Montag, 23. September 2019

Der Co-Zerstörer.


Im Interview mit dem Islamforscher Gilles Kepel* tauchte die Frage auf wer eigentlich noch handeln könnte, um einen Flächenbrand abzuwenden, nachdem Donald Trump aus purer Borniertheit zündelt und alle Alliierten vor den Kopf stieß.

[….] Es ist ohnehin der einzige Weg, im Gespräch zu bleiben. Ich denke, Macron wird den Kurs von Biarritz weiter fortsetzen. Und angesichts, sagen wir mal, einer gewissen Schwäche Angela Merkels und des Zusammenbruchs der Politik in Großbritannien ist er auch der Einzige in Europa, der dazu noch die politische Kraft hat. [….]

*Gilles Kepel: "Chaos. Die Krisen in Nordafrika und im Nahen Osten verstehen". Antje Kunstmann, 2019

In dem Interview ging es um den Nahen Osten, aber das Bemerkenswerte an dem zitierten Satz ist, daß er gar nicht weiter auffiel und auch keinen Widerspruch erntete.
Dabei wird en passant eine ungeheuerliche Neuerung der Geschichte erwähnt.
Jahrhunderte dominierten die Europäischen Nationen, sowie die USA das Weltgeschehen, aber auf einmal fallen sie alle gleichzeitig aus.

Große Reiche überschreiten ihren Zenit durch Überdehnung oder werden in Kriegen/Revolutionen radikal geschwächt.

Deutschland, England, Italien und die USA haben eine neue Methode entdeckt sich international zu verzwergen und der Lächerlichkeit auszusetzen: Demokratische Wahlen.

Trotz ihrer ökonomischen Stärke und der stabilen politischen Systeme haben die Wähler durch grotesk-debile Fehlentscheidungen an der Urne völlig ungeeignete und unfähige Regierungen gewählt, die sogleich begannen sich selbst in den Fuß zu schießen.

Andere Länder schaffen es auch mit der Methode demokratischer Wahlen den denkbar schlimmsten Regierungschef auszusuchen – Polen, Ungarn, Türkei, Brasilien, Philippinen, Österreich – aber das sind kleinere (oder zumindest fernere) Länder, die traditionell nicht so eine ordnungspolitische Rolle bei internationalen Konflikten spielen.

Diese massive Häufung von gefährlichen Clowns an der Spitze der Regierung wäre ohne Internet-Filterblasen und soziale Medien kaum möglich.
So sind immer größere Wählergruppen nicht mehr von der Realität zu erreichen.

Hinzu kommt aber, daß die von Klugtelefonen erzwungene Dauerpräsenz auf Kandidaten mit Skrupeln und Anstand sehr abschreckend wirkt.
Man muss schon völlig schamlos und psychopathisch sein, um wie Trump und Johnson ungeniert zu lügen, daß sich die Balken biegen.
Welcher „gute Mensch“ will sich schon mit solchen Typen um die Wählergunst streiten, wenn a priori fest steht, daß man mit Dreck und Verleumdungen übergossen wird?
Und so kommt es, daß durchaus schlagbare rechtspopulistische Spinner (USA/It/GB) oder auch einfach öde Phlegmaten (Dtl.) die Wahlen gewinnen, weil Linke und Liberale nicht in der Lage sind einen überzeugenden Gegenkandidaten zu finden.
Der bärtige Martin Würselen („Mr. 100%“), der sich während des ganzen Wahlkampfes nur jammernd beschwerte ungerecht behandelt zu werden war genauso eine Fehlbesetzung wie Jeremy Corbyn.
Klar, beide wären besser als die jeweiligen konservativen Wahlgewinner und natürlich wäre Hillary Clinton besser als Trump. Aber wieso mussten die Demokraten unbedingt die unpopulärste Person ihrer Partei aufstellen?

Das ist eine echte Tragik. Hätte Labour einen auch nur halbwegs erträglichen Parteichef, wäre dieser längst zum Premier gewählt worden. Immerhin verfügt Johnsons Opposition über eine Mehrheit im Parlament.
Sie alle sind derartig entsetzt und genervt von den Konservativen und Johnson, daß sogar Dutzende Tories im Parlament mit Kusshand einen halbwegs moderaten Labour-Chef zum Premier wählen würden, um Johnsons Kamikaze-Kurs zu stoppen.

