Sonntag, 29. Januar 2012

Feed the Zeitgeist.

Eine der besseren Entscheidungen zu Beginn der Amtszeit Obamas war seine etwas vernünftigere Haltung gegenüber der israelischen Regierung.
Die neue Mannschaft im Weißen Haus hatte offensichtlich analysiert welches die größten Hindernisse für einen theoretischen Frieden in Nahost wären und
setzte den fortgesetzten Siedlungsbau Israelischer Fundamentalisten auf Palästinensischem Land ganz oben auf die Agenda.

Was für eine Absurdität, daß so eine kleine radikale religiöse Minderheit in einem ebenfalls kleinen Land eine ganze Region nachhaltig destabilisiert.

Den Israelis signalisierte ein für jeden Zionisten unverdächtiger Stabschef Rahm Emanuel
, daß Bibi gefälligst das Maul halten solle und den Siedlungsbau zu stoppen hätte. Er watschte Delegationen aus Jerusalem ab, daß ihnen Hören und Sehen verging. Im Weißen Haus so angebrüllt zu werden, hatte der Israelische Regierungschef sich nicht träumen lassen.

Das konnte sich Obams Stabschef aber nur leisten, weil er über einen Persil-Schein verfügt.
Er ist nämlich selbst Jude, engagiert sich in seiner orthodoxen Gemeinde und diente er als ziviler Sar-El-Freiwilliger auf einer Basis der Israelischen Streitkräfte!

Wer nicht über diese untrüglichen Pro-Israel-Insignien verfügt, muß öffentlich an die Israelische Regierung heran robben und möglichst tief in den Hintern von MP Netanjahu eintauchen.

Ich war durchaus positiv gespannt darauf wie Israels rechte Regierung auf die neuen Töne aus Washington reagieren würde.

Da konnte ich allerdings lange warten. Man reagierte so gut wie gar nicht; war ein paar Wochen verwundert und baute dann weiter illegale Siedlungen.
Der Ball lag wieder im Weißen Haus bei dem Mann, der über alle Mittel verfügt Israel unter Druck zu setzen.
Ohne finanzielle, politische und militärische Hilfe läuft nämlich gar nichts im Heiligen Land.
Welche Daumenschraube würde Obama, der mächtige Oberbefehlshaber der Supermacht Amerika also anziehen, nachdem ihm Netanjahu aus dem Mikrostaat Israel vor der ganzen Welt auf der Nase umher getanzt war?
Diplomatische Isolation im UN-Sicherheitsrat? Einfrieren der Militärhilfe? Anerkennung Palästinas? Reduktion der Finanzhilfen?

Tatsächlich kam nur ein kleinlautes „na gut“. Pieps, pieps.
Obama knickte jämmerlich ein und befand er werde zukünftig doch nicht mehr auf dem Stopp des Siedlungsbaus bestehen.

Warum tat er das?

Jeder linke Blogger hat eigentlich sofort die Antwort zur Hand: Die nahezu allmächtige „jüdische Lobby“ in Amerika.

Ich glaube allerdings nicht daran, daß der Druck aus der Ecke wirklich so mächtig ist.
Hat sich schon mal jemand wirklich mit denen angelegt? Was würde passieren, wenn sich eine amerikanische Regierung demonstrativ mit den jüdischen Lobbygruppen träfe, die den Siedlungsbau und die Militärpolitik Netanjahus ebenfalls scharf ablehnen?
Keineswegs sind die Amerikaner jüdischen Glaubens allesamt orthodoxe Rechte.
Hier gibt es ebenfalls eine große liberalere Fraktion, die das Säbelrasseln dringend beenden will.
Könnten Demokraten in Amerika sich nicht auf die Seite des J Street Political Action Committee und des europäischen Pendants JCall stellen?


Wir sind europäische Bürger jüdischer Herkunft, die aktiv in das politische und gesellschaftliche Leben unserer jeweiligen Länder involviert sind. Was immer auch unsere persönliche Agenda sein mag, ist die Verbindung mit dem Staat Israel Teil unserer Identität. Die Zukunft und Sicherheit dieses Staates, mit dem wir unverbrüchlich verbunden sind, besorgt uns sehr.
Wir stellen fest, dass die Existenz Israels erneut gefährdet ist. Die Gefährdung von außen ist nicht zu unterschätzen, doch ist diese nicht die einzige Gefahr. Eine Gefährdung liegt auch in der Besatzung und in dem Auf- und Ausbau der Siedlungen im Westjordanland und in den arabischen Vierteln Ost-Jerusalems, die ein moralischer Fehler und ein politischer Irrtum sind und die u. a. zu dem inakzeptablen Vorgang der Delegitimierung Israels als Staat führen.
Aus diesem Grunde haben wir beschlossen, uns basierend auf folgender Grundlage zu engagieren:

1.) Die Zukunft Israels bedingt notwendigerweise die Schaffung des Friedens mit dem palästinensischen Volk und die Gründung eines palästinensischen Staates gemäß dem Prinzip „zwei Staaten für zwei Völker“. Wir alle sind uns dessen bewusst, dass dieses Anliegen dringend ist. Bald wird Israel sich mit zwei katastrophalen Alternativen konfrontiert sehen: Entweder werden die Juden eine Minderheit in ihrem eigenen Land sein oder es wird im Lande ein Regime entstehen, das Israel beschämen und die Gefahr eines Bürgerkrieges heraufbeschwören wird.

