Assad beim Anblick der westlichen Drohkulisse doch noch einknickt.