(……) Corbyn ist derartig unfähig und chaotisch, daß er es geschafft seine Labour-Partei trotz des Lügen-Chaoten Johnson in Umfragen deutlich hinter die Konservativen zurückfallen zu lassen. Das muss man erst mal schaffen.

[…..] Corbyn ist sicher das größte Problem für Labour. Die Antisemitismus-Vorwürfe und sein Image als radikal Linker schaden der Partei. Für die meisten ist er eben ein weltfremder, bärtiger Sandalenträger, der sich weigert, sich bei Zeremonien zu verbeugen. Und so oberflächlich das klingt - auch danach entscheiden Wähler. Labour hätte sicher eine bessere Chance ohne Corbyn und es gibt Leute in der Partei, die den Job machen könnten. Doch Corbyn wird bleiben. […..]

Wie konnte es so eine Groteske Witzfigur an die Labour-Parteispitze bringen?
Ganz einfach, die Spezies der Basis-Mitglieder liebt ihn und wählt ihn immer wieder wider alle Vernunft auf den Chefsessel.
Basisdemokratie ist eine üble Sache. Diktatur der Inkompetenz. (….)
(Basis-Drama, 05.09.2019)

Man kann durchaus sagen, daß Boris Johnson nur noch deswegen britischer Regierungschef ist, weil Jeremy Corbyn so egoman und borniert ist an seinem Sitz zu kleben, statt zum Wohle der Partei, der Nation und Europas endlich seinen Hut zu nehmen und einen konsensfähigen Labour-Parteifreund übernehmen zu lassen.

Aber der bärtige Trottel ist vollkommen erkenntnisresistent und zerlegt lieber zusätzlich noch seine eigene Partei, bevor er das einzig Richtige tut und abtritt.

Brexit? War das was? Kein Grund für Corbyn irgendeine Position zu beziehen.

[….] Auf dem Labour-Parteitag wird rebelliert und intrigiert. Viele sind fassungslos über ihre Führung und werfen Jeremy Corbyn vor, Kritiker mundtot zu machen.
[….] In der Nacht zum Samstag liefen die Drähte in der Partei heiß, die Empörung war groß, Ex-Parteichef Ed Miliband twitterte, jetzt sei Labour endgültig von allen guten Geistern verlassen: zu Beginn eines Parteitages, der einen und heilen und die tiefen Gräben in der Partei überwinden sollte, quasi aus der Deckung und Vorwarnung einen wichtigen Vertreter der Remain-Seite zu eliminieren? [….]
 Der Parteichef hat sich seit dem Brexit-Referendum 2016 nicht eindeutig auf eine Seite gestellt. Im vergangenen Jahr votierte der Parteitag nach langem Ringen dafür, dass sich Labour für ein zweites Referendum aussprechen wollte - als eines von zwei Mitteln, um den Brexit abzuwenden. Corbyn plädierte damals für Neuwahlen, gegen ein Referendum. Jetzt, ein Jahr später und vor dem Parteitag, auf dem Labour sich fit und bereit zeigen will für Wahlen und den Einzug in die Downing Street, beschloss Corbyn, das zu tun, was die Briten "auf dem Zaun sitzen" nennen. Er forderte, die Partei solle die Entscheidung, ob man für oder gegen den EU-Austritt ist, auf die Zeit nach den Wahlen vertagen.
Der kollektive Aufschrei blieb auch diesmal nicht aus. [….] Derweil plant die Partei schon für die Zeit nach Corbyn. Der Parteichef ist 71 Jahre alt. In aktuellen Umfragen liegt Labour bei 22 Prozent und damit 15 Punkte hinter den Tories. Nur 31 Prozent der Befragten finden die Position von Labour in der Brexit-Frage klar. Die Tories liegen hier bei 76 Prozent. Die Sympathiewerte für Corbyn in der Bevölkerung sind desaströs, auch in der Partei halten ihn viele nicht für einen geeigneten Premierminister. [….]

Bei so einer Opposition hat Gaga-Johnson gut lachen.
Sogar die nicht eben besonders helle Andrea Nahles wußte irgendwann, daß sie die Sache nur schlimmer macht und nicht bleiben konnte.
Bei Corbyn gibt es gar kein rationales Denken mehr.