2.) Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass die Europäische Union gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika Druck auf beide Parteien ausübt und ihnen hilft, eine vernünftige und schnelle Regelung des israelisch-palästinensischen Konflikts zu erreichen. Trägt doch Europa angesichts seiner Geschichte die Verantwortung für diese Weltregion.

3.) Die endgültige Entscheidung liegt bei den Israelis, dennoch soll die Solidarität der Juden weltweit die Israelis dazu ermutigen, die richtige Entscheidung zu treffen. Die systematische Identifizierung mit der Politik der israelischen Regierung ist gefährlich, weil sie im Gegensatz zu den echten Interessen des Staates Israel stehen kann.

4.) Wir möchten eine europäische Bewegung gründen, die die Stimme der Vernunft zum Ausdruck bringt. Diese Bewegung möchte über den traditionellen Meinungsverschiedenheiten stehen und setzt sich die Zukunft Israels und seine Koexistenz mit einem souveränen und lebensfähigen palästinensischen Staat zum Ziel.
(jcall.eu)

Nach meinen Eindruck ist das gebetsmühlenhafte Betonen der unerschütterlichen Solidarität mit Israel zu einem Ritual jeder Sonntagsrede verkommen.
Verstanden wird diese Solidarität nämlich als bedingungslose Unterstützung der politischen Rechten in Jerusalem, in Begeisterung für militärische Methoden und in anti-Palästinenser-Rhetorik. Unterstützung Israels bedeutet in Amerika blind-zionistischer Extremismus à la Gingrich, Perry und Palin.

Ich behaupte aber, daß so eine Politik in Wahrheit sehr schädlich für Israel ist, daß man dem kleinen Land viel mehr hülfe, wenn man es sanft auf den Weg des Friedens schubste, wenn man die dortigen Friedens-orientierten Bewegungen unterstützt.

According to The Hill, some GOP candidates feel that the president is being too hard on Israel and not tough enough on its enemies.

"This president appears more generous to our enemies than he is to our friends," Romney said at the Republican Jewish Coalition forum in December.

Former presidential candidate Michele Bachmann (R-Minn.) also claimed that "Obama has confused engagement with appeasement, and it has inspired Israel's enemies."

Despite the criticism from GOP hopefuls and the rhetoric of local spectators, Obama seems to be holding up well in his popularity within the Jewish community, a voting populace that is considered imperative to his re-election.
(HuffPo 20.01.12)

Im amerikanischen Politgeschäft ist aber bei jeder großen Rede das „ich stehe bedingungslos zu Israel“ unverzichtbarer Bestandteil; ein todsicherer Applaus-Bringer über alle Parteigrenzen hinweg.
Dabei sagt so ein „Bekenntnis“ in Wirklichkeit sehr wenig aus.
Es ist nämlich eine Selbstverständlichkeit und würde nur auffallen, wenn es versehentlich einmal ausgelassen würde.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem pathetischen Soldatenlob, welches in jeder deutschen Rede zur Außenpolitik enthalten ist, seit die Bundeswehr im Kriegseinsätzen ist.
Niemand, auch nicht Grüne oder Linke, versäumt es darauf hinzuweisen, daß die einfachen Soldaten am Hindukusch besonders „tapfer“ wären, einen „sehr wichtigen Job“ machten.
Der außerordentliche Mut der Soldaten wird bei jedem Gedenktag, bei jedem Gelöbnis bei jeder Beisetzung von politischer Seite betont.
Ich nenne das redundant.
Als ob es überhaupt möglich wäre, daß ein europäischer oder amerikanischer Politiker sich NICHT so äußern würde!

Hat schon einmal ein Minister eines OECD-Staats erklärt die eigenen Soldaten wären unterdurchschnittlich mutig? Kann man sich einen Gates oder Guttenberg oder Rumsfeld mit folgendem Satz vorstellen?

An dieser Stelle möchte ich unseren Soldaten danken, die ein bißchen feige sind und lieber anderen Nationen den Vortritt lassen, wenn es gefährlich wird! Aber wir mögen sie trotzdem.

Das sind Dekorationsfloskeln, wie die Suche nach Vermissten, die immer FIEBERHAFT verläuft und Selbstmordanschläge, die immer FEIGE sind.

