Politkommentatoren
kann man auch nichts rechtmachen.
Vor
einer Woche beim SPD-Bundesparteitag gab es die bekannte 74,3%-Klatsche für
Parteichef Gabriel.
Der Mann
mit dem legendären Instinkt für Stimmungen hatte die Stimmung in seinem eigenen
Laden so katastrophal falsch eingeschätzt, daß er beinahe wie einst Henning
Voscherau oder Jens Böhrnsen hingeworfen hätte.
Gabriel kurz vor
Rücktritt. Nach Tagesspiegel-Informationen soll SPD-Chef Sigmar Gabriel kurz
vor der Verkündung des offiziellen Wahlergebnisses über seinen Rücktritt
nachgedacht haben. Teile der SPD-Spitze, wie Manuela Schwesig, Thomas Oppermann
und Frank-Walter Steinmeier, sollen ihn aber noch überzeugt haben, weiter zu
machen.
In der
Analyse war man sich schnell einig und ich schließe mich den gängigen Theorien
an:
Es war
taktisch dumm kurz vor der Wahl die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann
anzugreifen, nachdem diese die Bedenken vieler in der Partei angesprochen
hatte.
Aber vor
allem sind eine Menge Leute sauer, weil sie viele von Gabriels Alleingängen
nicht nachvollziehen können: Griechenlandbashing, Pro-TTIP, Maas bei der
Vorratsdatenspeicherung in den Rücken gefallen, Waffenexporte, Auftritt bei
Pegida.
Natürlich
ist die SPD der viel kleinere Koalitionspartner in der GroKo und muß daher eine
Menge Kröten schlucken. Aber dann könnte man wenigstens sagen, daß man aus Koalitionsräson
einiges abzunicken hat, das man in einer Alleinregierung anders entschieden
hätte.
Gabriel
scheint aber aus Überzeugung oft auf Merkelkurs zu gehen.
Nach dem
Parteitag senkten die Kommentatoren die Daumen. Alle waren sich einig; so könne
eine Partei, die eine Bundestagswahl gewinnen wolle nicht mit ihrem Spitzenmann
umgehen. Es sei Todessehnsucht die einzige Chance auf ein gutes Ergebnis ohne Not
selbst zu beschädigen. Wer den einzig möglichen Spitzenkandidaten derart
schwäche, müsse sich nicht wundern, daß die SPD nicht aus dem 25%-Knick käme.
So hätte niemand in der Partei gewonnen.
Nun sei
Gabriel neben der Kanzlerin noch mehr geschrumpft.
Man kann
das so sehen.
Eine
große Partei muss wissen, daß Uneinigkeit immer als Schwäche ausgelegt wird.
Nichts
verabscheut der Urnenpöbel so sehr wie Streit in der Politik.
Man
wählt immer die Harmonie und möchte, daß sich alle Delegierten freudig bei den
Händen fassen und gemeinsam den Chef unterstützen.
Ja, alle
die gegen Gabriel stimmten, müssen vorher gewußt haben, daß es ein verheerendes
Signal an die Wähler sein würde, wenn über ein Viertel der eigenen Leute nicht
für ihren eigenen Chef stimmen wollen.
Wenn
schon SPD-Mitglieder und Delegierte nicht für Gabriel stimmen, wer sollte es
dann an der Wahlurne tun?
Man kann
es auch anders sehen und die vielen Nein-Stimmen als Schuss vor den Bug betrachten.
Der Ärger mußte sich Luft machen; vielleicht könnte Gabriel dadurch daran
erinnert werden immer nur soweit wie unbedingt notwendig auf die Union zuzugehen
und es sollte doch auch Wähler geben, die es schätzen, daß in der SPD nicht
alles abgenickt wird, daß man sich durchaus noch gegen Waffenexporte und
Kriegsbeteiligungen einsetze.
Transportiert
wurde in den großen Medien aber nur erstere Sichtweise. Man schüttelte
kollektiv den Kopf ob des „Selbstmordgens“ der SPD. Sie sei offenbar ins
Verlieren verliebt und stimme Albigs Überlegungen auf einen eigenen
Kanzlerkandidaten zu verzichten offenbar zu.
Eine
Partei mit über 25% Quertreiben sei eigentlich nicht regierungsfähig;
jedenfalls nicht Kanzler-tauglich.
Wenige
Tage später fand der CDU-Parteitag statt.
Alles
wartete gespannt auf den Zoff. Wie würde sich Merkel an Seehofer für ihre
Demütigung auf dem CSU-Parteitag rächen?
Gelänge es der JU, der Mittelstandsvereinigung und den Konservativen um Wolfgang Bosbach die Kanzlerin so weidwund zu schießen, daß sie einknicke und doch die heißersehnten Asylobergrenzen postulieren würde?
Gelänge es der JU, der Mittelstandsvereinigung und den Konservativen um Wolfgang Bosbach die Kanzlerin so weidwund zu schießen, daß sie einknicke und doch die heißersehnten Asylobergrenzen postulieren würde?
Sei gar
die „Ära Merkel“ am Ende? Verlöre sie die Kontrolle über die Partei?
Auch das
waren allesamt falsche Fragen und Fehlprognosen.
Horst Seehofer schnurrte wie ein Kätzchen, Merkel schrieb nicht das Wort „Flüchtlingsobergrenze“
in die Abstimmungstexte und wurde am Ende frenetisch mit zehnminütigem Applaus gefeiert.
Merkel
schaffte also das, was Gabriel nicht gelungen war und was an der SPD so heftig
kritisiert wurde.
Sie
brachte ihre Kritiker zum Schweigen und versammelte die CDU komplett
geschlossen hinter sich.
All
diejenigen, die sich in den Talkshows so aufgespielt hatte – de Maizière, und Bosbach
z.B. – waren eingeknickt und trauten sich nicht mehr ihren Mund aufzumachen.
Die CDU
bot also das perfekte Bild eines devoten Kanzlerwahlvereins, der zu allem „Ja“
sagt.
Das aber
passte den meisten Kommentatoren nun auch wieder nicht.
Nun
wurde fast genauso heftig die Geschlossenheit der CDU kritisiert, wie vorher
die SPD dafür nicht geschlossen zu sein.
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