Überhöhung und grenzenlose verbale Bewunderung der Soldaten gehört zu Status Quo. Am Schönsten zeigt das für mein Gefühl die Windsor-Familie, deren Mitglieder allesamt Ehrenoberste irgendwelcher Spezial-Regimenter sind und ihr Leben lang bei allen offiziellen Anlässen ihre Regimenter lobpreisen.

Daß es sich bei diesem offiziellen Statements oft um reine Lippenbekenntnisse handelt und die Soldaten in der Realität mit eklatanten Versorgungsmängeln und Materialknappheit zu tun haben, steht auf einem anderen Blatt.

Ich halte es mit dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. von Preußen (Regierungszeit: 25.2.1713 - 31.5.1740), der das Militär so sehr liebte, daß er es aus Angst man könnte seine stolzen Jungs zerbeulen nie in einen Krieg führte.

Die Liebe zum Militär, wie sie den Amerikanern im Allgemeinen und den Republikanern im Besonderen attestiert wird, hat für die Militärangehörigen den Nachteil, daß sie zu Tausenden gekillt und zu Myriaden verwundet werden.

Ich befürchte, daß es sich mit der Israel-Liebe ähnlich verhalten könnte.

Vielleicht sollte ein smarter Präsident wie Obama sich trauen seinen Wählern klar zu machen, daß er gerade mit Opposition zum Bibi-Kurs Gutes für Israel bewirkt.

Dem steht freilich die groteske FOX-generierte Verblödung vieler Wähler entgegen.

Außerdem gibt es tatsächlich fanatische Lobbyisten mit viel Macht und Geld.

Der stockkonservative Casino-Milliardär Sheldon Adelson, der seinem Busenfreund Newt Gingrich schon 20 Millionen Dollar zukommen lassen hat gehört dazu.

Der greise Mogul ist der finanzstarke Geldgeber hinter dem Aufstieg des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Newt Gingrich, mit dem ihn gemeinsame Ideologien verbinden. Vor allem, was die Nahostfrage betrifft: Gingrich wie Adelson, ein Sohn jüdischer Immigranten aus der Ukraine, sind Verfechter einer dezidiert pro-israelischen Politik.

Adelson steckte kürzlich fünf Millionen Dollar in eine Lobbygruppe, die Gingrich unterstützt, und machte den Underdog damit überhaupt erst konkurrenzfähig. Die Kampagnen dieses Super-PACs (PAC steht für Political Action Committee) mit dem euphemistischen Namen "Winning Our Future" ermöglichten dem Ex-Sprecher des Repräsentantenhauses, dessen Kandidatur zuvor geschwächelt hatte, den Sieg bei den Vorwahlen in South Carolina. Adelsons aus Israel stammende Ehefrau Miriam spendete "Winning Our Future" nach diesem Sieg ebenfalls fünf Millionen Dollar.
[…] Gingrich und Adelson hatten sich 1995 kennengelernt, auf dem Flur des US-Kapitols. Aus gemeinsamen Ansichten erwuchs eine enge Freundschaft.

Beide Männer lehnen einen palästinensischen Staat ab, beide sind Fürsprecher des konservativen Ministerpräsidenten Israels, Benjamin Netanjahu. Gingrich half Adelson in seinem Kampf gegen die Gewerkschaften. Adelson revanchierte sich mit Wahlspenden - und indem er Gingrich seine Jets nutzen ließ
(Marc Pitzke 26.01.12)

Ein echtes Schätzchen ist auch der Kolumnist Herausgeber der "Atlanta Jewish Times", Andrew Adler, der recht unumwunden die Ermordung Obamas empfahl.

Adler hatte in seinem Artikel vom 13. Januar geschrieben, es gebe drei mögliche Antworten Israels auf die Bestrebungen Irans, zu einer Nuklearwaffe zu kommen: erstens einen Präventivschlag gegen Hamas und Hizbollah, die durch einen nuklear bewaffneten Iran gestärkt würden, zweitens einen direkten Schlag gegen Iran oder «drittens einen Einsatz von Mossad-Agenten in den USA, um einen Präsidenten zu entfernen, der gegenüber Israel als unfreundlich gilt, um den gegenwärtigen Vizepräsidenten an seine Stelle zu befördern und mit Nachdruck zu diktieren, dass die Politik der USA einschliesst, dass sie dem jüdischen Staat bei der Beseitigung seiner Feinde hilft.

As reported by Gawker, Adler's article, written earlier this month, describes the urgency in protecting the Israeli people from threats such as Hamas and Hezbollah and argues that there are essentially only three options available to Israel: 1. attack Hezbollah and Hamas; 2. "order the destruction of Iran's nuclear facilities at all costs;" 3. assassinate Obama.
(HuffPo 20.01.12)

Aber schadet sich die ultrarechte Israelische Lobby nicht mehr selbst mit solchen Aktionen, als daß sie einer vernünftigen Israel-Politik im Weg steht?

Ob die Amis es so sehr mögen, wenn jemand dazu aufruft ihren Präsidenten zu töten, wage ich zu bezweifeln.

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